Politik

„Die Umgangsformen von Scheuer und Dobrindt lassen zu wünschen übrig“ – Natascha Kohnen ist sauer auf die CSU. (Foto: dpa)

16.02.2018

"Bezahlbares Wohnen wird die entscheidende Frage"

Bayerns SPD-Chefin Natascha Kohnen spricht im BSZ-Interview über Personalquerelen, Martin Schulz und die GroKo

Die 50-jährige Biologin sitzt seit 2008 im bayerischen Landtag, seit Mai 2017 ist sie Landesvorsitzende der Bayern-SPD, seit Dezember 2017 auch stellvertretende Bundesvorsitzende. Kohnen zählte zum GroKo-Verhandlungsteam. In den nächsten Wochen will sie in Bayern für die GroKo werben. BSZ: Frau Kohnen, wie war es denn so die vergangenen Wochen in Berlin?
Natascha Kohnen: Die Koalitionsverhandlungen waren für mich nicht nur sehr spannend und lehrreich, es war auch hochinteressant zu erleben, wie man sich bei so unterschiedlichen Positionen verständigt. Am Ende können wir als SPD feststellen, dass wir uns in großen Teilen durchgesetzt haben.

BSZ: Was haben Sie in diesen Gesprächen gelernt, das Sie als Spitzenkandidatin für den Landtagswahlkampf brauchen können?
Kohnen: Mir ist bewusst geworden, wie unterschiedlich die Denkweise von Union und SPD ist, wenn es um die Weiterentwicklung unserer Gesellschaft geht. Das haben wir in den letzten Jahren nicht deutlich genug herausgearbeitet. So werden die sozialen Themen ganz klar von uns gesetzt. Wir müssen deshalb mehr darauf achten, dass die Menschen erkennen: Es ist nicht egal, wer regiert. Und dann habe ich noch einiges über den Umgang miteinander erfahren. Für mich besteht der aus Respekt, Ernsthaftigkeit und Sachlichkeit.

BSZ: Das haben Sie auf Unionsseite vermisst?
Kohnen: Ja, vor allem bei zwei Vertretern des bayerischen Teils der Union.

BSZ: Wollen Sie Ross und Reiter nennen?
Kohnen: Die Herren Dobrindt und Scheuer haben sich nur auf das Thema Zuwanderung fokussiert. Zudem haben deren Umgangsformen vor allem in den Sondierungsgesprächen zu wünschen übrig gelassen.

BSZ: Wie schätzen Sie die Chancen ein, dass jetzt auch die SPD-Basis beim Mitgliederentscheid dem Koalitionsvertrag zustimmt?

Kohnen: Mein Eindruck ist, dass viele nach den Koalitionsverhandlungen überrascht waren, wie stark wir uns am Ende durchgesetzt haben. Viele waren auch beeindruckt, welche Ministerien wir für die SPD sichern konnten. Ich denke schon, dass eine Mehrheit erkennt, welche Chancen für das Land darin stecken, wenn die SPD mit an Bord ist.

BSZ: Was ist Ihre Lieblingspassage im Koalitionsvertrag?
Kohnen: Für mich ist derzeit die entscheidende gesellschaftliche Frage, ob sich die Menschen ihr Dach über dem Kopf noch leisten können. Wir haben hier eine Verschärfung der Mietpreisbremse, ein Erschweren von Luxussanierungen und eine bessere Förderung des sozialen Wohnungsbaus durchgesetzt.

BSZ: Wo ist die SPD-Handschrift noch sichtbar?
Kohnen: Bei der kostenfreien Kita, beim Einwanderungsgesetz, bei der Solidarrente, bei der Aufhebung des Kooperationsverbots in der Bildung, bei der Einschränkung der sachgrundlosen Befristung von Arbeitsverträgen. Das sind alles Punkte, die das Leben der Menschen direkt berühren und verbessern. Deshalb werbe ich für die Zustimmung zu diesem Vertrag.

BSZ: Wo hätten Sie sich mehr SPD gewünscht?
Kohnen: Zum Beispiel bei der Steuergerechtigkeit. Für mich ist die Forderung nach einer Anhebung des Spitzensteuersatzes noch nicht erledigt. Diejenigen, die mehr haben, sollen auch mehr zur Finanzierung gesamtgesellschaftlicher Aufgaben beitragen.

BSZ: Ihre Forderung nach einem Ende der „Zwei-Klassen-Medizin“ ist in eine Arbeitsgruppe ausgelagert worden. Ist das eine Beerdigung zweiter Klasse?
Kohnen: Nein. Diese Frage ist auch in der Fachwelt umstritten. Deshalb tun wir gut daran, den Sachverstand von Experten heranzuziehen. Unser Ziel bleibt eine medizinische Versorgung, in der alle die gleichen Chancen haben.

BSZ: Glaubt man der CSU, dann hat sie sich bei den meisten Themen durchgesetzt, zum Beispiel bei der Obergrenze für die Zuwanderung.

Kohnen: Im Vertrag steht: „Das Asylrecht und die Genfer Flüchtlingskonvention bleiben unangetastet.“ Diese Feststellung schließt eine Obergrenze aus. Mehr muss ich dazu nicht sagen.

BSZ: Wie stark werden die Personalquerelen der vergangenen Tage den Mitgliederentscheid beeinflussen?

Kohnen: Wir haben die letzten Tage kein gutes Bild abgegeben, aber die Personalquerelen sind jetzt beendet. Es ist eine klare Entscheidung getroffen worden. Martin Schulz ist zurückgetreten, Andrea Nahles kandidiert auf dem Sonderparteitag am 22. April, und bis dahin leitet Olaf Scholz als dienstältester Parteivize die Geschäfte. Jetzt müssen die Inhalte im Mittelpunkt der Debatte stehen.

BSZ: Warum gibt es über die Nachfolge von Martin Schulz keinen Mitgliederentscheid?

Kohnen: Weil das in unserer Satzung nicht vorgesehen ist. Wir haben aber auf dem Parteitag im Dezember vereinbart, in Ruhe zu prüfen, welche Instrumente wir für welche parteiinternen Entscheidungen zulassen. Diese Klärung ist noch nicht abgeschlossen. In Bayern haben wir mit dem Mitgliederentscheid gute Erfahrungen gemacht, in anderen Landesverbänden muss das noch diskutiert werden. Den oder die neue Vorsitzende werden wir also nach dem bewährten Delegiertensystem auf einem Parteitag wählen, bei dem es jedem offensteht, zu kandidieren.

BSZ: letzte GroKo war für die SPD in der Wählergunst kein Bringer, obwohl viele SPD-Themen umgesetzt wurden. Warum soll es bei der GroKo-Neuauflage besser laufen?

Kohnen: Weil es von unserer Seite eine ganz andere Gangart geben wird. Dass Vereinbarungen von der Union einfach gebrochen werden und wir das akzeptieren – das wird so nicht mehr kommen.

BSZ: Wo war denn das der Fall?
Kohnen: Zum Beispiel beim vereinbarten Rückkehrrecht von Teil- auf Vollzeit oder bei der Verschärfung der Mietpreisbremse. Solche Wortbrüche werden wir nicht mehr zulassen.

BSZ: Auch um den Preis, dass die Große Koalition keine vier Jahre hält?
Kohnen: Die Union muss sich in dieser Zweckgemeinschaft ordentlich benehmen, dann kann das auch vier Jahre halten. (Interview: Jürgen Umlauft)

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