Politik

Im Gegenzug für die Umbenennung renoviert der Discounter die Hörsäle von Universitäten. (Foto: dpa)

05.12.2014

BWL im easyCredit-Hörsaal

Unternehmen investieren immer häufiger in Schulen und Hochschulen – Kritiker sorgen sich um deren Unabhängigkeit

In Finanznöten steckt die Technische Universität München (TUM) nicht. Dennoch setzt sie mit einem eigenen Hochschulreferat verstärkt auf Fundraising. In den letzten 15 Jahren konnten dadurch mehr als 30 Stiftungslehrstühle eingerichtet und 250 Millionen Euro eingesammelt werden. „Unsere Zielsetzung ist ganz klar die Verbreiterung der Finanzbasis der Universität“, sagt TUM-Präsident Wolfgang A. Herrmann der Staatszeitung. Dies sei nicht nötig, um auszugleichen, was möglicherweise irgendwann nicht mehr vom Landtag komme. „Es geht um die Bindung von für uns relevante Unternehmen.“ Dies scheint sich auszuzahlen: 2010 konnte sich die TUM über ein zehn Millionen Euro teures Gebäude am Campus Garching freuen – gestiftet von BMW.

Auch andere Hochschulen im Freistaat sind beim Geld Einwerben aktiv. So geht beispielsweise an der Universität Regensburg das Institut für Immobilienwirtschaft auf Sponsoring zurück – es ist das größte in Europa. An der Universität Erlangen-Nürnberg wirbt easyCredit im Hörsaal. Die Fachhochschule Würzburg-Schweinfurt hat sich bereits sieben Gebäudesanierungen von Sponsoren bezahlen lassen. Studenten werden seitdem in den Vorlesungssälen Aldi-Süd, Sparkasse Würzburg, Salt Solutions, Fresenius Medical Care, Else-Kröner sowie Leonie unterrichtet. „Vonseiten der Studierenden, der Medien und der Gesellschaft kommen darüber keine Klagen“, versichert Hochschulsprecherin Katja Klein. Selbst Schulen bringen im Gegenzug für Spendengelder immer öfter Firmenlogos in ihren Gebäuden an. „Das kann im Extremfall bis zur Umbenennung der Bildungseinrichtungen gehen“, erzählt der Präsident des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands (BLLV), Klaus Wenzel. Mittlerweile sei sogar Fundraising in Form von gemeinnützigen Fördervereinen in allen Schularten keine Seltenheit mehr.

Fundraising in der Grundschule

Das Kultusministerium kann darin nichts Schlechtes erkennen: „Die Einwerbung, Verwaltung und Verwendung von Drittmitteln durch die bayerischen Hochschulen ist im Rahmen der geltenden Gesetze ausdrücklich erwünscht“, heißt es in den Drittmittelrichtlinien des Freistaats. Allerdings dürften die Zuwendungen keine Abhängigkeiten schaffen, keinen Einfluss auf Entscheidungen nehmen und nur schriftlich fixiert vereinbart werden. Wie die Einhaltung überprüft wird, ließ das Ressort von Wissenschaftsminister Ludwig Spaenle (CSU) bis Redaktionsschluss allerdings offen. An der Universität der Bundeswehr in München ist die Kontrolle noch schwieriger. Zwar seien die Auflagen tendenziell restriktiver als an Landesuniversitäten geregelt. „Leider kann ich den Sponsoringerlass vom Verteidigungsministerium aber nicht zur Verfügung stellen, da es ein internes Dokument ist“, erklärt Pressesprecher Michael Brauns.

Der Vorsitzende des Wissenschaftsausschusses im Landtag Michael Piazolo (Freie Wähler) wünscht sich über kurz oder lang ebenfalls eine Ausweitung des Bereichs Fundraising an bayerischen Hochschulen. Der Ausschuss war im November auf Informationsfahrt in den USA und schwer beeindruckt: Allein an der Harvard University in Bosten kümmern sich über 20 Mitarbeiter um die Einwerbung von Finanzmitteln – mit Erfolg. Über eine Milliarde Dollar konnte so mittlerweile generiert werden. „Das sollte für uns kein Vorbild sein, aber abschauen könnten wir uns trotzdem einiges“, betont Piazolo im Gespräch mit der BSZ. Natürlich hätten nicht alle Hochschulen einen so internationalen Ruf wie die TUM oder die Ludwig-Maximilians-Universität München. Doch regionale Hochschulen könnten im regionalen Umfeld tätig werden: „In Ingolstadt mit dem Hauptsitz von Audi böte sich das an.“

Kritisch wird es für Piazolo allerdings, wenn beispielsweise wie am Massachusetts Institute of Technology der Universität Cambridge zusammen mit der Pharmaindustrie Grundlagenforschung betrieben wird. Mc Donalds-Hörsäle möchte der Abgeordnete im Freistaat ebenfalls nicht haben. Eine einheitliche Meinung, wo die Grenze zwischen der Möglichkeit, Geld zu generieren und Abhängigkeit zu vermeiden, verlaufen soll, hat sich im Ausschuss noch nicht gebildet. „Jeder hat auf der Reise seine Schlüsse gezogen, aber wir haben noch keine endgültige Entscheidung getroffen“, erläutert Piazolo. Bei der SPD lässt sich allerdings schon eine Tendenz erkennen.

Für Isabell Zacharias hat sich die Finanzierungsstruktur von Hochschulen in den letzten Jahren schon zu sehr zugunsten von Drittmitteln verschoben. „Private Unternehmen sind vor allem an anwendungsorientierter Forschung interessiert, mit der sich Profit machen lässt“, schimpft die Abgeordnete. „Wir brauchen aber auch Grundlagenforschung, die Geld und Zeit kostet!“ Nach Zacharias’ Meinung ist eine vom Freistaat finanziell gut ausgestattete Hochschullandschaft Voraussetzung dafür, dem Boom an den Hochschulen gerecht zu werden. Unterstützung erhält sie von den Grünen.

Verena Osgyan sieht private Mittel zwar nicht per se negativ. „Statt sich aber darauf zu konzentrieren, wie weitere private Geldgeber gewonnen werden können – die möglicherweise die Unabhängigkeit von Forsche und Lehre beeinträchtigen – brauchen wir endlich eine verlässliche Grundfinanzierung aller Hochschulen in Bayern“, unterstreicht die Abgeordnete.

BLLV-Präsident Wenzel hat ebenfalls nichts dagegen, wenn Schulen findig sind und zum Beispiel eine Gärtnerei Pflanzen für das Schulfest spendet. Es dürfe aber nicht zur Regel werden, dass Versicherungen in Abschlussklassen Infomappen verteilen oder Baumaßnahmen von Sponsoren statt vom Freistaat bezahlt werden. „Wenn die Erwartungen der Unternehmen wachsen, wird’s mir himmelangst“, warnt Wenzel.

„Privates Sponsoring an Universitäten sollte kritisch betrachtet werden“, findet auch Susanne Socher vom Verein Mehr Demokratie in Bayern. Sonst könnte der Einfluss von Lobbyisten genauso wachsen wie in der Politik. „Bildung ist mit das wichtigste Gut einer Demokratie, denn nur mündige Menschen können sie aktiv mitgestalten.“ Es sei daher zwingend notwendig, auf absolute Transparenz und Ausgewogenheit zu achten. (David Lohmann)

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