Politik

Wie vorbildlich verhält sich Bayerns Vorzeige-Autofirma? (Foto: dapd)

25.11.2011

"Dann legen wir BMW wochenlang lahm"

Der Gesamtbetriebsrat des größten bayerischen Autobauers droht wegen einer geplanten Tarifflucht mit massiven Protesten

Der Ärger begann für Angelika W. vor zwei Jahren. Damals hatte die 47-Jährige mit einer IG-Metall-Liste die Betriebsratswahlen in der Münchner BMW-Niederlassung gewonnen. „Wir haben uns stets für die strikte Einhaltung des Tarifvertrags eingesetzt – das haben die Mitarbeiter honoriert“, erinnert sie sich. Prompt wurde Angelika W. als stellvertretende Vorsitzende des Gremiums bestätigt. Doch ihre Freude währte nicht lange: „BMW behindert die Betriebsratsarbeit seither massiv“, sagt die Bayerin. So hätten Führungskräfte des Autobauers mehrfach Angestellte aufgefordert, sich bei Streitfällen in der Niederlassung keinesfalls an die gewerkschaftsnahe Betriebsratsmehrheit zu wenden: „Den Mitarbeitern wird klar gemacht, dass das sonst negative Folgen für ihre Karriere hat.“
Eine schwerwiegende Anschuldigung. Ein BMW-Sprecher betont zwar, „derartige Äußerungen“ seien dem Unternehmen nicht bekannt. „Doch wenn der Vorwurf zutrifft, könnte sich der Konzern sogar strafbar gemacht haben“, sagt der Münchner Arbeitsrechtler Rüdiger Helm.

Mobbing-Vorwürfe machen die Runde


Auch vor arbeitsrechtlichen Drohgebärden schreckt der Premium-Hersteller angeblich nicht zurück. So seien mehrfach kritische IG-Metall-Betriebsräte abgemahnt worden. Das versichern Arbeitnehmervertreter der BSZ. Angelika W. zufolge werden in der Münchner Niederlassung „arbeitgeberhörige Betriebsräte gezielt in bessere Positionen gehievt“. Gewerkschaftlich sehr engagierte Mitarbeiter würden hingegen bei Beförderungen „systematisch übergangen“. Hinzu komme psychischer Druck: „Das geht damit los, dass der Geschäftsführer einen nicht grüßt und hört damit auf, dass Lügen über kritische Betriebsräte verbreitet werden.“ Für Angelika W. ist klar: „Was BMW mit seinen Arbeitnehmervertretern macht, ist Mobbing pur.“
Ein Firmensprecher bezeichnet die Vorwürfe dagegen als „in keiner Weise nachvollziehbar“. Beförderungen von Mitarbeitern basierten ausschließlich auf Leistung Es werde kein psychischer Druck ausgeübt. Stattdessen pflege BMW ein „vertrauensvolles Verhältnis zu seinen Betriebsräten“. Mitarbeiter würden auch nicht wegen „Kritik am Unternehmen abgemahnt“.
Doch nicht nur in der Landeshauptstadt soll der Autobauer gewerkschaftlich organisierte Betriebsräte ins Visier genommen haben: Betriebsräte aus vier der bundesweit 17 Niederlassungen berichten von massiven Schikanen. So etwa in Bonn. Laut Petra Bernhard von der IG Metall Bonn-Siegburg wolle der dortige Niederlassungsleiter die Gewerkschaft „raus aus dem Betriebsrat haben“. Er untersage den Arbeitnehmervertretern die Teilnahme an Weiterbildungsseminaren oder Abteilungsbesprechungen. BMW habe zudem eine schwer kranke Betriebsrätin „so lange zermürben wollen“, bis diese einen Aufhebungsvertrag unterschreibe. „Da fehlen mir die Worte“, ärgert sich der Bonner Betriebsratschef Wielfried Gelbe.
Auch anderenorts bleibt die vom Unternehmen beschworene „vertrauensvolle Zusammenarbeit“ mitunter ein frommer Wunsch. So berichten Arbeitnehmervertreter aus Darmstadt von „massivem Druck gegen den Betriebsrat“. Die IG Metall wirft einzelnen Niederlassungsleitern „Rambo-artiges Verhalten“ vor. BMW bestreitet das. Manfred Schoch, Vorsitzender des Gesamtbetriebsrats (GBR) der BMW Group, die weltweit mehr als 95 000 Mitarbeiter beschäftigt, bestätigt, dass sich Abmahnungen gegen kritische Betriebsräte in jüngster Zeit massiv gehäuft hätten. Es sei in einer Reihe von Niederlassungen versucht worden, Arbeitnehmervertreter „einzuschüchtern“.


Aus fürs Weihnachtsgeld?


Der Arbeiterboss glaubt auch, das Motiv von BMW zu kennen: „Bei keinem deutschen Autohersteller gibt es so gute Sozialleistungen.“ In allen Niederlassungen zahle der Konzern den Angestellten Weihnachtsgeld, Betriebsrente sowie Gewinnbeteiligung. Dies sei manchem in der Führungsetage ein „Dorn im Auge“. Der Wagenbauer will laut Schoch die Zusatzleistungen der rund 5000 Mitarbeiter in den deutschen Niederlassungen kappen. Ein BMW-Sprecher erklärt dagegen: Ein Ausstieg der BMW AG-Niederlassungen aus den Tarifverträgen sei „nicht geplant“.
Wirklich nicht? Schließlich prüft der Konzern derzeit, ob er die Filiale München-Trudering mit rund 100 Mitarbeitern an die BMW-Tochter Automag verkauft. Das bestätigen neben Schoch auch andere Arbeitnehmervertreter. „Wie in jedem Unternehmen gibt es auch bei BMW Überlegungen, wie die Unternehmensstruktur wirtschaftlichen Gegebenheiten angepasst werden kann“, lässt der Konzern wissen. Pikant: Bei Automag gilt kein Tarifvertrag. Für die Angestellten hat das Folgen: etwa weit weniger Gehalt und längere Arbeitszeiten als bei der Konzernmutter.
Schoch ist entsetzt über derlei Gedankenspiele: „Das ist ein Skandal.“ Der GBR-Chef droht mit massiven Protesten. Die Betriebsräte in Werken und Niederlassungen forderten unisono, dass alle Mitarbeiter anständig bezahlt würden. „Wenn Trudering oder eine andere Filiale ausgelagert wird, dann werden wir BMW wochenlang lahmlegen.“
Für die Belegschaft steht viel auf dem Spiel. Sie fürchtet einen Dammbruch bei dem DAX-Unternehmen. Während die Betriebsrätin Angelika W. sagt, sie werde „nicht aufgeben“, glaubt Schoch an ein Einlenken des Konzerns: „Die Vernunft wird sich am Ende durchsetzen, damit BMW seinen Erfolgskurs fortsetzen kann.“
(Tobias Lill)

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