Politik

Trübe Aussichten für die Solarbranche: Sie befürchtet massive Absatzeinbrüche. (Foto: Bilderbox)

22.01.2010

Das Kaninchen aus dem Hut

Völlig überraschend hat der Bundesumweltminister die Kürzung der Solarstromförderung für den 1. April angekündigt

Wie das Kaninchen aus dem Hut hat Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) jetzt in Berlin die neuen Vergütungssätze für Solarstrom gezaubert. Bereits ab 1. April sollen die garantierten Abnahmepreise für Solarstrom von Dachanlagen um 15 Prozent sinken (bei Freiflächenanlagen erst ab 1. Juli). Die Solarbranche sieht Tausende Arbeitsplätze und den Aufbruch ins Regenerativzeitalter in Gefahr.
Beim Koalitionspartner der Union im Bund, den Liberalen, stoßen die Pläne aus dem Hause Röttgens weitgehend auf Zustimmung. „Bei uns laufen zwar noch die Beratungen. Der Kürzungsvorschlag geht aber, was seine Höhe betrifft, in die richtige Richtung“, sagt Horst Meierhofer, umweltpolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion der Staatszeitung. Der Abgeordnete aus Regensburg will allerdings darauf drängen, dass die Kürzungen für Dachanlagen nicht schon im April in Kraft treten. Hier sei eine Verschiebung durchaus realistisch. Kritik kommt dagegen von den Grünen. „Ich fürchte, dass die jetzige Kürzung über das Ziel hinausschießt“, sagt Christian Magerl, Umweltexperte der Grünen-Landtagsfraktion. Er fürchtet, dass der Solar-Standort Deutschland „massiven Schaden erleidet“.
„Die Margen sind schon jetzt im Keller“, erklärt ein Sprecher der Schott Solar AG (483 Millionen Euro Umsatz in 2008/2009) aus Mainz, die allein in Bayern 1000 Menschen an den Standorten Alzenau, Mitterteich und Putzbrunn beschäftigt. Es werde ein Problem, das Solargeschäft langfristig zu betreiben. Denn so erfreulich es auch sei, dass es eine höhere Förderung für Solarstrom geben soll, wenn man ihn selbst verbraucht, zweifelt man es bei Schott doch stark an, dass daraus ein neuer Geschäftsimpuls zu realisieren ist. Denn der Verbraucher muss zusätzlich zu seiner Solaranlage auf dem Dach einen Stromspeicher und die entsprechende Regelungstechnik kaufen. Die Erstinvestition wird also deutlich teurer. Dies ist erforderlich, weil der zu den Sonnenscheinstunden produzierte Strom in der Regel abends, wenn es dunkel wird, verbraucht wird. Daraus ergebe sich eine enorme Investitionshürde. Das sieht man auch beim Landesinnungsverband für das Bayerische Elektrohandwerk (LIV) so.
Als dramatisch bezeichnet LIV-Geschäftsführer Hans Werner Baumgärtler den Vorstoß von Röttgen für die bayerischen Elektrobetriebe: „Die Firmen haben Material bestellt und sind eigentlich voll mit Aufträgen für dieses Jahr.“ Doch jetzt werde es zu Stornierungen kommen, weil die jeweilige Förderung für eine Solaranlage erst ab Fertigstellung greift. „Unsere Betriebe können aber jetzt nicht innerhalb von zwei Monaten alle Aufträge abarbeiten“, erklärt Baumgärtler. Er hält es zwar prinzipiell für richtig, bei gesunkenen Preisen für Solarmodule die Förderung nach unten zu korrigieren. Aber es müsse ein vernünftiger Übergangszeitraum geschaffen werden. Schließlich hätten die Elektrobetriebe im Freistaat in den letzten Jahren zusätzlich über 10.000 Mitarbeiter eingestellt, um den politisch gewollten Ausbau der Photovoltaikanlagen zu realisieren. Ob diese Menschen dann arbeitslos werden oder für andere Aufgaben eingesetzt werden können, wagt Baumgärtler nicht zu prognostizieren.
Die Förderung für Solarstrom zu kürzen, hält man beim oberfränkischen Solaranlagenspezialisten IBC Solar AG (800 Millionen Euro Umsatz in 2008 mit 300 Beschäftigten) aus Bad Staffelstein für nicht gerechtfertigt. „Dass die Preise für Solarmodule so verfallen sind, liegt am Zusammenbruch des spanischen Markts“, erklärt eine Firmensprecherin. Dort habe man wegen der Wirtschaftskrise die Einspeisevergütung gekappt, was zu einem Überangebot im europäischen Markt führte.
Da viele Gemeinden im Freistaat auf eigene Solarstromerzeugung setzen, um energieautark zu werden, beurteilt auch Jürgen Busse, Gechäftsführendes Präsidialmitglied des Bayerischen Gemeindetags, die vom Bundesumweltminister für April angekündigte Kürzung sehr kritisch. Einzig die Kappung der Gelder für Solaranlagen auf Feldern hält Busse für sinnvoll, weil zum einen die Nahrungsmittelproduktion somit Vorrang erhält und zum anderen die Landschaft nicht so sehr verschandelt wird. (T. Lill, R. Schweinfurth)

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