Politik

Energie von oben: Wie man deren Nutzung fördert, darüber gibt es Streit. (Foto: Bilderbox)

19.03.2010

Das Land der Sonnenanbeter

Die Solarförderung kostet viele Milliarden Euro – der Nutzen für die Umwelt ist jedoch gering

Es ist eine gewaltige Hypothek für die Republik: Die deutschen Stromkunden müssen in den nächsten 20 Jahren wegen der bislang üppigen Förderung der Solarenergie mit Mehrkosten im hohen zweistelligen Milliardenbereich rechnen. Allein für die Anlagen, die von 2000 bis 2008 ans Netz gingen, sind laut einer Studie des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI) bis zum Jahr 2030 rund 29 Milliarden Euro an Öko-Subventionen fällig. Und weil im vergangenen Jahr in der Bundesrepublik noch einmal Anlagen mit einer Leistung von rund 3000 Megawatt errichtet wurden – soviel wie in keinem anderen Land – , kommen bis 2029 voraussichtlich weitere 14 Milliarden Euro hinzu. Grund dafür ist der im Erneuerbare-Energien-Gesetz festgeschriebene Vergütungssatz: 29 bis 39 Cent pro Kilowattstunde erhalten Betreiber von Solaranlagen derzeit, festgeschrieben für einen Zeitraum von 20 Jahren. Das ist bis zu fünf Mal so viel, wie konventioneller Strom an der Energiebörse kostet. Allerdings: Der Nutzen der Solarenergie für die Umwelt ist bislang gering. Nur etwa ein Prozent der deutschen Elektrizität wird mit Hilfe der Sonne erzeugt. Im Jahr 2008 stammte zehn Mal mehr Strom aus Wind- als aus Solarenergie. Und das, obwohl sich die Windräder mit weit geringerer Staatsförderung drehen. Kein Wunder, dass der Wirtschaftsweise Christoph Schmidt die gängige Subventionierung in Deutschland „höchst ineffizient“ nennt. Zudem profitieren vor allem asiatische Hersteller von dem teutonischen Sonnenboom. Zwei Drittel der in Deutschland installierten Module kamen 2008 aus dem Ausland. Denn für die Betreiber der hiesigen Solarparks spielt es meist keine Rolle, woher die Anlagen kommen. Sie machen gute Geschäfte: Seit 2006 sind die Preise für Solaranlagen um 40 Prozent gesunken – die Vergütung nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz jedoch nur um 17 Prozent. Selbst die Grünen sprechen sich deshalb mittlerweile für eine Senkung der Subventionen aus. Allerdings dürfe diese nicht abrupt erfolgen. „Eine über einen längeren Zeitraum gestreckte Kürzung der Förderung ist sinnvoll“, sagt Ludwig Hartmann, umweltpolitischer Sprecher der Grünen im Landtag. Union und Liberale legen sich auf Bundesebene schon seit einiger Zeit für eine deutliche Reduzierung der Solarsubventionen ins Zeug. „Alle Förderungen für erneuerbare Energien müssen auf den Prüfstand”, hatte der bayerische FDP-Landesgruppenchef Horst Meierhofer bereits kurz nach der Bundestagswahl gefordert. Und CDU-Energieexperte Joachim Pfeiffer hatte gewarnt, Deutschland riskiere durch seine Förderpolitik „seine Wettbewerbsfähigkeit“. Folgerichtig stellte Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) im Januar seine Kürzungspläne vor und erntete auch von den Christsozialen Beifall. Röttgen habe „die Kreuther Forderungen der CSU strukturell aufgegriffen“, lobte Georg Nüßlein, energiepolitischer Sprecher der CSU-Landesgruppe. Lediglich einige Punkte des Gesetzesentwurfs müssten „nachjustiert werden“. Röttgen überarbeitete diesen daraufhin. Anfang März segnete das Bundeskabinett die Pläne ab: Für Dachanlagen sinkt die Vergütung dem Gesetzesentwurf zufolge ab Juli 2010 um 16 Prozent, bei Freiflächenanlagen etwas weniger. Für Solarparks auf Ackerflächen soll die Förderung gleich ganz versiegen. Das Entsetzen bei der Solar-Lobby ist groß. „Sollten diese Kürzungspläne umgesetzt werden, droht eine Insolvenzwelle und der Verlust Tausender Arbeitsplätze“, prophezeit Carsten Körnig, Geschäftsführer des Bundesverbands Solarwirtschaft. Vor allem Jobs in Bayern sieht der Verband in Gefahr. Denn in nur fünf Jahren hat sich die Solarstrom-Produktion im Freistaat versiebenfacht. 2,3 Milliarden Kilowattstunden Strom erzeugten die 220 000 Solaranlagen hierzulande im vergangenen Jahr. „40 Prozent der Solaranlagen in Deutschland stehen in Bayern”, verkündet Landesumweltminister Markus Söder (CSU) deshalb – wohl wissend, dass auch die CSU die Subventionskürzung unlängst unterstützt hat. Doch weil Handwerks- und Solarbetriebe zunehmend Druck machen auf die CSU, drängt Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) auf Nachbesserungen. Die geplanten Kürzungen seien zu hoch, setzten die falschen Schwerpunkte und engten Innovationspotenziale ein, kritisiert er. Die Pläne der Bundesregierung hätten für Bayern als „Solarland Nummer eins“ nicht hinnehmbare Konsequenzen. Vergessen, dass erst vor zwei Wochen auch die CSU-Kabinettsmitglieder Röttgens Plänen zustimmten. Jetzt streiten Union und FDP über mögliche Änderungen. Ob ein gemeinsamer Gesetzesentwurf der beiden Fraktionen – der auch eine Verschiebung der Freiflächenkürzungen auf Oktober vorsehen soll – in der kommenden Woche eingebracht wird, ist deshalb offen. (Tobias Lill)

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