Politik

Franz Josef Strauß? Wenn's um Political Correctness geht, nicht unbedingt ein Vorbild, sagt Ursula Männle. (Foto: HSS)

14.08.2014

"Das Parteiprogramm? Bleibt in der Schublade"

Ursula Männle, Vorsitzende der CSU-nahen Hanns-Seidel-Stiftung, ist 100 Tage im Amt: Was sie dort ändern will, wie sie ihre Partei sieht und was Haderthauers Irrtum war

Sie ist die erste Frau an der Spitze der Hanns-Seidel-
Stiftung. Das ist auch eine Art späte Genugtuung für die CSU-Politikerin Ursula Männle (70), die in ihrer Partei immer auch für die Rechte von Frauen gekämpft hat. Die Politologin war zudem eine der wenigen, die öfter mal den Mut hatte, sich gegen die offizielle Parteilinie zu stellen. Weshalb sie von ihrer Wahl an die Spitze der CSU-nahen Stiftung im Mai selbst etwas überrascht war.
BSZ: Frau Männle, in der CSU haben Sie als eine der ersten eine Frauenquote verlangt. Wie steht’s mit der Frauenförderung in der Hanns-Seidel-Stiftung? Ursula Männle: Der Frauenanteil in der Stiftung ist bereits recht gut. Wenn auch nicht auf allen Ebenen. In den Referaten gibt es relativ viele Sachbearbeiterinnen. Wir nutzen die natürliche Fluktuation, um verstärkt Frauen einzustellen. Von unseren fünf Abteilungen wird derzeit leider nur eine von einer Frau geleitet. Da können wir sicher noch etwas verbessern. Darauf werde ich in den kommenden Jahren ein besonderes Augenmerk richten. Daneben will ich aber auch bei unseren Veranstaltungen häufiger Frauen auf dem Podium sehen. Und zwar nicht nur dann, wenn es um spezielle Frauenthemen geht.
BSZ: Und wie sieht’s mit familienfreundlichen Arbeitsbedingungen aus? Hat Ihre Stiftung da auch Nachholbedarf?
Männle: Ja. Ich will mich darum kümmern, dass wir flexiblere Arbeitszeiten ermöglichen und auch mehr Teilzeitmodelle.
BSZ: Was haben Sie sich sonst vorgenommen für Ihre Amtszeit?
Männle: Ich möchte unser Aufgabengebiet Politikberatung um drei Themenkomplexe erweitern: die Außen- und Sicherheitspolitik. Hier hat die CSU einen gewissen Nachholbedarf. Denkbar wären Gesprächsrunden mit politischen Entscheidungsträgern im kleineren Kreis. Zum anderen sollten wir den Themenkomplex demografische Entwicklung aufgreifen. Dazu gehören das Megathema menschenwürdige Pflege, Inklusion, auch die Sterbebegleitung. Und schließlich ist die zunehmende Migration ein Thema, das wir angehen sollten. Da gibt’s einiges zu beleuchten: die Auswirkungen der Migration auf die ländliche Entwicklung, auf die Megazentren, auf die demografische Entwicklung, die Rolle des Islam.

"Der Islam ist Lebensrealität"

BSZ: „Der Islam gehört zu Deutschland“: Würden Sie diesen Satz von Christian Wulff unterschreiben?
Männle: Ich würde sagen: Der Islam ist in Deutschland angekommen, er ist Lebensrealität geworden. Mit der wachsenden Bedeutung des Islam werden wir uns in der Stiftung künftig näher befassen. Dazu werden wir den Bereich „interkultureller Dialog“ einrichten, der direkt bei mir angesiedelt sein wird.
BSZ: Ihre Stiftung verleiht seit 1996 den Franz Josef Strauß-Preis, bisher haben ihn ausnahmslos hochrangige Politiker bekommen: Henry Kissinger, George Bush und andere. Wer kriegt ihn als nächstes?
Männle: Nach den Turbulenzen um Schimon Peres ist eine Pause eingelegt worden (der israelische Präsident hatte 2012 den Preis ausgeschlagen, vorausgegangen waren Enthüllungen über die Nazivergangenheit von zwei Stiftern eines Volksmusikpreises der Seidel-Stiftung, d. Red.). Ich bin dafür, den Preis im nächsten Jahr wieder zu verleihen. Ein konkreter Preisträger steht noch nicht fest. Es ist sehr schwierig, dem hohen Anspruch des Preises gerecht zu werden. Ich könnte mir aber vorstellen, dass wir uns künftig auf Personen fokussieren, die sich um die europäische Idee verdient gemacht haben. Strauß war ja auch selbst ein überzeugter Europäer.

"Strauß war ein Wahnsinns-Ideengeber, aber heute werden an Politiker andere Maßstäbe angelegt"

BSZ: Wie stehen Sie denn persönlich zu Franz Josef Strauß? Taugt er heutzutage noch als Vorbild?
Männle: Er war ein Wahnsinns-Ideengeber, vor allem auch in der Außenpolitik. Und er war offener, als das im tradierten Straußbild rüberkommt, man konnte wunderbar kontrovers mit ihm diskutieren. So jemand wie er fehlt schon in der heutigen Polit-Landschaft. Wahr ist aber auch, dass man heute, was die Political Correctness angeht, andere Maßstäbe anlegt an Politiker. Insofern verstehe ich, dass sich Leute schwertun, wenn Strauß als unbedingtes Vorbild herhalten soll.
BSZ: Auch heutige Politiker haben nicht immer ein glückliches Händchen, wenn’s um Political Correctness geht. Wie beurteilen Sie den Fall Ihrer Parteifreundin Christine Haderthauer?
Männle: Ihr Agieren zeigt, dass man auch als Anwältin oft nicht gut darin ist, das eigene Handeln mit Distanz zu beurteilen.
BSZ: Ihre Stiftung ist auch eine Art Think-Tank der CSU. Wie beurteilen Sie die Entwicklung Ihrer Partei in den vergangenen Jahren – wofür steht die CSU nach den vielen Kurswechseln noch?
Männle: Unser Parteiprogramm hat nach wie vor Gültigkeit, aber wenn’s um das politische Tagesgeschäft geht, lässt man es in der Schublade. Das war in den 70er und 80er Jahren noch anders, da waren Entscheidungen stärker am Parteiprogramm ausgerichtet. Dessen Grundideen hatte man damals mehr verinnerlicht.
BSZ: Fehlt den heutigen Politikern also ein innerer Kompass?
Männle: Es ist alles atemloser geworden. Die Bürger erwarten von Politikern auf Probleme schnelle Lösungen. Wir sehen das auch bei unseren Veranstaltungen: Am schnellsten voll sind Seminare und Veranstaltungen, bei denen es im weitesten Sinn um Selbstoptimierung geht, also: Wie verkaufe ich mich am besten, wie argumentiere ich überzeugend, wie halte ich eine Rede. Die Leute wollen praktische Lebenshilfe. Das kann man auch auf die Partei übertragen: Grundsatzdebatten sieht man zunehmend als Luxus.
BSZ: Was halten Sie für den größten Erfolg Ihrer Partei in den vergangenen zehn Jahren?
Männle: Dass es uns gelungen ist, den Abwärtstrend nach Stoibers Abgang zu stoppen und Volkspartei zu bleiben.
BSZ: Und was sehen Sie als größten Fehler der CSU im vergangenen Jahrzehnt?
Männle: Dass man den überwältigenden Wahlerfolg des Jahres 2003 mit der Zweidrittelmehrheit in der Folge dazu benutzt hat, Veränderungen herbeizuführen, die nicht durchdiskutiert waren. Die CSU hat damals abgehoben und auf Biegen und Brechen durchgesetzt, was einige wenige ersonnen hatten. Das hat gezeigt: Man muss Entscheidungen ständig legitimieren.
(Interview: Waltraud Taschner)

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