Politik

17.12.2010

Das Schweigen der Sprecher

Bayern hat als eines der letzten Bundesländer kein Informationsfreiheitsgesetz - die Chancen, dass die FDP sich in dieser Frage gegen die CSU durchsetzt, stehen jedoch schlecht

Es waren nicht irgendwelche Kugelschreiber, die sich die Bundestagsabgeordneten zwischen Januar und Oktober 2009 gegönnt hatten. Aus Mitteln für ihren Bürobedarf bestellten 115 Parlamentarier Luxus-Schreibutensilien der Nobelmarke „Montblanc“. 68.800 Euro kosteten die Stifte laut Bundestagsverwaltung. Doch die Anfrage eines Bild-Reporters, welche Abgeordneten im Einzelnen denn so großzügig mit Steuergeldern auf Shoppingtour gegangen waren, beantwortete die Bundestagsverwaltung nicht. Die Auskunft sei mit einem unverhältnismäßig hohen Aufwand verbunden und verletze das Betriebsgeheimnis der Lieferanten, so die Behörde. Der Journalist hatte sich bei seiner Anfrage auf das Informationsfreiheitsgesetz des Bundes gestützt. Er klagte und bekam jetzt vor Gericht weitgehend Recht: Die Bundestagsverwaltung muss kooperieren.
Seit seiner Einführung im Jahr 2006 beantragten Tausende Deutsche bei Bundesbehörden den Zugang zu amtlichen Informationen. In vielen Fällen bekamen die Antragssteller am Ende gegen eine Gebühr tatsächlich Einblick in Akten der Beamten. Neben investigativ arbeitenden Journalisten machen vor allem interessierte Bürger vom Informationsfreiheitsgesetz Gebrauch.
Auch viele Bundesländer wie Nordrhein-Westfalen, Berlin oder Schleswig-Holstein haben deshalb in den vergangenen Jahren Informationsfreiheitsgesetze eingeführt. Im Freistaat können sich wissbegierige Wähler dagegen bislang auf kein solches Regelwerk stützen. Lediglich einige kleinere bayerische Städte und Gemeinden wie Schwandorf haben eine eigene Informationsfreiheitssatzung. Dort können Bürger beispielsweise die Kosten eines kommunalen Bauprojekts im Detail nachlesen.
Die Liberalen traten 2008 mit dem Wahlversprechen an, ein solches Gesetz auch auf Landesebene einzuführen. Bislang scheiterten sie damit jedoch am Widerstand des großen Koalitionspartners. Der rechtspolitische Sprecher der Liberalen im Maximilianeum, Andreas Fischer, will in seinen Bemühungen allerdings nicht nachlassen: „Die Einführung eines Informationsfreiheitsgesetz ist mir nach wie vor sehr wichtig“, betont er. Das Auskunftsrecht des mündigen Bürgers sei den Liberalen stets ein Anliegen gewesen. Seine Partei sei sogar bereit, in anderen Politikfeldern Zugeständnisse zu machen, um die CSU zur Aufgabe ihres Widerstandes zu bewegen.

Die CSU bleibt hart


Doch der Koalitionspartner bleibt bislang hart. Vor allem Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) hält wenig von einem neuen Gesetz. „Unsere geltenden Gesetze gewähren den Bürgerinnen und Bürgern bereits weitgehende Akteneinsichts- und Informationsrechte“, sagt Herrmann der Staatszeitung. Darüber hinaus könne jedermann „bei einem berechtigten Interesse ein Auskunftsersuchen an die Verwaltung stellen, über das nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden ist“. Er sehe nicht, inwieweit ein Informationsfreiheitsgesetz etwas verbessern könnte, so Herrmann.
Im Gegenteil: Der Christsoziale warnt vor möglichen Gefahren für das Betriebsgeheimnis von Firmen sowie die innere Sicherheit. Herrmann ist überzeugt: „Die gegenwärtige Rechtslage stellt einen angemessenen Ausgleich zwischen dem Informationsinteresse der Bürger und dem genauso wichtigen Interesse an einem wirksamen Datenschutz dar.“ Zudem fürchtet sich der Minister vor überbordender Bürokratie.
Etwas offener für eine gesetzliche Regelung zeigt sich mancher christsoziale Abgeordnete. „Man kann grundsätzlich über ein Informationsfreiheitsgesetz reden“, sagt Christian Meißner, innenpolitischer Sprecher der CSU-Landtagsfraktion. Es gelte jedoch, in jedem Fall steigende Kosten und Bürokratie zu vermeiden.
Fischer kann die Gegenargumente des Koalitionspartners nicht nachvollziehen. „Befürchtungen, das Gesetz würde die Verwaltung lahmlegen, sind unbegründet“, sagt der stellvertretende FDP-Fraktionschef. Auch die Kosten könne man in den Griff bekommen, indem die Behörden einen gewissen Unkostenbeitrag verlangten. Wegen des Widerstands der CSU ist der Spitzen-Liberale jedoch „nicht gerade optimistisch“, dass es noch in dieser Legislaturperiode bis 2013 eine Einigung gibt.

Ein Szenario wie bei Stuttgart 21


Die Opposition attackiert die Regierung deshalb scharf. „Die CSU hat noch nicht verstanden, dass der Obrigkeitsstaat ausgedient hat“, sagt Christine Stahl (Grüne), Vizepräsidentin des bayerischen Landtags. SPD, Grüne und Freie Wähler fordern schon lange ein Informationsfreiheitsgesetz. „Bayern ist hier noch immer ein Entwicklungsland“, ist der SPD-Landtagsabgeordnete Franz Schindler überzeugt. Der Vorsitzende des Rechtsausschusses geht davon aus, dass ein Informationsfreiheitsgesetz die Akzeptanz von Großprojekten in der Bevölkerung steigern würde. „So etwas wie bei Stuttgart 21 würde dann nicht so leicht passieren.“ Auch könne es kostensenkend wirken, wenn die Verwaltung wisse, dass ihr auch einfache Bürger über die Schulter schauen können.
Doch nicht überall kämpfen die Genossen so eifrig für mehr Rechte der Wähler. Gerade erst hat sich der Nürnberger Stadtrat – auch mit SPD-Stimmen – gegen die Einführung einer Informationsordnung in der Frankenmetropole ausgesprochen. (Tobias Lill)

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