Politik

Gerade in der Sommerzeit finden vermehrt Polizeieinsätze statt - zum Beispiel bei Fußballspielen. Bald geht die Saison wieder los. (Foto: dpa)

05.07.2013

"Das Überstundenverbot gefährdet die Sicherheit"

Hermann Benker, Bayerns Chef der Polizeigewerkschaft, über Personalnot und Imageprobleme

Das Innenministerium fordert von den Polizeipräsidien, die große Zahl der Überstunden abzubauen. Der Zeitpunkt sei denkbar schlecht, sagt Hermann Benker, bayerischer Landesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG). Denn der Sommer ist nicht nur Haupturlaubszeit. Es gibt auch jede Menge Veranstaltungen, die eine starke Polizeipräsenz erfordern – auch die des Wahlkampfs. BSZ: Herr Benker, 1,25 Millionen Überstunden haben Bayerns Polizeibeamte angesammelt. Wie das?
BENKER: Weil wir mit dem vorhandenen Personal unsere Aufgaben nur erfüllen konnten, indem wir über die Regelarbeitszeit hinaus Dienst geleistet haben. Nur so konnte die Sicherheit in Bayern gewährleistet werden. BSZ: Das Innenministerium verlangt nun, die Überstunden abzubauen.
BENKER: Ja und die ersten Rückmeldungen zeigen, dass bestimmte Dienste komplett gestrichen werden. Manche Streifen ebenfalls. Mit den Personaleinsparungen nimmt in ganz Bayern nun die Polizeipräsenz ab. Gerade jetzt im Sommer ist das absolut prekär. Das Überstundenverbot gefährdet die Sicherheit.

"Unterm Strich fehlen Beamte"

BSZ: Warum?
BENKER: Nicht nur, dass die Haupturlaubszeit beginnt –  auch für Polizeibeamte. Im Sommer stehen viele Volksfeste und Open-Air-Veranstaltungen an. Auf jedem größeren Fest  muss die Polizei mindestens in Gruppenstärke präsent sein. Aber wie soll das mit einer auf Kante genähten Personalstärke noch gehen? Dann geht auch die Fußballsaison wieder los. Und dazu kommt die heiße Wahlkampfzeit. Auch Wahlveranstaltungen müssen polizeilich betreut werden. Es sei denn, die Politiker verzichten mit Rücksicht auf den Überstundenberg der Polizei freiwillig darauf. BSZ: 2013 treten  über 1000 neue Polizisten ihren Dienst an. 700 gehen in den Ruhestand. Das ergibt ein Plus von mehr als 300. Freut Sie das nicht?
BENKER: In den vergangenen vier Jahren wurde tatsächlich vermehrt eingestellt, um die Unterbesetzung in den Griff zu bekommen. Aber es ist noch zu früh, um in Euphorie auszubrechen. Die Rechnung ist zudem falsch. Denn 40 Prozent der neuen Beamten werden für die mobile Reserve benötigt, die Kolleginnen im Mutterschutz oder in Elternzeit vertreten. Das sind rund 400 Polizisten. Unterm Strich fehlen also Beamte. BSZ: Laut Innenminister Joachim Herrmann gibt es in Bayern heute so viele  Polizisten wie nie. Stimmt das nicht?
BENKER: Doch, auf die Stellen bezogen. Als ich 1972 eingestellt wurde, war es aber völlig unvorstellbar, dass ein Beamter in Teilzeit arbeitet. Heute ist das ein beliebtes Modell – vor allem bei jungen Eltern. Deshalb macht es keinen Sinn, die Köpfe zu zählen. Man muss die Gesamtarbeitszeiten addieren, und die sind nicht höher als früher.

Mit Facebook das Image aufpolieren

BSZ: Auch ein Satz vom Innenminister: „Bayern ist Meister der Inneren Sicherheit.“ Wie passt das mit Ihren Warnungen zusammen?
BENKER: Wie gesagt, wir sind ja auf einem guten Weg. Zwingend notwendig ist nun aber, dass  wir auch in den nächsten Jahren 1100 bis 1200 Auszubildende pro Jahr bekommen. BSZ: Wie schaut es beim Nachwuchs aus? Das Image der Polizei hat nach den jüngsten Prügelvorwürfen stark gelitten. In München sollen Polizisten nach dem Vorfall in der Au auf offener Straße beleidigt worden sein.
BENKER: Einen Imageverlust beim Nachwuchs kann ich nicht feststellen. Wir haben einen guten Zulauf. Aufgrund der demografischen Entwicklung müssen wir aber alles daran setzen, um für die jungen Leute attraktiv zu bleiben. Das gilt vor allem für München. Hier gelingt es seit Jahren nicht mehr, genügend Leute aus der Region für den Polizeidienst zu finden. BSZ: Dass es einen Imageverlust gibt, sehen Sie aber auch, oder?
BENKER: Ja, vor allem im unmittelbaren Umfeld, wo es Vorfälle gab. Das sind schlimme Einzelfälle, die es natürlich nicht geben dürfte. Aber ich möchte weder eine Vorverurteilung der Betroffenen durch die Medien noch vorschnelle Erklärungen von unsere Seite oder der Staatsanwaltschaft. Man kann nicht kurz nach einem Vorfall von Notwehr sprechen. In jedem Fall müssen erst die Ergebnisse der Überprüfung vorliegen. Aber ja: Fakt ist, dass wir einer Aggressivität gegenüberstehen, die auch in Verbindung mit solchen einzelnen Vorfällen steht. BSZ: Wie könnte man das Image wieder aufpolieren?
BENKER: Vor wenigen Wochen hatten wir eine Tagung zum Thema Social Media. Eine ganz wesentliche Erkenntnis war, dass die Polizei in Baden-Württemberg längst mit Facebook und Twitter arbeitet und auch gute Erfahrungen damit macht. Über diese Medien kann man von sich aus über Fälle informieren und auch viel schneller auf Ereignisse reagieren – und zwar bevor Gerüchte und Vermutungen durchs Netz wabern, die  dann nicht mehr auszuräumen sind. Doch für die bayerische Polizei hat das Innenministerium die Nutzung solcher Plattformen noch nicht freigegeben. Ich bin aber optimistisch, dass das kommt. BSZ: Datenschutzrechtliche Bedenken haben Sie dabei nicht?
BENKER: Natürlich dürften keine personalisierten Daten enthalten sein, die man – einmal im Netz – nie mehr löschen kann. Ich will auch keine Fahndungsaufrufe via Facebook, sondern Möglichkeiten, über Vorfälle umgehend informieren zu können.
(Interview: Angelika Kahl)

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