Politik

20.06.2014

Das Vergangene ist nicht tot

Ein Kommentar von Florian Sendtner

„Was du ererbt von deinen Vätern, erwirb es, um es zu besitzen!“ Fausts Maxime scheint das Lebensmotto von Cornelius Gurlitt gewesen zu sein. Dass dieses Erbe ein zweifelhaftes war, dass Vater Hildebrand Gurlitt unter dubiosen Umständen in den Besitz all der wertvollen Bilder von Max Liebermann, Otto Dix und vielen anderen von den Nazis verfemten Künstlern gelangt war – den am 6. Mai verstorbenen Sohn Cornelius Gurlitt scheint das nie interessiert zu haben. Er hat die Bilder geliebt. Und damit alle beschämt, die seit November letzten Jahres vor allem juristisch darüber diskutieren.
Dennoch ist die juristische Diskussion unabdingbar. Ein interessanter Beitrag dazu ist soeben vom Bundesrat zur weiteren Beratung in die Ausschüsse zurückverwiesen worden. Er stammt vom bayerischen Justizminister Winfried Bausback und zielt darauf ab, die im Bürgerlichen Gesetzbuch festgeschriebene Verjährung, die den Herausgabeanspruch des ursprünglichen Eigentümers nach 30 Jahren ins Leere laufen lässt, unter bestimmten Voraussetzungen nicht gelten zu lassen. Nämlich dann, wenn „die Sache dem Eigentümer abhandengekommen war und der Besitzer bei Erwerb des Besitzes nicht in gutem Glauben war.“

Bausbacks Vorschlag ist bedenkenswert


Offensichtlich meint Bausback damit Gurlitt selbst. Und schlägt damit in die gleiche Kerbe wie viele andere, die in Gurlitt den skrupellosen Erben eines noch skrupelloseren Vaters sehen, eines Erfüllungsgehilfen von Hitler und Goebbels. Indes: Hildebrand Gurlitt hat ursprünglich die moderne Kunst offensiv propagiert und wurde dafür – noch vor 1933 – von den Nazis beruflich geschasst. Auch wenn es unverzeihlich ist, dass er die in seinem Besitz befindliche Raubkunst nach 1945 nicht den rechtmäßigen Eigentümern zurückgegeben hat.
Dennoch ist der Bausbacksche Entwurf eines „Kulturgut-Rückgewähr-Gesetzes“ bedenkenswert. Im Bundesrat zitierte er dazu sogar William Faulkner: „Das Vergangene ist nicht tot; es ist nicht einmal vergangen.“ Der bisherige Umgang mit der NS-Raubkunst folgte dagegen dem Motto: Das Vergangene ist tot und gehört unter den Teppich gekehrt.

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