Politik

Markus Blume wurde 2008 in den Landtag gewählt. Im Jahr 2014 avancierte er zum Vorsitzenden der CSU-Grundsatzkommission. (Foto: Ralf Kruse)

24.06.2016

"Der Begriff Leitkultur wird noch stärker akzentuiert"

Markus Blume über seine Rolle als Vorsitzender der CSU-Grundsatzkommission, die aktuelle Zuwanderung, die Homo-Ehe und die Frage, ob der Islam zu Bayern gehört

Das aktuelle Grundsatzprogramm der CSU stammt aus dem Jahr 2007 und wurde unter Federführung von Alois Glück erstellt. Derzeit arbeitet die Grundsatzkommission unter der Leitung des Münchner Landtagsabgeordneten Markus Blume (41) an einem neuen. Es soll beim Parteitag im Herbst verabschiedet werden. Die Staatszeitung sprach mit Blume. BSZ: Herr Blume, wie fühlt man sich als Leiter des Projekts Grundsatzprogramm? Als Moderator, Ideensammler oder Richtungsweiser?
Markus Blume: Man fühlt sich hauptsächlich angestrengt, aber gleichzeitig auch dankbar. Es ist eine spannende Aufgabe, daran mitwirken zu können, die Leitplanken einer Partei in die Zukunft zu verlängern.

BSZ: Woran orientiert man dabei sich mehr? Am Parteichef, der Mehrheitsmeinung oder den eigenen Ansichten?
Blume: Man orientiert sich an den Themen, von denen man glaubt, dass sie für die Zukunft wichtig sind, und an dem, was schon immer richtig war. Ein Grundsatzprogramm hat zwei Funktionen: Es dient der Partei zur Selbstvergewisserung, und es muss Antworten auf die Fragen der Zukunft geben. Wir müssen damit den Menschen die Ängste vor der Ungewissheit künftiger Entwicklungen nehmen. Wenn wir das schaffen, ist das die beste Versicherung gegen jede Form von Populismus. Ich denke, uns wird hier eine scharfe Abgrenzung gelingen.

BSZ: Bei der Vorstellung der Eckpunkte des Programms in Berlin war vom „Leitbegriff der Ordnung“ die Rede. Das klingt nach Bevormundung und Regulierung und wenig nach Freiheit.
Blume: Wir wollen den Menschen in unsicheren Zeiten Orientierung geben. Ordnung betrifft die großen Linien und bedeutet nicht Bevormundung im Kleinen. Das heißt, ein starker Staat muss an den richtigen Stellen stark sein, eine soziale Marktwirtschaft muss bei den grundlegenden Spielregeln stark sein. Dem Menschen selbst muss dabei Freiheit und Entfaltungsmöglichkeit gegeben werden. Eine gute Ordnung ist dafür die Grundvoraussetzung.

BSZ: Wird der Begriff „Leitkultur“ im Grundsatzprogramm auftauchen?
Blume: Ja, er wird sogar noch stärker akzentuiert als in der Vergangenheit. Grundsätzlich bleibt es beim Leitbild des freiheitlichen Miteinanders. Viele Menschen haben aber die Sorge, dass in Zukunft gesellschaftlicher Zusammenhalt verloren gehen könnte. Um das Miteinander zu stärken, braucht es Regeln – und genau da setzt der Begriff der Leitkultur an. Sie definiert die gelebten Spielregeln des gelingenden Miteinanders.

"Selbstverständlich ist Bayern ein christlich geprägtes Land. Aber natürlich gehören Muslime heute zu unserem Land dazu"

BSZ: Wie steht die CSU zum Islam?
Blume: In Deutschland herrscht Religionsfreiheit. Diese hat aber auch ihre verfassungsrechtlichen Grenzen, die für alle Religionen gelten. Bezüglich des Islam werden wir deshalb eine klare Grenze ziehen zu einem islamistischen Verständnis, das die Glaubensordnung über unsere Werte- und Rechtsordnung stellt. Wir werden deutlich machen, dass diese Form des Islam in Deutschland keinen Platz hat.

BSZ: Gehört der Islam zu Bayern?
Blume: Ich halte diese Fragestellung für irreführend, sie hilft uns auch nicht weiter bei der Definition unseres Verhältnisses zueinander. Selbstverständlich ist Bayern ein christlich geprägtes Land. Aber natürlich gehören Muslime heute zu unserem Land dazu.

BSZ: Vor gut 20 Jahren gab es Streit um den Satz „Bayern ist kein Einwanderungsland“. Aus heutiger Sicht eine ziemlich akademische Diskussion. Kommt der Satz wieder ins Programm?
Blume: Eine nach vorne gerichtete Antwort auf die aktuellen Migrationsströme kann nicht sein, jegliche Zuwanderung zu verhindern. Man muss aber über die Spielregeln von Zuwanderung reden. Am individuellen Recht auf Asyl werden wir nicht rütteln. Wir werden auch formulieren, dass es unter bestimmten Voraussetzungen im Interesse unseres Landes liegt, Zuwanderung zu ermöglichen. Ich nenne hier nur den Fachkräftemangel. Es muss dabei aber sichergestellt sein, dass der gesellschaftliche Zusammenhalt durch Integration gewahrt bleibt. Da schließt sich der Kreis zur Leitkultur. Der rote Faden wird sein, dass Zuwanderung gesteuert und begrenzt sein muss. Das ist die Lehre des vergangenen Jahres.

BSZ: Gibt es ein Kapitel zu Globalisierung und Fluchtursachenbekämpfung?
Blume: Die Globalisierung ist einer der großen Treiber von Veränderung. Insofern zieht sich diese Fragestellung durch alle Kapitel. Ein Punkt ist zum Beispiel, unsere Wirtschaftsordnung, die soziale Marktwirtschaft, dafür zukunftsfest zu machen. Wir wollen die Werte der sozialen Marktwirtschaft exportieren und ihre Prinzipien international verbindlich machen. Dazu gehört auch die globale Nachhaltigkeit. Im Programm wird sich deshalb sicher ein Satz dazu finden, dass wir unseren Wohlstand nicht auf Kosten anderer erwirtschaften dürfen. Daraus leitet sich die Verantwortung ab, einen Beitrag dazu zu leisten, dass der Gedanke der „Einen Welt“ zum Tragen kommt.

BSZ: Ein zentrales Thema des Programms ist die Familienpolitik. Was versteckt sich hinter der Idee des „Kinderbonus“?
Blume: Zunächst einmal werden wir als CSU deutlich machen, dass wir beim Thema Familie in unserer Programmatik keinen Modernisierungsbedarf haben. Unsere Grundhaltung ist und bleibt: Wir respektieren und fördern alle Formen von Familie. Wir machen aber auch deutlich, dass wir die klassische Form der Familie nicht in den Hintergrund gedrängt sehen wollen. Als neuen Akzent diskutieren wir die stärkere Förderung von Kindern. Es reicht nicht, nur über Kinderfreundlichkeit zu reden, es braucht auch konkrete Anreize. Deshalb diskutieren wir einen „Kinderbonus“ bei Steuer und Rente.

"Wir halten es nur für richtig, dass es zwei unterschiedliche Institutionen: Das eine ist die Ehe von Mann und Frau, das andere die Lebenspartnerschaft gleichgeschlechtlicher Paare"

BSZ: Wie hält es die CSU mit gleichgeschlechtlichen Partnerschaften?
Blume:Noch einmal: Wir grenzen keine Form von Familie aus. Deshalb wird es bei uns ein starkes Bekenntnis zur Ehe von Mann und Frau geben, genauso wie ein klares Zeichen der Wertschätzung für gleichgeschlechtliche Partnerschaften, weil auch dort Verantwortung füreinander übernommen wird. Mit uns wird es keine Diskriminierung von Lebensformen geben.

BSZ: Werden Sie für eine volle rechtliche Gleichstellung eintreten?
Blume: Die rechtliche Gleichstellung hat de facto bereits stattgefunden. Wir halten es nur für richtig, dass es zwei unterschiedliche Institutionen für die Partnerschaften gibt: Das eine ist die Ehe von Mann und Frau, das andere die eingetragene Lebenspartnerschaft gleichgeschlechtlicher Paare.

BSZ: Die Digitalisierung ist das Megathema der Zukunft. Sieht die CSU nur die Chancen oder wägt sie auch die Risiken ab?
Blume: Die Digitalisierung ist ein gutes Beispiel dafür, dass wir nicht zu verzagt in die Zukunft blicken dürfen. Wir neigen in Deutschland dazu, alles Neue zunächst als Bedrohung zu sehen und zu glauben, unser Wohlstand könnte ohne Innovationen zu halten sein. Ohne Neues zuzulassen, wird das nicht zu schaffen sein. Wir werden aber die Menschen nur für Fortschritt begeistern und beim Wandel mitnehmen können, wenn wir klarmachen, dass wir die Dinge nicht einfach laufen lassen, sondern soziale, ethische und wirtschaftliche Leitplanken setzen. Zum Beispiel für eine faire Wettbewerbsordnung, in der auch der Mittelständler eine Chance hat.

BSZ: Zum Schluss eine persönliche Frage: Wenn das Grundsatzprogramm im Herbst verabschiedet ist, was machen Sie dann mit der vielen freien Zeit?
Blume: Seit ich 2008 in den Landtag gekommen bin, habe ich mich noch nie über zu viel freie Zeit beklagen können. Ich gehe deshalb davon aus, dass auch dann wieder neue Aufgaben kommen. Im Moment ist ja gerade die Einsetzung einer Enquete-Kommission zum Thema „Integration“ im Gespräch. Das könnte etwas sein, für das ich künftig einen Teil meiner Zeit einsetze.
(Interview: Jürgen Umlauft)

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