Politik

16.11.2012

Der Datenschutz gilt auch für Angeklagte

Weil er Persönlichkeitsrechte des mutmaßlichen Mörders Rudolf U. verletzt hat, wird gegen den Vizechef der JVA Stadelheim ermittelt

Der Untersuchungshäftling Rudolf U. ist kein Mensch, der Sympathie erregt. Gegen ihn wird derzeit beim Landgericht München II wegen Mordverdachts verhandelt. Der 55-jährige frühere Transportunternehmer aus Dachau hat bereits gestanden, im Januar 2012 im Dachauer Amtsgericht nach einem verlorenen Prozess den Staatsanwalt Tilman Turck erschossen zu haben. Den Prozess verfolgt er vom Krankenbett aus, weil wegen fortgeschrittener Diabetes seine Beine amputiert wurden, das zweite kurz vor Prozessbeginn.
Jochen Menzel, stellvertretender Leiter der Justizvollzugsanstalt München-Stadelheim, in der Rudolf U. einsitzt, hat jetzt aber erfahren müssen, dass auch ein widerspenstiger, des Mordes Angeklagter Persönlichkeitsrechte hat. Das bayerische Justizministerium hat gegen den Beamten im höheren Dienst nämlich schweres Geschütz aufgefahren. Die Staatsanwaltschaft München I soll auf Geheiß des Ministeriums ermitteln, ob Menzel die Persönlichkeitsrechte des Angeklagten U. sowie datenschutzrechtliche Vorschriften verletzt hat. Ferner habe das Ministerium ein Disziplinarverfahren eingeleitet, sagte Pressesprecher Wilfried Krames der Bayerischen Staatszeitung. Menzel hatte sich in der Bild-Zeitung über den Gesundheitszustand des Häftlings nach der zweiten Amputation ausgelassen.

BILD zitiert aus Krankenakten


„Der Verwesungsgestank ist für Mitgefangene und Personal nicht zumutbar“, ließ sich Menzel zitieren. „Mitarbeiter bekommen Würg- und Brechreiz beim Betreten der Zelle“, fügte er hinzu. Bild berichtete noch, Rudolf U. verfaule bei lebendigem Leib. Auf die Frage der BSZ, ob er als Amtsträger glaube, solche Details in der Öffentlichkeit ausbreiten zu dürfen, erwiderte der JVA-Vizechef: „Wollen Sie mich belehren? Das sind alles wörtliche Zitate aus ärztlichen Protokollen“. Ärztliche Protokolle dürfen ohne Zustimmung des Betroffenen nicht öffentlich gemacht werden, auch nicht in Teilen.
Die Äußerungen hätten zwar den Tatsachen entsprochen, erklärte Justizsprecher Krames, fügte aber hinzu: „Gleichwohl erachtet das Justizministerium die Art und Weise für unangebracht“. Die Chefredaktion der Bild-Zeitung, die Menzels makabre Zitate erst öffentlich gemacht hat, ließ BSZ-Anfragen unbeantwortet.
Der Wahlverteidiger von Rudolf U., Maximilian Kaiser, hat gegen Menzel inzwischen Strafantrag gestellt. Scharf rügte er, dass die Justiz und die Ärzte eine Patientenverfügung des Häftlings hartnäckig ignorierten. Rudolf U. wolle sterben, werde aber mit aller Macht am Leben gehalten. Kaiser äußerte die Überzeugung, dass die Einwilligung seines Mandanten in die zweite Amputation „arglistig erschlichen wurde“. (Michael Stiller)

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