Politik

11.06.2010

Der Etikettenschwindel der Politfüchse

Das ohnehin fragwürdige Sparpaket der Bundesregierung wird nicht ausreichen, um die Lasten der Zukunft abzufedern

Mit dem einen Sparpaket, dem „Kraftakt“, wie eine schwer atmende Angela Merkel behauptete, wird es kaum sein Bewenden haben. Das schnürende Bundeskabinett berücksichtigte aber nichts anderes als die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse. Zu opfern sind ihr im nächsten Jahr zusätzliche elf, im übernächsten Jahr weitere 17 Milliarden. Mit den anspruchsvollen Jahren 2013 und 2014 kommen dann insgesamt jene 80 Milliarden zusammen, die Schwarz-Gelb streichen oder sparen sollte. Das aber wird nicht ausreichen, wenn Deutschland, großspuriger Bürge für halb Europa, den finanziellen Beistand leisten soll, den es in Brüssel, von Sarkozy getrieben, am 9. Mai in Aussicht gestellt hat. Mittlerweile hat der europäische Rettungsschirm die ihn aufspannende Zweckgesellschaft erhalten, was wie zum Hohn fast im gleichen Moment geschah, in dem die deutsche Regierung ihr innenpolitisches Sparprogramm zusammenstellte. Doch schon erweist sich das Wort „Sparpaket“ zu einem guten Teil als Etikettenschwindel. In Wahrheit hat sich die Regierung Merkel nebenher verschiedene Abgabenerhöhungen ausgedacht. Als dickster Brocken werden der Kernenergiewirtschaft Jahr für Jahr 2,3 Milliarden aufgebrummt. Wer Atomkraftwerke verabscheut, mag sich jetzt die Hände reiben, sollte allerdings auch bedenken, dass es im Gegenzug zu Verlängerungen der Laufzeit kommen könnte. Auch die Bahn muss blechen – eine halbe Milliarde jedes Jahr. Neu ist die Bankgewerbesteuer, ein besonders schönes Beispiel für eine Luftbuchung. Erhoben wird sie erst 2012, wobei die Details unklar sind, erst recht die Möglichkeiten, sie auf internationalen Pfaden zu umgehen. Sparen will Schwarz-Gelb vor allem an der Bundesagentur für Arbeit. Dieser wurde aufgetragen, etliche Pflichtleistungen durch Ermessensleistungen zu ersetzen. In der Sprache politischer Füchse heißt das „Autonomie“ oder „Spielraum“. In Wirklichkeit handelt es sich um die Regierungstechnik, unangenehme Entscheidungen nachgeordneten Instanzen aufzuhalsen. Die Bundesagentur soll anfangs 1,5 und später 3 Milliarden weniger ausgeben. Auch andere Sozialmaßnamen gerieten unter den Rotstift. Die zuständige Arbeitsministerin von der Leyen (CDU) kommentierte mit süß-saurer Stimme, wer wie sie fast die Hälfte des Bundeshaushalts verwalte, dürfe sich über das Drittel beschweren, mit dem sich ihr Ressort an der neuen Aufgabe beteilige. So ist es tatsächlich. Mit noch größerem Schwung bot Verteidigungsminister zu Guttenberg (CSU) gleich die Abschaffung der Wehrpflicht an. Soviel vorauseilenden finanzpolitischen Gehorsam hat Nachkriegsdeutschland noch nicht gesehen. Neu ist ferner, dass auch der CDU-Wirtschaftsrat mit allen jenen Wölfen heult, die nach „sozialer Balance“ rufen und diese nur gewährleistet sehen, wenn es den Reichen an den Geldbeutel geht. Dafür aber, dass solche Balanceakte wirklich funktionieren sollten, sind die Steuerschlupflöcher viel zu zahlreich und die Steuerberater der Krösusse viel zu umsichtig. Die Opfergaben, von denen Arbeitnehmervertreter und Sozialausschüsse träumen, hätten nur wieder die Lohnsteuerzahler aus dem höheren Mittelstand darzubringen, die schon jetzt den Staat zu einem guten Teil unterhalten und ebenfalls die soziale Balance vermissen, nur anders herum. (Roswin Finkenzeller)

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