Politik

Das Klinikum Schwabing ist eine von vier Akutkliniken des Verbunds Städtisches Klinikum München. (Foto: StKM)

16.12.2011

Der ewige Patient

Die Krise der städtischen Krankenhäuser in München spitzt sich zu

Ein 82-Jähriger wird im Dezember 2007 wegen eines Beinbruchs in ein Münchner Krankenhaus eingeliefert. Zwei Tage später ist er tot. Ursache: eine Überdosis Schmerzmittel. Gerichtsmediziner gehen von einem möglichen Versagen des medizinischen Personals aus. Ein tragischer Einzelfall, sicher. Doch wie das Polit-Magazin Kontrovers jüngst berichtete, häufen sich in den Spitälern der Landeshauptstadt die Behandlungsfehler. Und auch der Ver.di-Experte Dominik Schirmer sagt:„ Die Arbeitsbelastung hat in den städtischen Krankenhäusern Münchens in den vergangenen Jahren drastisch zugenommen.“
Vor allem beim Pflegepersonal gebe es einen „massiven Notstand“, klagt der Gewerkschafter. Gerade erst habe er eine Liste mit 900 Unterschriften an die Klinikleitung übergeben. In der Petition beschweren sich Schwestern und Pfleger über die steigende Arbeitsbelastung. Für Schirmer ist klar: „Wenn als Folge der Überlastung auch die Fehlerhäufigkeit zunimmt, wäre dies nur logisch.“
Vielerorts bauten Krankenhäuser im vergangenen Jahrzehnt massiv Arbeitsplätze im Pflegebereich ab – auch in München. Doch an der Isar könnte sich die Situation bald zuspitzen. Denn die städtischen Kliniken stecken in einer schweren Krise.


Weitere Jobs sollen weg


Der Konzern Städtisches Klinikum München GmbH (StKM) wird 2011 ein Defizit von mehr als 40 Millionen Euro machen und ist 2012 auf eine kräftige Finanzspritze der Stadt angewiesen. Bereits im vergangenen Jahr hatten die städtischen Kliniken ein Minus von 24 Millionen Euro angehäuft.
Pikant: Laut eines Prüfungsberichts des städtischen Revisionsamts wusste der für die Finanzen zuständige Geschäftsführer Franz H. schon länger von dem drohenden Riesenverlust. Die Klinik habe die Stadt jedoch bis zum Spätsommer mit falschen Zahlen hinters Licht geführt.
Umso dringlicher ist nun der Handlungsbedarf: Ende November stellte Klinik-Chefin Elizabeth Harrison dem Aufsichtsrat der Städtisches Klinikum München GmbH einen Sanierungsplan vor. Das Gremium stimmte dem bislang geheim gehaltenen Maßnahmenpaket einstimmig zu. Ziel der Not-OP laut einem Firmensprecher: Die Hospitäler „durch eine konsequente Neuausrichtung“ bis zum Jahr 2015 aus der Verlustzone zu führen. Konkrete Maßnahmen sollen dem Aufsichtsrat zwar erst im Januar vorgestellt werden. Hep Monatzeder (Grüne), Vorsitzender des Klinik-Aufsichtsrats und dritter Bürgermeister, sagt jedoch schon jetzt: „Einen Stellenabbau halte ich für unvermeidlich.“
Grund für die Verluste der Krankenhäuser seien sowohl Personal- als auch Sachkosten, heißt es in einer internen Analyse der Klinikleitung. „Im Bereich der Verwaltung hat die GmbH höhere Personalkosten als vergleichbare kommunale Verbände“, so ein Firmensprecher. Und die Ausgaben für medizinischen Bedarf legten im gleichen Zeitraum um fast ein Fünftel zu.
Kernbotschaft der mithilfe der Unternehmensberatung McKinsey erstellten Studie: Die Produktivität der Münchner Krankenhäuser liegt deutlich unterhalb vergleichbarer Kliniken in Deutschland. „Die Lage ist kritisch“, sagt StKM-Leiterin Harrison.
Wie die BSZ aus dem Aufsichtsrat erfuhr, ist Harrisons Sanierungskonzept zwar sehr vage gehalten, doch die bislang öffentlich gewordenen Einschnitte haben es in sich: Von einer „Verschlankung in der Verwaltung“ und einer „Kostenreduktion im medizinischen Bereich“ ist in ihrem Zehn-Punkte-Plan die Rede.
Der Arbeitsplatzabbau ist laut Harrison „auch ohne betriebsbedingte Kündigungen möglich. Diese schließt Ver.di zufolge der Tarifvertrag allerdings ohnehin bis Anfang 2015 aus. Stattdessen sollen in einigen Bereichen frei werdende Stellen nicht wieder besetzt werden und falls nötig Mitarbeiter mit Abfindungen aus dem Unternehmen geködert werden.
Unterstützung für Harrisons Pläne kommt von SPD und Grünen im Rathaus: „Es ist richtig, wenn die Krankenhäuser Ärzte- und Verwaltungsstellen durch Fluktuation abgebaut werden“, sagt SPD-Fraktionschef Alexander Reissl.


Die CSU attackiert Ude


Auch der Grünen-Politiker Monatzeder setzt auf Harrisons Ideen: Die Eckpunkte ihres Plans erschienen „plausibel und tragfähig“.
FDP-Stadtrat Otto Bertermann sieht ebenfalls „dringenden Sanierungsbedarf“. Den Vorschlag Harrisons, Kompetenzzentren zu bilden, hält er für sinnvoll: „Die städtischen Kliniken brauchen keine drei pathologischen Abteilungen.“
Für die Christsozialen stehen die Schuldigen an der Dauermisere der Kliniken fest: „Die politische Gesamtverantwortung mit einer Schadenssumme von mindestens 100 Millionen Euro liegt bei OB Christian Ude, Bürgermeister Hep Monatzeder und Rot-Grün“, sagt der Münchner CSU-Boss Ludwig Spaenle. Nun sei „lückenlose Aufklärung“ geboten.
Monatzeder kann solche Kritik nicht nachvollziehen: Schließlich sei die Opposition mit zwei Sitzen auch im Aufsichtsrat der Klinik vertreten. „Jedem Mitglied des Aufsichtsrates stehen sämtliche Unterlagen des Unternehmens zur Verfügung“, erläutert Monatzeder.
Die FDP fordert derweil den Teileinstieg eines privaten Investors. „Dessen Erfahrungen können die Häuser gut gebrauchen“, findet Bertermann. Klar müsse aber auch sein, dass die Stadt die Mehrheit an den Kliniken halte.
SPD und Grüne lehnen einen Verkauf strikt ab. Die Kliniken gehörten fest „zur Daseinsvorsorge“, sagt Monatzeder.
Rot-Grün verweist zu Recht darauf, dass dies die umfassende medizinische Versorgung der Bürger gefährden könnte. Schließlich betreiben rein gewinnorientierte Anbieter im Gesundheitswesen nicht selten bloße Rosinenpickerei und überlassen die weniger lukrativen Behandlungen am Ende den staatlichen Einrichtungen.
Ein Vorbild können hingegen die Uni-Krankenhäuser sein: Denn trotz Spitzenservice machen die beiden Münchner Häuser nur einen Bruchteil der Verluste bei den städtischen Kliniken.
(Tobias Lill)

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