Politik

Das nervt: Teure Roaminggebühren für Auslandstelefonate. Ab Juni 2017 ist damit Schluss, jedenfalls innerhalb der EU. (Foto: dpa)

30.09.2016

Der ewige Sündenbock

Die Roaming-Gebühren fürs Handy sollen endlich fallen – was hat die EU eigentlich bisher sonst noch für die Verbraucher getan?

Wenn sich Franz Josef Strauß über die Kapriolen der EU lustig machen wollte, zitierte er gern die Karamellbonbonverordnung: „Die Zehn Gebote Gottes enthalten 279 Wörter, die amerikanische Unabhängigkeitserklärung 300 Wörter, die Verordnung der Europäischen Gemeinschaft über den Import von Karamellbonbons umfasst exakt 25 911 Wörter“, lästerte FJS. Dass es besagte Verordnung nie gegeben hat – egal. Hauptsache, die Pointe passt.

So ist das heute noch. Teilweise sind die EU-Gremien selbst schuld an der Image-Misere. Beispiel Schnullerkettenverordnung: EU-Entbürokrator Edmund Stoiber brachte die seltsame Regelung ans Licht, die sage und schreibe 52 Seiten umfasst. Ohne dass Fälle von Schnuller-geschädigten Babys bekannt gewesen wären.

Es gibt aber auch Fälle, in denen die EU Segensreiches bewirken wollte, aber von den Mitgliedsstaaten ausgebremst wurde. So geschehen etwa bei der Wohnimmobilienkreditrichtlinie. Hier wollte die EU-Kommission vor dem Hintergrund der spanischen Hypothekenkrise Verbraucher vor dem finanziellen Ruin schützen – in Spanien war wegen allzu leichtfertiger Kreditvergaben 2007 eine Immobilienblase geplatzt. Bei der Umsetzung der EU-Richtlinie in nationales Recht meinte es der deutsche Gesetzgeber dann aber etwas zu gut und verzichtete darauf, die von der EU vorgesehenen Lockerungen zu ermöglichen. Mit dem Ergebnis, dass Alleinverdiener und Ältere jetzt kaum mehr an Immobiliendarlehen kommen. Österreich ging hier cleverer vor und setzte die Richtlinie viel verbraucherfreundlicher um.

"Wenn etwas gut läuft, geht man nie davon aus, dass es an der EU liegt", stöhnt die CSU - und ist daran wahrlich nicht schuldlos


Der Wegfall der Roaming-Gebühren indes ist ein Beispiel für gelungenen EU-Verbraucherschutz. Sieht man mal von der grotesken Ungeschicklichkeit der EU-Kommission ab, der kurzfristig eingefallen war, die Roaming-Freiheit auf 90 Tage im Jahr zu begrenzen. Was nach massivem Protest gecancelt wurde. Ab Juni 2017 werden Handytelefonate innerhalb der EU nun endlich billiger.

Tatsächlich ist die Roamingfreiheit nicht das einzige Thema, bei dem Verbraucher von EU-Regelungen profitieren. Nur ist das im Bewusstsein der Bürger kaum angekommen. „Wenn etwas gut läuft, geht man nie davon aus, dass es an der EU liegt“, klagt der Europaabgeordnete Markus Ferber, wirtschaftspolitischer Sprecher seiner Fraktion im EU-Parlament. Daran ist seine eigene Partei allerdings nicht unschuldig. Die Tiraden der CSU in Richtung Europa sind Legende.

Reisende haben bald mehr Rechte  - dank der EU-Gremien


Linus Förster (SPD), Vizechef des Europaausschusses im Landtag, wiederum glaubt, dass sich die Bürger inzwischen einfach an bestimmte Vorteile gewöhnt hätten: „Dass die EU ein schlechtes Image bei den Bürgern hat, liegt bestimmt auch daran, dass ihre Errungenschaften für uns zur Selbstverständlichkeit geworden sind.“
Ein neueres Beispiel für EU-Verbraucherschutz sind die erweiterten Rechte bei Pauschalreisen. So hat die EU beschlossen, dass Reisende – etwa bei Insolvenzen von Airlines oder bei gravierenden Hotelmängeln – weltweit den Rechtsschutz ihres Heimatlandes genießen. Vorausgesetzt, die Reise wurde in der EU gebucht. Die Mitgliedsstaaten müssen diese Richtlinie bis Ende 2017 aber noch in nationales Recht umsetzen. Im Bereich Lebensmittelsicherheit beschloss die EU, dass Nährwerte und Allergene der meisten Lebensmittel bis spätestens Ende 2016 auf der Verpackung angegeben werden müssen und das Herkunftsland von verpacktem Fleisch genannt werden muss.

In Vorbereitung ist derzeit die Produktsicherheitsrichtlinie. Sie soll sicherstellen, dass Waren, die aus Nicht-EU-Ländern importiert werden, hiesige Standards erfüllen. Damit das gelingt, müssen die Kontrollen der Gewerbeaufsicht deutlich ausgeweitet werden. Was für die EU-Staaten höhere Personalkosten bedeutet. Und so könnte es sein, dass diese gut gemeinte EU-Richtlinie von den Mitgliedsländern noch ziemlich verwässert wird. Es wäre nicht das erste Mal. (Waltraud Taschner)

Kommentare (1)

  1. Zitrone am 30.09.2016
    Ich habe als älterer Bürger selbst schon um eine Kreditaufnahme ringen müssen. Die Sendung Quer hat die Problematik anschaulich gemacht. Himmel noch mal, warum setzen sich der bayerische Verbraucherminister und der Bundesverbraucherminister nicht für die Bürger ein und verstecken sich hinter der EU?
    Die EU ist so eine großartige Sache, dass es zu schade ist, diese den Politikern zu überlassen. Die Walhlbeteiligungen unter 50% wundern mich nicht, wenn zwar alle gerne die Vorteile kassieren, aber für eigene Versäumnisse die EU verantwortllich machen. Wann gibt es einmal eine Erfolgsbilanz der EU, die von den einheimischen Politikern vertreten wird. Die Maut ist das abschreckende Gegenbeispiel.
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