Politik

Hans Maier in den 70er Jahren, vor dem Münchner Kultusministerium (SZ Photo).

17.06.2011

Der Mann, der Strauß Paroli bot

Der langjährige bayerische Kultusminister Hans Maier feiert 80. Geburtstag

Er amtierte 16 Jahre lang als bayerischer Kultusminister – ein bundesrepublikanischer Rekord. Singulär auch sein Rückzug: Hans Maier trat 1986 zurück, weil er nicht einsehen mochte, warum sein Ressort geteilt und er selbst nur noch für den Bereich Wissenschaft zuständig sein sollte. Am Samstag wird Maier, emeritierter Professor für Politologie, 80 Jahre alt. Wenn die Astrologenweisheit stimmt, dass Zwillinge vielseitig interessiert, überaus eigenständig, geistreich und eloquent sind, dann darf Hans Maier als Prototyp dieses Sternbilds gelten. Mit den genannten Eigenschaften jedenfalls hat der langjährige bayerische Kultusminister sein Amt geprägt und damit die bayerische Bildungs-, Kultur- und Wissenschaftspolitik der 70er und 80er Jahre.
Die politische Kultur im Allgemeinen hat Maier damit nicht beeinflusst – leider. Intellektuelle Brillanz, gepaart mit Unabhängigkeit, das waren schon 1970, als er Minister wurde, Ausnahmemerkmale des politischen Personals, zumal in den Reihen der CSU. Und heute, sagt einer aus dem Inner Circle der Mächtigen in Bayern, „ist es noch viel schlimmer“.
Maier, der wortmächtige Politikprofessor, wusste stets genau, was er wollte – was er nicht wollte allerdings auch. Dazu zählte vieles, was der hitzköpfige Franz Josef Strauß, ab 1978 Ministerpräsident in Bayern, sich einfallen ließ: missliebige „linke“ Lehrer drangsalieren beispielsweise oder FJS-Getreue bei Schulleiterposten begünstigen. Oder, was den aufmüpfigen Maier letztlich wohl den Kopf kostete, öffentliche Treuebekundungen abgeben für den Chef: 1983 ließ FJS seine gesamte Regierungsmannschaft antreten; sie sollte ihm eidesstattlich versichern, dass sie keine Infos zum von Strauß eingefädelten Milliardenkredit an die DDR nach außen gegeben hatte.
Maier fand das albern und lehnte als Einziger ab. Strauß wurmte das gewaltig – so sehr, dass er Maier nach der Landtagswahl 1986 mit dem Plan demütigte, das Kultusministerium zu teilen. Maier, damals 16 Jahre im Amt, konterte Strauß’ offenkundige Abstrafaktion mit einem „Nein, danke“ und wurde wieder Hochschullehrer.


Dem Politologen graust’s


„Man sollte in der Politik eine Rückzugsmöglichkeit haben“, sagt Maier heute, um nicht abhängig zu sein von der Gnade oder dem Wohlwollen des Chefs. Ein Blick aufs politische Establishment zeige jedoch, dass eben dies „zunehmend“ schwinde. Dass heute fast nur noch stromlinienförmige Berufspolitiker das Zepter schwingen in Regierung und Parlament, ist dem emeritierten Politologen Maier ein Graus. Die CSU, bedauert Maier, „hat sich zuletzt nicht mehr offen gezeigt gegenüber Leuten, die von außen kamen“.
Sein Urteil über die politische Klasse, es ist nicht schmeichelhaft: „Der kleine Mann“, sagt Maier und meint damit den einfachen Abgeordneten, das Parteimitglied vor Ort, „ist in Ordnung.“ Mit Wertungen über die aktuelle Landespolitik und deren Exponenten hält er sich zurück.
Überzeugungstäter zu sein: Das hatte bereits den Politikprofessor Maier ausgezeichnet, der sich Ende der 60er Jahre mit einigen, wie er sagt „mutigen Assistenten“ verbündete, um sich den Vorlesungsstörungen der APO-Leute zu widersetzen. An der Studentenrevolte störte den distinguierten Maier vor allem die Art des Protests. Dass Reformen an den Unis nötig waren, stritt er nicht ab.
Überzeugungstäter war Maier auch als Kirchenmann. Als Präsident des Zentralkomitees der Katholiken (1976 bis 1988) focht er so manchen Kampf mit dem Vatikan aus. Einer seiner Hauptgegner damals: der heutige Papst Joseph Ratzinger, dessen unnachgiebige Haltung in Fragen der Ökumene oder der Schwangerenkonfliktberatung Maier missfielen.
Der Zorn des katholischen Fundamentalismus traf Maier kürzlich in Gestalt des Regensburger Bischofs Gerhard Ludwig Müller, der Maier eine Lesung seiner Autobiographie in kirchlichen Räumen untersagte: weil Maier die sich dem Vatikan widersetzende katholische Laienorganisation Donum Vitae unterstützt. Maier reagierte souverän – und las andernorts. Das Interesse des Auditoriums war dann wegen der von Müller verursachten Turbulenzen umso größer.


Bischof Müller, aufgepasst!

Am Samstag wird Maier ein großes Fest feiern, in einem feinen Münchner Lokal. Mit dabei sind auch einige politische Weggefährten. „Meine Freunde“, sagt Maier, „waren immer eher die Hinterbänkler, die normalen Menschen“. Edgar Würth zum Beispiel, ein schwäbischer Landwirt, der einst zusammen mit Maier im Landtag saß. Von Würth stammt das fast schon hegelianische Lob des politischen Quereinsteigers Maier: „Es ist gut, dass wir in Hans Maier einen Politiker haben, der kein Politiker ist und gerade dadurch ein Politiker ist.“Was Maier sich zum Geburtstag wünscht: Gesundheit, natürlich. Dass es den sechs Töchtern, neun Enkeln und zwei Urenkeln gut geht. Und anstelle von Geschenken – Bischof Müller, aufgepasst! – eine Spende an den bei Hardcore-Katholiken verhassten Schwangerenberatungs-Verein Donum Vitae. (Waltraud Taschner)

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