Politik

05.02.2010

Der Redselige beliebt zu schweigen

Im Steuerhinterziehungsprozess gegen Karlheinz Schreiber will der Richter den verschlossenen Angeklagten endlich zum Reden bringen – seine Drohungen irritieren die Verteidigung

Jens Bosbach lächelt freundlich, auch wenn er vermutlich genervt ist. Er könne ja verstehen, dass das Gericht stets aufs Neue versuche, dem Angeklagten mit diversen Fragen auf den Zahn zu fühlen, sagt der 35-jährige Schreiberanwalt. Dennoch: „Herr Schreiber wird sich im Moment nicht äußern.“ Sein Mandant werde „zu einem späteren Zeitpunkt“ das Wort ergreifen. Rudolf Weigell, der Vorsitzende Richter am Landgericht München lächelt nicht freundlich. Und er ist ganz offensichtlich ziemlich genervt. Wenn das so ist, sagt Weigell, dann dürfe auch er, Weigell, unkooperativ sein und könne, zum Beispiel, von der Verteidigung gewünschte Zeugen ablehnen, „wenn die erst am 20. Verhandlungstag genannt werden“, erklärte Weigell kürzlich. Jetzt legte Weigell nach: „Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben“, belehrte der Richter den renitenten Schreiber, der außerhalb des Gerichts als ausgemachte Quasselstrippe gilt. Zudem lehnte Weigell den Antrag der Verteidigung ab, den zentralen Belastungszeugen, den in der Schweiz lebenden Giorgio Pelossi als Zeugen zu laden. Es müsse genügen, die Protokolle bereits erfolgter Vernehmungen Pelossis im Gericht zu verlesen, sagte Weigell. Bosbach hielt dagegen: Es gehe um die Glaubwürdigkeit des Zeugen. Um die zu hinterfragen, sei eine „konfrontative Vernehmung“ unerlässlich, so Bosbach. In der Tat sprechen Juristen bei Strafprozessen von der „Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme“. Das bedeutet: Vor allem, wenn es um die Glaubwürdigkeit von Zeugen geht, müssen diese einbestellt werden. Nur so kann sich das Gericht selbst ein Bild machen. „Es gibt im Strafprozess eine Pflicht des Gerichts, die Wahrheit zu erforschen“, sagt Ulfrid Neumann, Professor für Strafprozessrecht an der Universität Frankfurt. Und diese Pflicht werde keineswegs dadurch beeinträchtigt, dass der Angeklagte unkooperativ ist. Das Gericht dürfe einen Beweisantrag der Verteidigung auf Vernehmung eines Zeugen nicht deshalb ablehnen, weil der Angeklagte unkooperativ sei oder den Beweisantrag aus Sicht des Gerichts verspätet gestellt habe. „Das wäre ein glatter Verstoß gegen die Strafprozessordnung.“ Und es könnte sogar zur Aufhebung des Urteils in der Revisionsinstanz beim Bundesgerichtshof führen. Unabhängig von Verfahrensfragen ist es Schreiber und seinen Anwälten bislang nicht gelungen, die Überzeugung der Staatsanwaltschaft zu erschüttern, Schreiber selbst stecke hinter den für die Provisionszahlungen des Flugzeugbauers Airbus und des Panzerherstellers Thyssen eingesetzten Firmen I.A.L. und deren Muttergesellschaft Kensington, beide mit Sitz in Liechtenstein. Über deren Konten liefen zwischen 1988 und 1994 die meisten der Provisionen in Höhe von 32 Millionen Euro. Daraus errechnet die Staatsanwaltschaft einen Betrag von 11 Millionen Euro, die Schreiber dem deutschen Fiskus vorenthalten haben soll. Zwar ließ Schreiber seine Anwälte zuletzt vortragen, die Firma Kensington habe der frühere konservative Politiker und Lobbyist Frank Moores 1984 gegründet, um sich unerkannt Provisionen an Airbus-Geschäften mit kanadischen Fluggesellschaften zu sichern. In Kanada sei die Annahme solcher Kick-backs verboten gewesen, weshalb sein Partner nach Liechtenstein ausgewichen sei. Aber wie mancher Zeuge, den Schreiber nennt, ist Moores schon lange tot. Die Behauptung ähnelt jener über verdeckte Parteispenden an die CSU in den Jahren 1991/92, die Schreiber mit rund einer Million Euro angibt. Der von ihm genannte Kontaktmann zur CSU, der damalige Parteijustitiar Franz Dannecker, weilt seit 1992 nicht mehr unter den Lebenden. Ebenso wie der 1988 verstorbene CSU-Chef Franz Josef Strauß, mit dem Schreiber die Idee für eine gut gefüllte Kriegskasse der CSU Anfang der 80er Jahre entwickelt haben will. Die Staatsanwaltschaft schenkt dem Vortrag, Moores sei der Kensington-Chef gewesen, keinen Glauben. Sie stützt ihre Auffassung auf Dokumente, die während des Ermittlungsverfahrens ab 1995 beschlagnahmt wurden. Doch dass der Waffen- und Flugzeuglobbyist wie der Eigentümer von Kensington und I.A.L. handelte, lässt sich an einer Überweisung von 5 Millionen Dollar durch die Firma Airbus ablesen. Am 5. Oktober 1988 gingen die Millionen von dort auf das I.A.L.- Konto bei der liechtensteinischen Verwaltungs- und Privatbank (VP). Das war zwei Tage nach dem Tod von Strauß, den Schreiber vor Gericht durch seine Anwälte als den eigentlichen Motor der Airbus-Provisionsgeschäfte in Kanada und Thailand nennen ließ. Am Tag darauf überwies die I.A.L ihrer Muttergesellschaft Kensington 4,5 Millionen US-Dollar. Noch am gleichen Tag stellte die Firma Kensington einen Scheck in gleicher Höhe aus, der beim Schweizer Bankverein eingelöst und von Schreiber quittiert wurde. Am 7. Oktober 1988 stellte der Schweizer Bankverein einen Scheck über 4 Millionen Dollar aus, den Schreiber seinem Konto bei der Sparkasse Landsberg gutschreiben ließ. Damit war der verwirrende Geldtransfer noch nicht beendet. Vom Landsberger Konto gingen wenige Tage später 2,3 Millionen Schweizer Franken zurück zur Verwaltungs- und Privatbank in Vaduz, allerdings auf ein Konto der Schreiber-Firma Interleiten. Eine Woche später hob der Kronzeuge der Anklage, Schreibers früherer Schweizer Partner Giorgio Pelossi, 650 000 Franken in bar für Schreiber ab, tags darauf gingen 1,4 Millionen Franken auf Schreibers Privatkonto beim Schweizerischen Bankverein. Von diesem Konto wurden die Unterkonten für Schreiber-Spezis bedient. Dabei handelte es sich um die Depots mit den Tarnnamen „Maxwell“, „Holgart“, „Winter“, „Stewardess“, „Frankfurt“ und andere, die angeblich von Schreiber treuhänderisch in Deutschland und Kanada gehalten wurden. Zu den Begünstigten gehörte der damalige CSU-Staatssekretär im Bundesverteidigungsministerium, Ludwig Holger Pfahls („Holgart“), der laut rechtskräftigem Urteil die Steuer für rund 2 Millionen Euro Bestechungsgeld schuldig blieb. Er soll Schreiber und der Firma Thyssen beim Panzerdeal mit Saudi-Arabien behilflich gewesen sein. „Frankfurt“ stand übrigens für Frank Moores, den Schreiber jetzt als Inhaber der zentralen Schmiergeld-Firma Kensington nennen ließ. Das Anlegen eines Unterkontos für Moores spricht aber gegen Schreibers Version. Wäre Moores Chef von Kensington gewesen, hätte es in seinem Fall nicht der Umleitung der Geldströme und des Anlegen eines Kick-back-Kontos bedurft, sondern er hätte sich seinen Anteil bei seiner Firma selbst sichern können. Da der Augsburger Steuerfahnder Winfried Kindler eine Reihe solcher Geldverschiebungen entschlüsselt hat, spricht die Augsburger Staatsanwaltschaft von einem „undurchschaubaren Lügengebäude“, mit dem Schreiber die Provisionszahlungen verschleiern wollte. Schreiber bestreitet, der wirtschaftlich Berechtigte von I.A.L. und Kensington gewesen zu sein. Er lässt seine Anwälte vortragen, er habe das Geld nur an andere verteilt und selbst nur mit wenigen Millionen Euro profitiert. Die Geldverschiebungen wären für sich allein noch nicht strafwürdig. Angeklagt ist Schreiber unter anderem deshalb, weil er die Provisionen nicht versteuert hat. Im Fall einer Verurteilung Schreibers ist jedoch offen, ob der Fiskus jemals zu seinem Geld kommt. In der Untersuchungshaft hat Schreiber erklärt, inzwischen mittellos zu sein. (Michael Stiller, Waltraud Taschner)

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