Politik

Bleibt woanders mehr vom Gewinn? (Foto: Getty)

21.10.2016

Der Traum vom Kostenparadies

„Wir wandern ab!“ Was ist dran an Drohungen von Unternehmen, die sauer sind wegen hoher Strompreise?

Aus Verdruss über steigende Strompreise plant jedes sechste bayerische Unternehmen die Verlagerung von Produktionsstätten. Das ist das Ergebnis einer Befragung des Bayerischen Industrie- und Handelskammertags (BIHK).
57 Prozent der befragten bayerischen Unternehmen beklagen die hohen Stromkosten. „Wir sind gerade dabei, die Verlagerung unserer Produktionsstätten ernsthaft zu planen“, sagt der Finanzchef eines oberbayerischen Mittelständlers, der namentlich nicht genannt werden möchte, der Staatszeitung. Dies geschehe allerdings nicht nur wegen der Strompreise, sondern auch wegen der hohen Lohnkosten und einiger anderer Faktoren wie überbordende Meldepflichten.

Bis 2014 war der oberbayerische Betrieb noch von der Erneuerbare-Energien (EEG)-Umlage befreit. Mit der Umlage fördert der Staat den Ausbau von Anlagen, die Ökostrom erzeugen. „Doch die Branche, in der wir tätig sind, hatte in Berlin zu wenig Lobbymacht“, so der Finanzchef. Deshalb müsse jetzt die Umlage gezahlt werden. Für das laufende Jahr fallen zwar „nur“ 240 000 Euro an, doch die Summe wird im Rahmen einer Übergangsfrist ansteigen. „Ab 2018 müssen wir pro Jahr eine Million Euro entrichten.“

Paradox: Sollte das Unternehmen weitere Anstrengungen zum Stromsparen unternehmen, wird dies vom Gesetzgeber bestraft. „Dann müssen wir 3,5 Millionen Euro pro Jahr zahlen, weil dann unser Stromkostenanteil an der Bruttowertschöpfung unter 14 Prozent sinkt“, klagt der Finanzexperte. Bei 200 Millionen Euro Jahresumsatz entspreche das für viele Mittelständler dem Jahresgewinn, der draufgehe. „Denn in Industriebetrieben liegt die Umsatzrendite zwischen drei und sechs Prozent.“ Sollte der oberbayerische Mittelständler doch irgendwann in diese Falle tappen, müsste er 50 Millionen Euro mehr an Jahresumsatz erwirtschaften, um die 3,5 Millionen Euro bezahlen zu können. Kein Einzelfall.

Die bayerische Wirtschaft fordert angesichts der ausufernden Kosten Korrekturen bei der Energiewende. BIHK-Hauptgeschäftsführer Peter Driessen klagt: „Für die Wirtschaft im Freistaat entwickelt sich die Energiewende immer mehr zum Fass ohne Boden und damit zum Risikofaktor für den Standort.“

Auch amerikanische Unternehmen sind abgeschreckt


Die Strompreise stellen aber nicht nur für deutsche Unternehmen eine Belastung dar. Auch US-amerikanische Investoren sind abgeschreckt: „In unserer jährlichen Umfrage unter US-Unternehmen zählen die Energiepreise zum Dauerbrennerthema. Eine bezahlbare Energieversorgung in Deutschland ist eine wichtige Voraussetzung, um für Investoren attraktiv zu bleiben“, so Bernhard Mattes, Präsident der American Chamber of Commerce in Germany und Vorsitzender der Geschäftsführung der Ford-Werke in Köln.

Grundsätzlich müssen Privathaushalte und alle Unternehmen die EEG-Umlage zahlen. Befreit sind stromintensive Branchen: die Chemie- und Papierindustrie, Metall erzeugende sowie Metall verarbeitende Betriebe, Glas- und Keramikhersteller, Gummi und Kunststoff verarbeitende Betriebe sowie Unternehmen, die Schienenbahnen betreiben. Die Deutsche Bahn wiederum muss die EEG-Umlage paradoxerweise bezahlen.

Eine Produktionsverlagerung ins Ausland kann da für viele EEG-pflichtige Firmen durchaus realistisch erscheinen. Zumal die Kinderkrankheiten wie Unzuverlässigkeit oder Qualitätsmängel aus den Anfängen der Verlagerungen nach Osteuropa in den 1990er Jahren längst überwunden sind.
Warum steuert der Staat nicht gegen? Die Stromsteuer könnte man angesichts Rekordsteuereinnahmen aus anderen Quellen durchaus streichen. Und dafür fossile Energieträger wie Erdgas und Erdöl EEG-pflichtig machen. Damit würde sich die Erhebungsbasis verbreitern und der Strompreis entlastet. Positiver Nebeneffekt: Die Elektromobilität erhielte einen zusätzlichen Schub, weil Benzin und Diesel teurer würden.
(Ralph Schweinfurth)

Kommentare (1)

  1. loti am 21.10.2016
    Sehr interessant
    Aber als Konsequenz EEG auf Gas und Co ist genau das was die Wirtschaft nicht nach vorne bringt.
    EEG sollte schnellst möglich gedeckelt oder besser noch abgeschafft werden
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