Politik

Erobert Ude den Bayern-Thron? (SZ Photo, Stephan Rumpf)

12.08.2011

Der Überraschungscoup des Bürger-Kings

Münchens OB Ude hat mit seinen Ambitionen, als Ministerpräsident zu kandidieren, die SPD erstaunt und die CSU entsetzt

Noch bis vor Kurzem gab sich die CSU hoffnungsvollen Träumereien über die Rückkehr zur Alleinherrschaft hin. Derzeit fehlen den Christsozialen nur zwei Landtagsmandate zur absoluten Mehrheit. Und der Koalitionspartner FDP schwächelt in den Umfragen. Den jungen Oppositionsführer Markus Rinderspacher von der SPD betrachtete keiner der CSU-Granden als ernstzunehmende Bedrohung.
Seit Münchens populärer Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) signalisiert hatte, seine bisherige Weigerung, in die Landespolitik zu wechseln, zu revidieren, ist plötzlich alles anders. Udes Kandidatur, heißt es in der CSU, „wäre die größte Herausforderung für die CSU seit 1954“. Damals hatte es die SPD geschafft, in einem Viererbündnis den Ministerpräsidenten – Wilhelm Hoegner – zu stellen und die CSU in die Opposition zu verbannen.


Dobrindts Überheblichkeit


Offiziell geben sich die Christsozialen cool bis herablassend, hinter den Kulissen ist man vielfach alarmiert. Die höhnische Bemerkung von CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt, Ude werde es ohnehin nur zum „zweiten Oppositionsführer hinter Frau Bause“ bringen, erregte parteiintern bereits Unmut. „Was soll das denn“, stöhnt ein altgedienter CSU-Mann, „das ist genau die Überheblichkeit, die die Leute nervt.“
Seehofer selbst, derzeit auf Urlaub im Altmühltal, hat sich zu seinem mutmaßlichen Herausforderer bislang nicht geäußert. Kein Wunder, juxt ein Parteifreund, Seehofer seien in seinem Ferienhaus nach der Ude-Meldung „sicher die Züge entgleist beim Eisenbahnspielen“.
In der CSU-Stadtratsfraktion sieht man durch Udes Kandidatur auch die Chancen für die OB-Wahl 2014 geschmälert: „Wenn Ude das Ergebnis der SPD deutlich verbessert oder wider Erwarten gar Ministerpräsident wird“, sagt Richard Quaas, Vizechef der Stadtratsfraktion, „wäre das für die CSU ein größeres Problem“. Weitgehende Einigkeit herrscht in den Reihen der CSU indes darüber, dass Ude, in seiner Mischung aus Volkstribun und Weltbürger, stärker als Seehofer das großstädtische Publikum ansprechen könnte. Eigentlich, sagt ein CSU-Landtagsabgeordneter, „nimmt Ude der CSU das Prädikat bayerisch und weltoffen weg“.

Missgünstige Sozis

So weit will CSU-Präside Markus Ferber nicht gehen. Er schließt einen Wahlsieg der SPD 2013 aus – schon deshalb, weil missgünstige Sozialdemokraten alles täten, um einen Triumph des selbstbewussten Ude zu vereiteln: „Wenn die Bayern-SPD eins nicht kann, dann das: eigenen Leuten Erfolg gönnen.“
Tatsächlich benötigte die SPD einige Zeit, um ihrer Begeisterung für eine Spitzenkandidatur Udes freien Lauf zu lassen: Ein führender Stadtrats-Genosse mosert: „Ude hatte das zuvor mit niemandem in der Partei abgesprochen.“ Markus Rinderspacher, Fraktionschef im Landtag, war spontan die eher spitze Bemerkung eingefallen, Ude eigne sich prinzipiell für alle Aufgaben – „vom Uno-Generalsekretär bis zum SPD-Kanzlerkandidaten“. „Begeisterung“, kommentiert ein bayerischer Spitzensozi, „klingt anders“. Inzwischen proklamiert Rinderspacher immerhin, die Bayern-SPD wäre „stolz“, Christian Ude für eine Spitzenkandidatur 2013 zu gewinnen.
Doch schwant den Genossen, dass die Probleme mit dem Wahlkampf erst begännen: „Das ist eine brutale Kärrnerarbeit“, sagt einer aus der Parteiführung, „und eine Riesenbelastung“. Die Organisation könne man Ude abnehmen, durch Bayern touren aber, „das muss er schon selber“.
Auch die Aussicht, sich in einem Dreierbündnis mit Freien Wählern und Grünen zusammenzuraufen, sehen nicht alle Sozis als Zuckerschlecken: Trotz erkennbarer Gemeinsamkeiten, klagt Harald Güller, parlamentarischer Geschäftsführer der Landtags-SPD, seien Teile der FW „gefühlsmäßig sicher bei den Schwarzen“. Den Grünen wiederum, moniert SPD-Wirtschaftssprecher Thomas Beyer, mangele es am Gespür für die der SPD hochwichtige Sozialpolitik: „Das ist kein grünes Thema.“


Die Ude-Abwehrstrategie


Bei den Landtagsgrünen gilt: Erstmal abwarten. Udes mögliche Kandidatur, sagt Fraktionschef Martin Runge, „macht sicher das Ganze nicht uninteressanter“. Als „gmahde Wiesn“ solle man das Ganze noch nicht sehen. Und Sepp Dürr, ehemaliger Grünen-Fraktionschef, argwöhnt, dass mögliche SPD-Stimmengewinne durch Ude nicht automatisch zu einem Dreierbündnis SPD-Grüne-FW führen müssten – vor allem dann nicht, wenn die Grünen, wie er glaubt, vor der SPD lägen: Dürr kann sich vorstellen, dass SPD oder FW auch mit der CSU paktieren würden.
Euphorischer geben sich die Stadtratsgrünen. Deren Chef Siegfried Benker stellt klar: „Ude ist als einziger in der Lage, der CSU den Posten des Ministerpräsidenten abzujagen.“
Weil das auch die CSU weiß, überlegen die ersten schon, wie eine mögliche Ude-Abwehrstrategie ausschauen könnte: Die Kandidatur des Bürger-Darlings, heißt es, „könnte von der CSU sogar positiv bewertet werden“. Man müsse die Leute fernab der Landeshauptstadt bloß davor warnen, dass im Falle eines Ude-Wahlsiegs der ländliche Raum das Nachsehen hätte: weil dann nämlich „noch mehr Geld als schon bisher nach München fließen würde“.
(Waltraud Taschner, Tobias Lill)

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