Politik

29.06.2012

Der Ungeist des neuen Europas

Ein Kommentar von Roswin Finkenzeller

Aus Angst, sie könnte sich vor ganz Europa blamieren, zahlte Angela Merkel für die deutsche Zustimmung zu dem in Deutschland ersonnenen Fiskalpakt fast jeden Preis. Sechzehn Ministerpräsidenten kannten ihre Koste-es-was-es-wolle-Kanzlerin und nutzten die Gunst der Stunde. Horst Seehofer mag das Wort „Erpressung“ nicht. Doch auch er findet, dass der armen Angela kaum etwas anderes übrig blieb, als bei der Eingliederung der Behinderten und dem Ausbau der Kinderkrippen die Zahlmeisterrolle zu übernehmen.
Symptomatischer ist ein anderes Zugeständnis. Der Bund will einspringen, sollte die Brüsseler Zentrale als künftige Hüterin des Fiskalpaktes ein Bundesland zu einer Strafzahlung verdonnern. Daraus spricht der Ungeist des neuesten Europas. Der eine schlampt, und der andere haftet. Der eine sündigt, und der andere zahlt. Der Bundesrat will wohl die Zeichen der Zeit verstehen. Ministerpräsidenten aus der CSU wollen sie immer besonders gut verstehen, weshalb Seehofer, natürlich selektiv, mal wieder auf Volkes Stimme hört. Die Stimme beanstandet, dass „die da oben“ für Griechenland, für Spanien, für wen auch immer Geld in Hülle und Fülle haben, jedoch sofort knausrig werden, sobald es um Zuwendungen für „uns da unten“ geht. Das Argument ist triftig, der Haken nur der, dass bisherige Verschwendung im Ausland künftige Verschwendung im Inland rechtfertigen soll.

Merkels Verschleierungssemantik


Wenn der Ministerpräsident lauscht, vernimmt er auch den Ruf des Volkes nach einer Volksabstimmung zu Europa. Dass die so schnell nicht kommt, weiß er genau, weshalb er straflos dafür sein kann. Die demoskopischen Befunde sind von seltener Eindeutigkeit: Die Deutschen sind es leid, anderer Leute Zeche zu zahlen. In diesem Sinn hat das bayerische Kabinett jede europäische Haftungs- und Transferunion „strikt“ abgelehnt. Das passt zu Merkels starkem Satz, solange sie lebe, werde die Schuldenunion nicht eingeführt. Es passt auch zu dem weisen Satz der Kanzlerin, dieses Modell kontinentaler Zusammenarbeit sei nicht nur verfassungswidrig, sondern auch ökonomisch falsch.
Doch in der Verschleierungssemantik sind die europäischen Spitzenpolitiker, Merkel meistens eingeschlossen, seit jeher Meister. Bisher lief es so gut wie immer darauf hinaus, dass Deutschland steinreich sei und fremden Schlendrian ausbügeln könne. Dass ein Rettungseuropäer die Schulden der Bundesrepublik übernehmen werde, sagte noch keiner.

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