Politik

15.05.2015

Deutsche Laienspione

Ein Kommentar von Roswin Finkenzeller

Wenn eine Frau eine Detektei beauftragt, einen Mann zu beobachten, dann handelt es sich in der Regel um einen ihr nahestehenden, wenn nicht um den eigenen. Bei den Beziehungen zwischen Staaten ist es nicht viel anders, mag Angela Merkel auch so getan haben, als finde sie die Ausspähung von Freunden ganz entsetzlich. Dabei möchten Regierungen doch nur wissen, ob bestimmte Politiker, mit denen sie zu tun haben, tatsächlich noch Freunde sind.
Die Amis, wenn dieser freundschaftliche Ausdruck erlaubt ist, sind in der Kunst der Nachrichtenbeschaffung den deutschen Experten deutlich überlegen. Deshalb passiert, wozu es bei starken Qualitätsunterschieden zwischen Kollegen meistens kommt: Die einen werden unsicher, die anderen arrogant. Wenn es stimmt, dass in einer so lebensnotwendigen Angelegenheit wie der Abwehr des Terrorismus die deutschen Dienststellen einpacken könnten, wenn sie die Yankees nicht hätten, dann ist jede amerikanische Hochnäsigkeit gerechtfertigt. Gegen die gibt es ein Mittel: selber besser werden.

Der Bundesnachrichtendienst hatte 1989 schon den Niedergang der DDR verpennt


Könner und Kenner fangen im Übrigen nicht zu jammern an, sobald ein unverschämter Berufsschnüffler aus Übersee von ihnen verlangt, einen deutschen Großkonzern auszuspionieren. Vielmehr lachen sie kurz und fragen frech, ob diese Bitte der neueste Beleg für angelsächsischen Humor sein solle. Oder sie versprechen, ein paar Hochglanzbroschüren des betreffenden Unternehmens weiterzureichen, in denen offene Geheimnisse in Hülle und Fülle zu stehen pflegen.
Im Jahr 1989 war dem Bundesnachrichtendienst die Tatsache entgangen, dass ein Weltsystem, das kommunistische, langsam aber sicher zerbröselte. Daher die kuriose Verblüffung der Bundesregierung, als das, was jeder sah, auch sie merkte. Heute führen bei uns das große Wort die Moralmeier. Andernorts erinnert der Begriff „intelligence service“ an Intelligenz. Da wäre es gut, der deutsche Dienst spähte Freunde aus und könnte den Amerikanern haargenau erzählen, wo und wann bei ihnen die nächsten Straßenkrawalle ausbrechen werden. Er hätte dann das Vergnügen, endlich für voll genommen zu werden.

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