Politik

18.01.2013

Die Abräumer

Die Klausur der CSU-Landtagsfraktion gerät trotz vorausgegangener Differenzen zur Harmonieveranstaltung

Die Seehofer-CSU hat es in den vergangenen Monaten zu einer gewissen Perfektion gebracht, Themen abzuräumen, die sie bei der Landtagswahl Stimmen kosten können. Egal ob G8, Studiengebühren, kostenloses Kindergartenjahr und wahrscheinlich bald auch Donau-Ausbau – überall ist die CSU ihrem „Drehhofer“ gefolgt, wie SPD-Generalsekretärin Natascha Kohnen den CSU-Chef Horst Seehofer gern spöttisch nennt. Interne Kritiker, wie der fast zum Dissidenten gewordene Ex-Staatssekretär Bernd Weiß, mögen Seehofers Politikstil als Prinzipienlosigkeit und Anbiederung vor dem Wähler geißeln, auf der Fraktionsklausur in Wildbad Kreuth ist er damit aber ein ziemlich einsamer Rufer.
Die CSU will unbedingt die Landtagswahl im Herbst gewinnen, und je näher die rückt, desto disziplinierter und geschlossener treten die Abgeordneten auf. Seehofers entsprechender Appell gleich zu Beginn der Tagung wäre gar nicht erforderlich gewesen. Schon bei ihrem Eintreffen reden die Parlamentarier lieber übers Wetter in Kreuth als über thematische Streitfragen oder gar die vorweihnachtliche Lästerattacke des Parteichefs. Diese Angelegenheit sei „erledigt“, hört man dutzendfach. Der altgediente Kurt Eckstein gibt sogar vor, die Aufregung ohnehin nie recht verstanden zu haben. „Wenn man bedenkt, wie Franz Josef Strauß seine Leute zusammengeschissen hat, war das doch harmlos“, zieht er einen historischen Vergleich. Fraktionsvize Alexander König stellt einen „Gemeinschaftsgeist“ fest wie schon lange nicht mehr. „Es rudern alle in einem Boot und nicht mehr jeder in seinem eigenen“, erklärt er.
Aufreizende Gelassenheit
Von ihren Neujahrsempfängen bringen die Abgeordneten gute Laune mit nach Kreuth. Es läuft draußen, die CSU hat wieder einen Stand bei den Leuten. Die konstanten Umfragewerte knapp an der 50-Prozent-Marke kommen nicht von ungefähr. Man dürfe jetzt nicht das Geschäft der Opposition machen und die gute Lage mit unnötigen Personaldebatten gefährden, mahnt König, der sonst durchaus zu den kritischen Geistern in der CSU-Fraktion zählt. Persönliche Animositäten oder inhaltlicher Streit werden deshalb hintangestellt oder – wie im Fall des Donau-Ausbaus – vertagt. In Sachen Euro-Rettung umschmeichelt die Fraktion sogar Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), der die von der CSU lange verachtete Haltung der Kanzlerin prägte.
Und in Kreuth wird weiter abgeräumt. Einstimmig verabschiedet die CSU-Fraktion eine Resolution für einen sozial gerechten Arbeitsmarkt und nimmt damit der SPD auch noch das letzte Thema, mit dem sich Spitzenkandidat Christian Ude im Wahlkampf profilieren könnte. Kein Wunder, dass Ude aus München ins Tegernseer Tal giftet, die CSU hänge sich mit Blick auf die Landtagswahl noch schnell „mit Scheinlösungen ein soziales Mäntelchen“ um. Was Ude so erregt, ist der Appellcharakter des CSU-Papiers. Es enthält zum Beispiel die Forderung nach einer auskömmlichen Lohnuntergrenze, also einem Mindestlohn. Doch soll der nicht gesetzlich vorgeschrieben, sondern von den Tarifpartnern festgelegt werden. Ähnlich sei es mit den CSU-Forderungen nach weniger Mini-Jobs und Zeitarbeit sowie der Schaffung familienfreundlicher Arbeitsplätze. Nichts anderes als ein „Täuschungsmanöver“ sei das Papier der CSU.
Deren Fraktionschef Georg Schmid weist mit fast schon aufreizender Gelassenheit Vorwürfe zurück, die CSU betrete mit ihrem Arbeitsmarktpapier Neuland. „Wir sehen schon immer nicht nur Wirtschaftsfragen, sondern auch die soziale Gerechtigkeit“, betont er. Es gehe um den gerechten Ausgleich zwischen den Bedürfnissen einer modernen Arbeitswelt und den sozialen Belangen der Beschäftigten. Jetzt, da in weiten Teilen Bayerns Vollbeschäftigung herrsche und die Wirtschaft floriere, sei es „genau der richtige Zeitpunkt, den sozialen Ausgleich wieder auf die Tagesordnung zu bringen“, so Schmid. Davon, dass der Zeitpunkt auch mit den jüngsten Umfragen zu tun haben könnte, in denen die Bayern der SPD auf dem Feld des Sozialen deutlich mehr Kompetenz zusprechen als der CSU, will Schmid nichts wissen.
So geht die Klausur auch in großer Harmonie zu Ende. Als „Vernunftliebe“ bezeichnet einer allerdings das Verhältnis zwischen Seehofer und der Fraktion. Die traditionelle Grundsatzrede des Regierungschefs auf der Klausur bleibt sogar ohne Aussprache, weil sich trotz mehrfacher Aufforderung von Fraktionschef Schmid einfach niemand zu Wort meldet. Seehofer sei während der gesamten Klausur dagewesen, deshalb seien alle Gespräche geführt und alle Fragen gestellt gewesen, begründet Schmid die abschließende Sprachlosigkeit.
Der Parteichef selbst gibt seiner Landtagstruppe mit auf den Weg, sich in den kommenden Monaten den Sach- und nicht den Machtfragen zu widmen. Es soll schließlich für die heiße Wahlkampfphase kein unerledigter Punkt übrig bleiben. „Jedes Thema, das man auf die Zeit nach der Wahl schiebt, wird zum Wahlkampfthema“, erklärt Seehofer. Es wird also weiter abgeräumt werden bei der CSU. (Jürgen Umlauft)

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