Politik

Im Bundestag bleiben Abgeordnete lieber unter sich - zumindest in den Ausschüssen. (foto: dpa)

30.04.2015

Die Bürger müssen draußen bleiben

Öffentliche Ausschusssitzungen sind im Landtag üblich, im Bundestag nicht. SPD und Union wollen das trotz wachsender Kritik nicht ändern

Wer wissen will, wie es um die Streitkultur der Politiker bestellt ist, kann sich in Bayern ganz leicht selbst ein Bild machen: Die Ausschüsse des Landtags tagen nämlich öffentlich. Jeder interessierte Bürger darf sich in eine Sitzung der Fachausschüsse setzen und zuhören, wie sich die einzelnen Abgeordneten beharken – oder, was gar nicht so selten vorkommt, wie sie Kompromisse finden.
Damit ist Bayern ein Ausnahmeland. Öffentlich tagen die Landtagsausschüsse sonst nur noch in Berlin, Brandenburg und Niedersachsen. Zu den Öffentlichkeits-Verweigerern zählt auch der Bundestag. Dessen Ausschüsse sind für interessierte Bürger tabu – was in Zeiten zunehmender Transparenzbestrebungen seltsam anmutet. Während Bundestagsabgeordnete mittlerweile die Höhe ihrer Nebeneinkünfte offenlegen müssen, dürfen sie Anträge und Gesetzentwürfe weiterhin unter Ausschluss der Öffentlichkeit diskutieren.
Das ärgert nicht nur Transparenzinitiativen, sondern auch die Opposition im Bundestag: Grüne und Linke fordern, die Bundestagsausschüsse öffentlich tagen zu lassen. Die Große Koalition lehnt das ab. Vergangene Woche fand eine Expertenanhörung dazu im Bundestag statt. Teilnehmer waren Rechtsexperten sowie ein Vertreter von abgeordnetenwatch.de.
Zu einem Umdenken bei SPD und Union hat die Veranstaltung erwartungsgemäß nicht geführt. CDU, CSU und SPD fühlten sich bestätigt von den Bedenken, die beispielsweise der Würzburger Juraprofessor Kyrill-Alexander Schwarz vortrug: „Es muss Beratungsräume geben, die geschützt sind“, sagt Schwarz der Staatszeitung. Er glaubt nicht, dass das Misstrauen von Bürgern in ihre Politiker abnehme, wenn Ausschüsse öffentlich tagen. Max Straubinger, Parlamentarischer Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe im Bundestag, sagt: „Öffentliche Ausschusssitzungen führen oft nur dazu, dass Schaufensterreden gehalten werden.“

Gegner öffentlicher Sitzungen befürchten "Schaufensterreden", wenn die Bürger dabei sind


Ähnlich argumentiert die Politikwissenschaftlerin Ursula Münch, Direktorin der Tutzinger Akademie für politische Bildung: Sie räumt ein, dass die Transparenz von Debatten „natürlich“ ein Vorteil sei, verweist aber auch darauf, dass Auseinandersetzungen unter dem Druck der Öffentlichkeit nicht unbedingt sachlicher geführt würden: „Die Wahrscheinlichkeit, dass man sich jenseits von Fraktionsgrenzen annähert und unkonventionelle Lösungen für Probleme findet, sinkt damit.“
Im bayerischen Landtag wundert man sich: Mit frei zugänglichen Ausschüssen, so Landtagspräsidentin Barbara Stamm (CSU), „haben wir sehr gute Erfahrungen gemacht“. Dass sich der Bundestag hier neu orientiert, hält sie deshalb für „überlegenswert“. Ex-CSU-Chef Erwin Huber, seit 1978 im Landtag, prognostiziert sogar: „Auf die Dauer führt an öffentlichen Ausschusssitzungen auch im Bundestag kein Weg vorbei.“ Dass dies die Sitzungen auch mal verlängere, weil Politiker sich gern in Szene setzen, wenn Journalisten anwesend sind, räumen zwar auch bayerische Abgeordnete ein. Doch das, so Volkmar Halbleib, Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Landtagsfraktion, „muss Demokratie ertragen“.
Immerhin: Florian Pronold, bayerischer SPD-Chef, weicht von der offiziellen SPD-Linie im Bundestag inzwischen ab und spricht sich für öffentliche Ausschüsse aus. Allerdings bezweifelt er, „ob dieses Mehr an Transparenz zu mehr Akzeptanz für parlamentarische Prozesse führt.“ Denn „die oft kleinteilige Alltagsarbeit interessiert die meisten Bürger kaum“. Auch dem widerspricht der Landtag: Es komme immer wieder vor, sagt Landtagssprecher Anton Preis, „dass Besucherplätze auch in Ausschüssen bis auf den letzten Platz gefüllt sind“. (Waltraud Taschner)

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