Politik

27.06.2014

Die Findigkeit der Gewinnmaximierer

Die EU hat Steuerschlupflöcher geschlossen - doch Handlungsbedarf besteht nach wie vor

Wenn Markus Ferber von seinen Reisen ins irische Dublin berichtet, zeigt sich der bayerische Europaabgeordnete beeindruckt: „Entlang des Hafens haben viele europäische Großunternehmen beachtliche Niederlassungen aufgebaut“, erzählt Ferber. Er mag die Hauptstadt und den Blick auf die irische See, doch viele Unternehmen haben sich aus einem ganz anderen Grund hier niedergelassen: Der irischen Steuerpolitik.
Bislang ermöglicht beispielsweise die sogenannte Mutter-Tochter-Richtlinie der EU, dass Kapitalgesellschaften ihren Gewinn über hybride Finanzierungsformen steuerfrei auf Kapitalgesellschaften in ein anderes EU-Land transferieren. Dies funktioniert beispielsweise bei Gewinnen die in Ländern wie Irland, Luxemburg oder den Niederlanden anfallen, da die Abführung des Profits an eine Gesellschaft im Ausland dort als Betriebsausgabe gilt. In dem Land, in dem die Zahlung empfangen wird, fällt ebenfalls keine Steuer an, da das Steuerrecht dies in der Regel nicht vorsieht.
Deutschland hat bereits im letzten Jahr ein Gesetz verabschiedet, dass eine Nichtbesteuerung von solchen versteckten Gewinnen verhindert. Ab 2016 soll damit in der gesamten EU Schluss sein – das entschieden die EU-Finanzminister letzten Freitag. EU-Abgeordneter Ferber zeigt sich mit dieser Entscheidung „sehr zufrieden“. Für ihn hat  sie Signalwirkung: „Wir können nicht von den USA und der Schweiz erwarten, Unterstützung in der Steuerverfolgung zu erhalten, wenn wir die Umgehung von Steuern nicht einmal innerhalb der EU in den Griff bekommen“, sagt Ferber.
Auch Dirk Meyer-Scharenberg, Steuerberater und Professor für Steuerlehre an der Universität Regensburg wertet die Entscheidung der EU-Finanzminister als positiv. Dass Konzerne das Steuerschlupfloch massiv nutzen, kann er jedoch nachvollziehen: „Unternehmen die solche Möglichkeiten nicht nutzen, haben einen klaren Wettbewerbsnachteil gegenüber Konkurrenten“, sagt er. In seiner Tätigkeit als Steuerberater sei Meyer-Scharenberg sogar verpflichtet rechtlich legale Modelle zur Steuervermeidung zu empfehlen.

Ein Steuerrechtler sieht noch weitere Missstände im internationalen Steuerrecht


Neben dieser Steuervermeidung über hybride Finanzierungen sieht  Meyer-Scharenberg noch größere Herausforderungen im internationalen Steuerrecht, wie beispielsweise in der Bezahlung von Lizenzgebühren: „So kann beispielsweise eine bayerische Tochter von Starbucks ihren Gewinn fast komplett als Lizenzgebühr für die Verwendung des Markennamens in die Niederlande abführen, wo kaum Steuern darauf anfallen“, erklärt Meyer-Scharenberg. Von dort aus gebe es dann sogar eine weitere Gewinnabführung, beispielsweise in außereuropäische Steueroasen wie die Niederländischen Antillen, um eine Besteuerung fast komplett zu umgehen.
Solche Konstruktionen kennt auch Journalist und Buchautor Bastian Brinkmann. Für den Titel „Die geprellte Gesellschaft“ untersuchte Brinkmann unterschiedlichste Strategien der Umgehung von Besteuerung und stieß dabei immer wieder auf Gesellschaften mit Unternehmenssitz in Luxemburg, den Niederlanden oder Irland. „Apples Strategie hat mich besonders beeindruckt, da das Unternehmen mit seiner deutschen Gesellschaft in München lediglich den Vertrieb und das Marketing unterstützt“, so Brinkmann. Der Autor fand heraus, dass damit die größten Teile der Gewinne aus dem Geschäft in Bayern und Deutschland erst in Irland wieder auftauchen. Eine der dort gelisteten Apple-Firmen sei steuerrechtlich sogar staatenlos, da sie weder vom amerikanischen noch vom irischen Finanzamt erfasst werde, so Brinkmann.
Der Autor kann zumindest in einem Punkt beruhigen: „Das Steuerrecht für in Deutschland ansässige Konzerne ist im Vergleich zu Irland relativ strikt“, sagt Brinkmann. Für ihn bleibt damit die Zuversicht, dass manche deutsche Unternehmen wie Siemens, die ihren irischen Sitz nahe des Hafens von Dublin haben, in Irland vordergründig Produkte und Dienstleistungen verkaufen – und nicht das hiesige Finanzamt prellen. (Felix Scheidl)

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