Politik

Blick aufs EU-Parlament in Straßburg: Das Image der europäischen Gremien ist verbesserungsbedürftig. (Foto: dpa)

24.10.2014

Die Kommissare kriegen Aufpasser

Am 1. November tritt die neue EU-Kommission ihr Amt an - was sich jenseits der Personalien ändert

Eine Kommissarin und Vizepräsidentin in spe, die wegen offenkundiger Inkompetenz einen Rückzieher machen musste, eine andere, die zertifizierte Schamanin und Feuerläuferin ist, erst vor zwei Monaten in die Politik kam und dennoch durchgewinkt wurde: Bevor die neue EU-Kommission am vergangenen Mittwoch gewählt wurde, trug sich allerlei Seltsames zu in Straßburg und Brüssel. Bis zuletzt war außerdem unklar, ob die neue Truppe von Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker überhaupt pünktlich ins Amt kommen kann – wegen des Rückziehers der Slowenin Alenka Bratusek war eine erneute Vorstellungsrunde nötig.

Muss Europa alles regeln? Den Durchmesser einer Pizza?


Wenn die 28-köpfige EU-Kommission nun am 1. November wie geplant ihre Arbeit aufnimmt, ändern sich indes nicht nur die Namen der Ressortchefs. Auch die Arbeitsweise der Kommissarstruppe wird neu geregelt – mit weitreichenden Folgen. So werden die Zuständigkeiten der Kommissare bei den sieben Vizepräsidenten gebündelt. Jeder Kommissar ist nun eingebunden in eine Art Projektteam, das von einem Vizepräsidenten koordiniert wird.
Das hört sich kompliziert an, doch die Idee dahinter ist simpel: Die Kommissare sollen in Zukunft nicht mehr wie bisher im stillen Kämmerlein vor sich hin wursteln, um die Öffentlichkeit dann mit bisweilen abstrusen Vorschlägen zu schocken. Sondern sie sollen vorher miteinander reden und sich abstimmen. „Für Europa ist das ein Meilenstein“, jubelt der CSU-Europaabgeordnete Manfred Weber, der im Europaparlament die Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP) leitet. Endlich, sagt Weber, kämen die EU-Kommissare „raus aus den Silos“ und müssten geplante Vorhaben mit ihren Kollegen diskutieren.
So müsse zum Beispiel der für die Energiepolitik zuständige Kommissar seine Initiativen mit den Kommissaren für Umwelt, Klimaschutz und Forschung abstimmen – darauf achtet der für diese Bereiche zuständige Vizepräsident. Kommissare sind in Zukunft also auf die Unterstützung eines Vizepräsidenten angewiesen, wenn sie ein neues Vorhaben auf den Weg bringen wollen. Die Vizepräsidenten wachen damit als eine Art Aufpasser über das Treiben der Kommissare.

Worüber SPD und CSU sich einig sind

Oberaufpasser ist der Niederländer Frans Timmermans: Über den Schreibtisch des ersten Vizepräsidenten laufen künftig alle Vorschläge der Kommissare. Mit Blick auf unnötige Bürokratie hat der Sozialdemokrat Timmermans sogar ein Vetorecht, er kann also Pläne einzelner Kommissare einfach beerdigen, wenn sie ihm zu verwaltungsaufwendig erscheinen.
Vor dem Hintergrund ausufernder EU-Bürokratie ist das gewiss ein Fortschritt. Allerdings mutet es beinah diktatorisch an, wenn ein Einzelner Gesetzesinitiativen eigenmächtig stoppen kann. Das sieht auch Linus Förster (SPD) so, Vizevorsitzender des Europaausschusses im bayerischen Landtag: „Wegen der überbordenden Bürokratie in Europa ist die Zuständigkeit von Frans Timmermans interessant – die Frage ist aber, wie demokratisch das ist.“ Solche Skrupel hat sein CSU-Kollege Manfred Weber nicht: Beim Thema Bürokratieabbau, betont er, „brauchen wir eine mächtige Institution“.
Einig sind sich die beiden aber darin: Die EU soll endlich aufhören, sich ums Kleinklein zu kümmern – wie etwa den Durchmesser der Pizza Napoletana (35 Zentimeter!). „Europa muss die großen Dinge regeln“, fordern Weber und Förster unisoso, die Einzelheiten sollten „vor Ort in den Mitgliedsländern entschieden werden“. Davon, glaubt CSU-Mann Weber, „hängt die Akzeptanz Europas ab“. Bleibt zu hoffen, dass die Vizepräsidenten der Kommission das bei ihrer Aufpasserfunktion berücksichtigen. (Waltraud Taschner)

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