Politik

Hausaufgaben für Seehofer: Theresa Schuster (links) brachte den Ministerpräsidenten in Erklärungsnot.(Foto STK)

16.04.2010

Die künftigen Wähler umwerben

Ministerpräsident Horst Seehofer lädt 300 junge Leute in die Staatskanzlei ein – die sind mitunter kühner als gedacht

Theresa Schuster lässt sich nicht so leicht abwimmeln. Auch nicht, wenn ihr Gesprächspartner der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) ist. Gemeinsam mit ihren Mitschülern aus der Volksschule im oberbayerischen Fuchstal und weiteren acht Schulen nahm die 15-Jährige am Informationstag „Lernort Staatsregierung“ teil. Den Besuch in Ministerien und Staatskanzlei nutzte die Schülerin allerdings nicht nur, um Landespolitik(er) kennenzulernen, sondern auch um ein persönliches Anliegen vorzubringen. Vor einem Jahr hat sie an der Demonstration „Das raubt uns Milchbäuerinnen den Schlaf“ vor der Staatskanzlei teilgenommen. „Warum hat man uns damals nicht erlaubt, im Hofgarten zu übernachten?“, fragte sie Bayerns Regenten. Nach kurzer Überlegung – „Stimmt, der ist ja eigentlich öffentlich“ – musste Seehofer passen und zitierte Innenminister Joachim Herrmann (CSU) zu sich. Aber auch der hatte keine Erklärung parat, notierte sich Schusters Fall und will die Erklärung nachliefern. Eine Schülerin, die einem gestandenen Politiker Hausaufgaben aufgibt – da staunten die umstehenden Referenten, Lehrer und Journalisten. Sie staunten noch mehr, als Schuster nachlegte. Diesmal traf es den Landwirtschaftsminister Helmut Brunner (CSU): „Wie konnten Sie es mit Ihrem Gewissen vereinbaren, Milch aus Polen und Italien zu importieren, als die bayerischen Bauern ihre weggeschüttet haben?“, brach es aus der Schülerin heraus. Schusters Familie hat einen Milchbetrieb. Allerdings war die Volksschülerin eine Ausnahme unter den rund 300 Schülern, die an der 21. Veranstaltung dieser Art teilgenommen haben. Die meisten Lernenden an Gymnasien, Realschulen und Volksschulen aus den sieben Bezirken Bayerns reagierten auf die Kabinettsmitglieder ziemlich verschüchtert. Obwohl die Minister sich cool gaben: „Was wollt ihr mal werden?“, „Habt ihr schon Lehrplätze?“, „Wart Ihr im Ski-Lager?“, „Seid ihr Fußballfans?“, lauteten Fragen der Minister und ihrer Staatssekretäre. Seehofer persönlich hatte einen Großteil seiner Regierungsmannschaft zuvor vorgestellt – mit deutlichen Untertönen: „Seit einigen Monaten sind wir in Bayern eine Demokratie. Wir haben nämlich eine Koalition mit der FDP.“ Dennoch stünden die liberalen Kollegen stets zusammen, nichts könne sie trennen. Oder: „Das ist Markus Sackmann, der hat es nicht leicht. Er ist Staatssekretär bei Sozialministerin Christine Haderthauer.“ Dass der rauflustige Umweltminister Markus Söder (CSU) nicht beim Schaulaufen des Kabinetts dabei war, fanden einige Schüler schade. „Irgendwie ist der cool“, bemerkte ein Schüler des Hanns-Seidel-Gymnasiums aus dem unterfränkischen Hösbach. Er und seine Klassenkameraden hatten vormittags Söders Ministerium besucht und wurden von einem Referenten über das Thema Kernenergie informiert. Außerdem brachte man ihnen den Arbeitsalltag des Ministers näher. „Der arbeitet von 6 bis 20 Uhr“, staunte Oliver Schömig. Auch deshalb wäre der Politikerberuf nichts für ihn und seine Klassenkameraden. Sammy Tippe hätte gerne Söders Arbeitszimmer gesehen: „Ging aber nicht, weil er so viel zu tun hatte.“ Viktor Stumpp wiederum hat überrascht, dass die Politiker „so menschlich“ wirkten. Seehofer dürfte das erfreut zur Kenntnis genommen haben: „Wir Politiker sind doch alle nur Menschen, denen ihr Beruf Spaß macht. Die auch mal lachen und entspannen wollen“, hatte er zuvor geflötet. Als dann Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU) vor den Zehntklässlern aus Hösbach stand und wissen wollte, wie es mit dem G8 so laufe, verschlug es den Schülern die Sprache. „Dabei hatten wir schon eine Liste mit Problemen zusammengestellt“, sagte Klassenlehrerin Christiane Ach. Was Spaenle dann von anderen zu hören bekam, klingt zu schön, um wahr zu sein: „Alle Realschüler sind mit Lehrstellen versorgt oder haben einen Platz an BOS/FOS“, bilanzierte er die Gesprächsrunde. Ob die wenigen Einwände der Schüler und die vielen Autogramme, um die Seehofer gebeten wurde, auf breite Zustimmung der jungen Leute für die CSU schließen lassen, steht auf einem ganz anderen Blatt. Die Landtags- und die Bundestagswahl haben jedenfalls gezeigt, dass sich gerade junge Frauen mit den Christsozialen schwer tun. Zumindest ein Pennäler ist für Seehofer bereits verloren. Interessiert steckte der Bub einen Radiergummi ein, auf dem die Staatsregierung für ihr Internet-Jugendportal www.jupo.bayern.de wirbt – um sich sodann als Anhänger der Konkurrenz zu outen: „Wenn ich wählen dürfte, würde ich die Piraten-Partei wählen. Die verstehen wenigstens wirklich was vom Internet,“ sagte der Youngster keck. (Alexandra Kournioti)

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