Politik

Dass CSU-Führungsleute mit Anwälten aufeinander losgehen, ist neu in der Geschichte der Christsozialen. Erwin Huber nennt es dennoch "ganz normal", dass Finanzminister Georg Fahrenschon eine Wirtschaftskanzlei eingeschaltet hat, die Schadensersatzansprüche gegen ihn und andere prüft. (Foto: ddp)

15.01.2010

"Die Landesbankspitze war die treibende Kraft“

Ex-CSU-Chef Erwin Huber über seine Rolle beim Kauf der Hypo Alpe Adria, die Zukunft der Landesbank und das finanzpolitische Renommee seiner Partei

BSZ: Herr Huber, waren Sie als Verwaltungsrat der Landesbank zu nachlässig, als es um den Kauf der Hypo Alpe Adria ging?
Erwin Huber: Nein. Der Verwaltungsrat ist damals dem Vorschlag des Landesbank-Vorstands gefolgt, der den Kauf der Bank einstimmig befürwortet hat. Es lagen außerdem zwei Bewertungen von unabhängigen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften vor: Ernst & Young und Rothschild. Bei Ausübung dieses Mandats habe ich allein die Interessen des Freistaats Bayern und seiner Bürger im Blick gehabt und alle verfügbaren Informationen und Empfehlungen gewissenhaft genutzt.
BSZ: Finanzminister Georg Fahrenschon scheint Zweifel an Ihrer Sorgfalt zu haben. Jedenfalls hat er eine Wirtschaftskanzlei damit beauftragt, Schadenersatzansprüche zu prüfen.
Huber: Es ist ganz normal, dass hier geprüft wird. Das bezieht sich auf viele Beteiligte. Auch die Landesbank-Kommission des Landtags hat ja im Frühjahr ein entsprechendes Gutachten in Auftrag gegeben. Der Landtag wird einen Untersuchungsausschuss einrichten. Ich werde dabei Rede und Antwort stehen und meinen Teil beitragen zur Klärung der Vorgänge.
BSZ: Sie finden es normal, dass ein Parteifreund anwaltlich gegen Sie vorgeht?
Huber: Ich stehe zu meiner politischen Verantwortung und bin auch deshalb als Finanzminister zurückgetreten. Alles muss geklärt werden.
BSZ: Die von Ihnen genannten Wirtschaftsprüfer waren keineswegs überzeugt, dass die Hypo Alpe Adria ein guter Deal ist. Ernst & Young zumindest hatte erhebliche Zweifel.
Huber: Die Vertreter der Wirtschaftsprüfungsgesellschaften waren damals bei den Verwaltungsratssitzungen zugegen, ebenso die Bundesbank und die Bankenaufsicht. Die Kaufentscheidung ist intensiv diskutiert worden. Niemand hat seinerzeit vom Kauf abgeraten. Ob es in diesem Zusammenhang zu kriminellen Handlungen kam, ermittelt die Staatsanwaltschaft. Das war jedenfalls seinerzeit in keiner Weise erkennbar.
BSZ: Im Gutachten von Ernst & Young steht wörtlich, dass der Prüfzeitraum von 15 Tagen „nicht sachgerecht“ sei, dass während der Prüfung ständig Ordner ausgetauscht wurden, dass Informationen über Wertpapiere und Derivate, Steuern und Immobilien „unzureichend“ waren. Hat Sie das nicht irritiert?
Huber: Das Gutachten enthielt eine Wertermittlung für die Hypo Alpe Adria; der Kaufpreis liegt in diesem Rahmen. Natürlich war der Ankauf der Hypo Alpe Adria aus heutiger Sicht eine Fehlentscheidung. Damals aber war es eine allseits anerkannte Strategie, die bayerischen Unternehmen, die nach Südosteuropa expandierten, auch als Landesbank zu begleiten. 2007 ist das von der Fachwelt einhellig positiv gesehen worden – übrigens auch von den Sparkassen, einschließlich München und Nürnberg. Ohne deren Zustimmung wäre das Geschäft nicht zustande gekommen.
BSZ: Hat sich die CSU ausreichend für die Landesbank interessiert?
Huber: Der Freistaat hat ja erst seit 2009 die Mehrheit an der Landesbank, bis zu dem Zeitpunkt wurden alle wichtigen Entscheidungen gemeinsam mit den Sparkassen getroffen. Auch deshalb kann man jetzt nicht alles allein den CSU-Verwaltungsräten in die Schuhe schieben, die übrigens qua Amt in den Verwaltungsrat berufen wurden und ihre Vergütung komplett an die Landesstiftung abführen mussten.
BSZ: Finden Sie es denn richtig, dass Politiker qua Amt in den Verwaltungsrat berufen werden?
Huber: Ja. Das hat der Landtag gesetzlich so festgelegt. Der Freistaat ist jetzt praktisch Alleineigentümer der Bank, und natürlich müssen die Eigentumsrechte des Freistaats wahrgenommen werden. Dass Vertreter des Eigentümers im Aufsichts- beziehungsweise Verwaltungsrat sitzen, ist überall üblich.
BSZ: In Österreich gab es schon damals Zweifel an der Seriosität der Hypo Alpe Adria; 2004 haben die Banker sogar eine Bilanz gefälscht, das wurde auch in österreichischen Medien publik gemacht.
Huber: Die HGAA war eine schnell wachsende Bank, die vor dem Kauf gute Gewinne gemacht hat und der eine gute Perspektive bescheinigt wurde.
BSZ: Gab es damals im Verwaltungsrat Kritik an der Höhe des Kaufpreises?
Huber: Der frühere Landesbankchef Schmidt hat kürzlich darauf hingewiesen, dass rund 100 Fachleute den Kaufpreis durchgerechnet haben. Das war bei den Beratungen natürlich ein wichtiger Punkt. Wer die Mehrheit eines Unternehmens anstrebt, muss auch einen so genannten Paketzuschlag berücksichtigen. Wir bewegten uns auf der Grundlage der Wertgutachten und waren durchaus sehr gewissenhaft bei diesem Punkt.
BSZ: Wer war denn die treibende Kraft hinter dem Hypo Alpe Adria-Kauf?
Huber: Das war die Landesbankspitze. Der damalige Vorstand sah in der Expansion eine neue Chance, in Österreich und in Südosteuropa, nach damaliger Sicht auf einem Zukunftsmarkt, Fuß zu fassen. Es ist falsch, wenn der Eindruck erweckt wird, die staatlichen Vertreter im Verwaltungsrat hätten das gegen die anderen durchgesetzt. Wir haben dem zugestimmt, was das Management und auch die Sparkassenseite für richtig gehalten haben.
BSZ: Welche Rolle spielte Edmund Stoiber?
Huber: Das ganze Kabinett und auch CSU und SPD im Landtag haben den Kauf begrüßt und befürwortet. Wie ich jetzt lese, auch der Bundesvorsitzende der Freien Wähler im Vorstand des Sparkassenverbandes. Edmund Stoiber stand zu diesem Kauf; er war aber nach meiner Kenntnis nicht der Urheber dieser Idee.
BSZ: Hinter den Kulissen war er aber kräftig zugange. Stoiber soll in Kroatien Druck ausgeübt haben, damit der Kauf zustande kommt, beziehungsweise, dass die kroatischen Banker ihr Veto zurückziehen.
Huber: Zu diesem Zeitpunkt war der Kaufvertrag schon unterzeichnet. Was die beiden Regierungschefs (Stoiber und der kroatische Premier Ivo Sanader, d. Red.) verhandelt haben, entzieht sich meiner Kenntnis.
BSZ: Und jetzt? Bekommt der Freistaat das Geld irgendwann zurück, das er in die Landesbank gebuttert hat? Mit Zinsen?
Huber: Fakt ist: Die 3,7 Milliarden Euro, die man im Zusammenhang mit der Hypo Alpe Adria leider verloren hat, belasten den Haushalt des Freistaats nicht. Das ist allein in der Bilanz der Landesbank zu verkraften. Das beeinträchtigt natürlich die Werthaltigkeit der Bank, die im Übrigen eine hohe Eigenkapitalquote hat.
BSZ: Wenn man die Bank mal verkaufen will, macht sich das nicht gut.
Huber: Natürlich. Aber die Landesbank ist eine Bank, die im operativen Geschäft gute Gewinne macht: Im letzten Jahr hat sie bis November 766 Millionen Euro erwirtschaftet.
BSZ: Was ist mit den 10 Milliarden, die der Freistaat der Landesbank vor einem Jahr überwiesen hat, um die Verluste im Rahmen der Finanzkrise auszugleichen?
Huber: Mit den 10 Milliarden Euro hat der Freistaat das Eigenkapital der Bank aufgestockt, das durch faule US-Anlagen beeinträchtigt war. Der Staat hat damit außerdem bis auf einen kleinen Rest die Beteiligung der Sparkassen gekauft, auch um sie und die Kommunen von Belastungen freizustellen. Ein Teil davon firmiert als stille Einlage und muss verzinst werden. Was zurückkommt, sieht man erst bei einer Privatisierung, einem Verkauf oder einer Fusion in der Zukunft. Das hängt auch von der weiteren Ertragsentwicklung ab.
BSZ: War es ein Fehler, der Landesbank 2003 qua Gesetzesänderung die Möglichkeit zu verschaffen, sich auf dem Weltmarkt zu betätigen?
Huber: Neu war das nicht; schon vorher gehörte das gesetzlich zum Tätigkeitsbereich der BayernLB. Mit dem Wegfall der Staatshaftung war allerdings eine strategische Neuausrichtung erforderlich. Die Landesbank hatte ja dann nicht mehr den Staat im Rücken und musste sich selbst um ihre Wettbewerbsfähigkeit auf dem Markt kümmern. Das war damals im Landtag auch die Meinung der SPD. Unsere bayerische Wirtschaft braucht auf den Exportmärkten eine bankmäßige Begleitung. Das war auch im Sinn der Sparkassen – die sich aufs Inlandsgeschäft beschränken und einen Partner brauchen für Großkredite oder das Auslandsgeschäft.
BSZ: Braucht der Freistaat überhaupt eine Bank?
Huber: Dass Bayern eine Landesbank hat, ist historisch bedingt, wie in anderen Bundesländern auch. Aber natürlich gehört es im Grunde nicht zur Aufgabe des Staates, eine Bank zu betreiben. Ich habe als Finanzminister bereits Anfang 2008 erklärt, dass wir zu strukturellen Veränderungen bereit sind: Fusionen, Privatisierung, Verkauf des Staatsanteils an die Sparkassen. Wegen der Unklarheit über Verluste aus US-Papieren kam das dann jedoch leider nicht voran. Noch bis September 2008 gab es ganz konkrete und aussichtsreiche Verhandlungen mit privaten Anteilseignern.
BSZ: 85 Prozent der Bürger glauben, dass die Bankenaffäre der bayerischen Regierung massiv geschadet hat. Wie will die CSU ihr finanzpolitisches Renommee zurückgewinnen?
Huber: Die Finanzkompetenz der CSU basiert nicht auf der BayernLB. Sie kommt daher, weil Bayern über Jahrzehnte und auch heute die beste Finanzsituation aller Länder hat. Das ist schließlich der Grund, warum wir am meisten in den Länderfinanzausgleich zahlen müssen. Was das Desaster Landesbank betrifft: Wir müssen den Bürgern Ursachen und Zusammenhänge umfassend erklären. Wir müssen uns dem stellen. Es bringt auch nichts, so zu tun, als ob es eine alte und eine neue CSU gäbe. Die Menschen sehen die CSU als Gesamtheit. Im Übrigen müssen wir im politischen Wettbewerb durch Sacharbeit Vertrauen zurückgewinnen.
Interview: Waltraud Taschner

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