Politik

News aus Bayern – regionale Blogs spielen auch im Freistaat eine immer wichtigere Rolle. (Foto: getty)

03.01.2014

Die neue vierte Macht?

Immer mehr bayerische Politiker betreiben Blogs, ebenso wie Journalisten und Privatleute – wer davon profitiert

Viele juristische Auseinandersetzungen hat der Regensburger Journalist Stefan Aigner, 40, schon wegen seiner kritischen Berichte geführt, unter anderem stritt er sich mit dem Rüstungskonzern Diehl, dem Möbelhaus XXXLutz, der Diözese Regensburg und der Partei „Die Freiheit“. Jeden Prozess hat er bisher gewonnen, seine Darstellungen waren für die Betroffenen zwar unangenehm, aber korrekt. Aigner schreibt nicht etwa für die Mittelbayerische Zeitung, die führende Regensburger Lokalzeitung. Er veröffentlicht seine Artikel auf seinem Blog Regensburg Digital, seit mehr als fünf Jahren. Die Süddeutsche Zeitung schrieb im vergangenen Jahr über ihn, sein Beispiel zeige, dass regionale Blogs eine ernsthafte Konkurrenz für die Presse vor Ort werden können.
Betrachtet man die Geschichte von Stefan Aigner, dann könnte man denken, Autoren von Blogs – von Webseiten also, auf denen regelmäßig neue Inhalte erscheinen – hätten in Bayern eine große gesellschaftliche Bedeutung. Doch ist das wirklich so?
Eine eindeutige Antwort gibt es nicht. Alex Burger, Sprecher der bayerischen Grünen, ist überzeugt: „Für die tagesaktuelle Politik sind Blogs gegenüber den anderen Social-Media-Kanälen Facebook und vor allem Twitter von untergeordneter Bedeutung.“ Anders sehe es aus, wenn es um langfristige und grundlegende politische Fragen gehe. „Da bieten Blogs eine gute Möglichkeit, Gedanken und Ideen grundlegender auszuführen und im interessierten Kreis zu diskutieren.“
Politik? Spielt in den meisten Blogs keine Rolle
Für den freien Journalisten und Leiter der Fachgruppe Online-Journalismus im Bayerischen Journalistenverband (BJV), Thomas Mrazek, steht außer Frage, dass Blogs eine wichtige Rolle spielen. „Egal ob in Bayern oder auf Bali – Blogs sind eine Bereicherung für die soziale Vielfalt.“ Besonders in Ländern mit eingeschränkter Pressefreiheit seien Blogs unentbehrliche Medien. Aber auch in Bayern seien Blogs absolut notwendig, findet Mrazek. „Die bayerische Medienlandschaft befindet sich derzeit – wie die deutsche – in einer Krise: Redaktionen bauen Personal ab, erhöhen den Arbeitsdruck auf die Mitarbeiter, und immer mehr freie Journalisten müssen mit prekären Arbeitsverhältnisse zurechtkommen. In dieser Krise hat die Meinungsvielfalt in Bayern drastisch abgenommen. Da braucht es dringend Impulse von unabhängigen Blogs.“ Solche Impulse allerdings würden leider noch viel zu selten kommen, die bayerische Bloglandschaft sei ausbaufähig.
Handfeste Informationen über Blogs in Bayern gibt es nicht, Studien über die Bloggerszene im Freistaat existieren nicht. Und es ist nicht einmal bekannt, wie viele bayerische Blogs es überhaupt gibt. Thomas Mrazek schätzt, es könnten zwischen 1000 und 10 000 Blogs sein. Eine Umfrage unter fast 2500 deutschen Bloggern vom Sommer 2013 allerdings sagt auch etwas über die bayerischen Blogger aus. Für die Studie schickten die Betreiber von Rankseller, einer Seite für Blog-Marketing und Blog-Vermarktung, Fragebögen an 48 000 deutsche Blogger, knapp 2500 antworteten. Die wichtigsten Ergebnisse: Nur 17,7 Prozent der Blogbetreiber sind Journalisten. Besonders häufig wird gebloggt über Themen wie Heim und Garten, Erotik und Liebe sowie Gesundheit und Ernährung. Politik kommt im Themen-Ranking der Studie gar nicht vor.
„Trotzdem kann man die deutschen Blogger nicht als gänzlich unpolitisch klassifizieren“, sagt dazu Thomas Mrazek vom BJV. Und: „Journalisten bloggen selten, weil es für sie einfach sehr schwierig ist, Blog-Projekte auf eine vernünftige ökonomische Basis zu stellen. Für ein kritisches Angebot, das auch die ethischen Richtlinien etwa des Deutschen Presserats erfüllt, muss man viel Arbeit investieren, das kann man nicht einfach nebenbei als Hobby betreiben.“
Laut der Rankseller-Umfrage verdienen derzeit 70 Prozent der deutschen Blogger mit ihrem Angebot Geld. Davon leben können aber nur die wenigsten: Bei 63,5 Prozent liegt der monatliche Verdienst unter 300 Euro, nur 13 Prozent der Blogger verdienen über 1000 Euro. Zu Letzteren gehört auch Stefan Sichermann aus Fürth, der in seinem sehr erfolgreichen Satire-Blog Der Postillon erfundene Nachrichten zum Weltgeschehen präsentiert. Von Blogs mit journalistischem Inhalt kann kaum jemand leben. Auch Stefan Aigner, der Betreiber von Regensburg Digital, hat einen Nebenjob: Samstags jobbt er in einem Plattenladen.
Doch nicht nur Privatleute betreiben im Freistaat Blogs. Auch die bayerischen Politiker bloggen eifrig, zum Beispiel Margarete Bause, Fraktionsvorsitzende der Grünen in Bayern, und Florian Ritter, netzpolitischer Sprecher der SPD. Die Grünen haben sogar 2006 den Verein „Netzbegrünung“ gegründet, der Blog-Neugründungen von Grünen unterstützt, die SPD hat den „Web-O-Mat“ geschaffen, mit dem Mitglieder und Ortsverbände unter anderem Blogs einrichten können. „Unbestreitbar wichtig sind die Blogs als Zugang zu Mitgliedern und Interessierten einer Partei“, sagt Doris Aschenbrenner, netzpolitische Sprecherin der Bayern-SPD. „Auch als Interaktionsplattform bei Wahlkämpfen oder bei strittigen Themen haben sich Blogs sehr bewährt.“
Aus dem gleichen Grund motivieren die großen Medienunternehmen ihre Redakteure zu bloggen, auch sie wollen keine Entwicklung verpassen und in allen Social-Media-Kanälen präsent sein. Der Bayerische Rundfunk zum Beispiel betreibt allein 22 Webblogs. BR-Redakteure twittern außerdem, mehrere Sendungen haben ein eigenes Facebook-Profil, andere einen eigenen Youtube-Channel. Ulrike Herm aus der Redaktion Telemedien des Bayerischen Rundfunks und zuständig für die BR-Blogs, ist zudem überzeugt, dass Blogs in Zukunft wichtiger werden: „Blogs haben bei uns zwar noch lange nicht den Stellenwert wie im US-amerikanischen Raum, wo sie fast so intensiv wie Webseiten von konventionellen Medien konsumiert werden – aber sie sind im Kommen.“
(Veronika Frenzel)

Kommentare (1)

  1. Journalisten-bloggen am 05.01.2014
    Blogs haben zwar häufig einen Bezug zu Social-Media, sind aber nicht Teil von Twitter, Facebook & Co. Politische Blogs, von Journalisten verfasst, sind andererseits schon längst mehr als nur "ungeliebte Peripherie" unserer digitalen Medienlandschaft, auch wenn sie in ihrer Vielfalt noch nicht unbedingt wirtschaftlich zu den etablierten Medien gehören. Streben sie das an? Diese Blogszene hat in erster Linie sicherlich keine, bis wenig wirtschaftliche Ambitionen. Allerdings gilt schon heute, gelesen wird, wer gut ist. Indirekt ist für bloggende Journalistinnen und Journalisten der Aufwand durchaus lohnenswert. Wer seine Zielgruppen findet, hat sehr schnell einen Namen. Das spricht sich herum. Zahlreiche "Blogger" werden um Meinungsbeiträge etablierter Medien gebeten, schreiben für Zeitungen, sind oft unabhängiger Teil der Redaktionen. Dieser Aspekt kommt mir in Ihrem ansonsten lesenswerten Beitrag zu kurz. Medien sind heute in ihrer Bedeutung nicht mehr zu trennen, nach Print, TV, Radio, Online, Magazin. Das ist im neuen Journalismus ein Geben und Nehmen. Man profitiert nicht nur voneinander, es ist oft ein gegenseitiges Befruchten. Sie sprechen es an, es gibt leider keine verlässlichen Studien, die uns mehr über die Entwicklung verraten. Vergleich mit den USA hinken. Wir haben eine andere Medienkultur, die spiegelt sich auch in unseren Weblogs. Journalisten antworten nicht unbedingt gerne auf Marketing-Umfragen, deshalb scheint mit die von Ihnen zitierte Rankseller-Studie wenig aufschlussreich. Sollte Ihr Beitrag mit dazu beitragen, dass sich dies mittelfristig ändert, werde ich gerne einer der Ersten sein, die darüber informieren.
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