Politik

Demonstration der Legida-Bewegung in Leipzig. (Foto: dpa)

30.01.2015

Die rechten Spalter

Die selbsternannte Volksfront von Pegida bröckelt zunehmend – manchen Islamgegnern sind die Dresdner schlicht nicht radikal genug

Es waren schreckliche Bilder, die in der vergangenen Woche aus Leipzig kamen: Treibjagden auf Journalisten und politische Gegner vor den Augen der Polizei und Tausende Rechtsradikale, die hasserfüllt „Lügenpresse“ oder „Wir kriegen euch alle!“ skandierten. Bis zu 15 000 Menschen waren dem Aufruf von „Leipzig gegen die Islamisierung des Abendlandes“ (Legida) gefolgt, nicht wenige davon waren Experten zufolge offen bekennende Neonazis.
Damit ist Legida der mit Abstand größte Pegida-Ableger. Denn in den meisten Städten bringt Pegida bestenfalls ein paar hundert oder sogar nur einige Dutzend Aktivisten auf die Straße. Dennoch proklamieren Pegida-Anhänger in sozialen Medien gerne, ihre Bewegung habe Hunderttausende, wenn nicht sogar Millionen Sympathisanten, die gemeinsam das Abendland retten wollten.

Pegida ist vielerorts heillos zerstritten

Doch mit der viel beschworenen Einheit ist es nicht weit her: Pegida ist in vielen Regionen aufgrund von Richtungsstreitigkeiten und persönlichen Animositäten längst heillos zerstritten. So ging die in Dresden ansässige Pegida-Führung schon vor den jüngsten Ausschreitungen ganz klar auf Distanz zum Leipziger Ableger. Das Organisations-Komitee bedauerte Stunden vor der Leipziger Demo, dass Legida sich nicht zum Forderungskatalog von Pegida Dresden bekenne. „Alles, was heute Abend in Leipzig gesagt und gefordert wird, ist nicht mit uns abgesprochen. Das kann sich für die einheitliche Wahrnehmung unserer Bewegung als kontraproduktiv erweisen“, schrieb sie auf Facebook. Man prüfe daher eine Unterlassungsklage.
Ein Schritt, der sich schon länger abzeichnete: Schließlich gilt Legida als radikaler und noch stärker von Ausländerhassern unterwandert als Pegida Dresden. Am heftigsten bekämpfen sich Pegida-Funktionäre in Nordrhein-Westfalen. Dort streiten AFD-Sympathisanten und rivalisierende Rechtsextreme seit Wochen erbittert darum, wer unter dem Namen Pegida in den Großstädten an Rhein und Ruhr demonstrieren darf. Zwischenzeitlich wurden dort wegen des Streits sogar Kundgebungen abgesagt und mehrere lokale Pegida-Auftritte bei Facebook vom Netz genommen. So hatte sich Pegida NRW zuletzt nach heftigem Streit von seiner Pressesprecherin getrennt. Diese hatte einem TV-Sender zuvor gesagt, es sei „unerheblich, ob es den Holocaust gegeben hat“ und damit für Streit innerhalb von Pegida-NRW gesorgt.
Die Frau, die für eine Stellungnahme nicht erreichbar war, war laut einem Bericht der Ruhrbarone schon in den 90er-Jahren in rechtsradikalen Organisationen wie den „Deutsche Nationalisten“ und der „Kameradschaft Recklinghausen“ aktiv. Später soll sie im Landesvorstand der Jungen Nationaldemokraten, der Jugendorganisation der NPD, gesessen haben. Die Ex-Pressesprecherin organisiert nun ebenfalls Pegida-Märsche, allerdings keine offiziellen mehr. Die Teilnehmer einer Düsseldorfer Pegida-Demo forderte sie gerade erst auf, kleine Grabkerzen mitnehmen, „als Zeichen dafür, dass wir nicht wollen, dass Deutsche zu Grabe getragen werden“.
Die selbst ernannte rechte Volksfront bröckelt allerorten: Vergangene Woche haben sich auch die „Hooligans gegen Salafisten“ (Hogesa) klar von Pegida distanziert. In einem auf der Internetseite von Hogesa veröffentlichten Brandbrief hagelte es heftige Vorwürfe. Die Pegida-Bewegung sei „vom Staat geschaffen“ worden, mutmaßen die Hogesa-Aktivisten. Man habe sich früh gewundert, wie gut organisiert die Bewegung vorgehe. „Wo kommt das Geld dafür her, und warum hat es die Pegida so leicht?“, heißt es in dem mit „Pegida die Wahrheit“ titulierten Schreiben. Zudem würden sich die Pegida-Ordner nicht gerne fotografieren lassen. „Hat der Staat seine Leute als Ordner eingeschleust?“, fragt Hogesa deshalb.
In weiten Teilen wirkt die Analyse der Hooligans krude und trieft vor Verschwörungstheorien. So heißt es darin etwa, der Salafismus werde „durch die Politik und Wirtschaftlobbys gesteuert und unterstützt“. Bislang hatte Hogesa teilweise zur Teilnahme an Pegida-Demos aufgerufen, auch wurden Hooligans bei Pegida-Märschen gesichtet.
Hogesa hatte im vergangenen Oktober für Schlagzeilen gesorgt, als es bei einer Demo von Tausenden Fußball-Rowdys zu massiven Krawallen kam. Auch gibt es offenbar gute Verbindung der Organisation nach Bayern. So hatte im November der Münchner Rechtspopulist Michael Stürzenberger bei einer Hogesa-Demo in Hannover vor 3000 Menschen gesprochen.
Experten zufolge dürfte der Zulauf für die rechten Aufmärsche von Pegida sowie dessen inoffiziellen und offiziellen Ablegern nicht zuletzt aufgrund der zunehmenden Streitereien bald abnehmen. Die erreichten in dieser Woche einen neuen Höhepunkt: Weite Teile des Dresdner Organisationskomitees von Pegida, darunter auch Vize-Chefin Kathrin Oertel, traten zurück. Angeblich habe sich Pegida-Gründer Lutz Bachmann nach dem Bekanntwerden seiner rassistischen Äußerungen nun doch nicht ganz aus der Spitze zurückziehen wollen. Auch die Leipziger Krawalle könnten Wirkung zeigen – Pegida-Anhänger aus dem bürgerlichen Lager könnten deshalb künftig vermehrt den Demos fernbleiben.

„Man muss Pegida nun komplett neu bewerten“

Der RBB-Journalist und Rechtsextremismus-Experte Olaf Sundermeyer rechnet jedenfalls damit, dass sich die Teilnehmerzahl deutlich verringern wird. „Nach der vergangenen Woche muss man Pegida komplett neu bewerten. Viele der Unentschlossenen und aus der bürgerlichen Mitte werden sich gut überlegen, ob sie sich dieser Bewegung noch mal anschließen werden.“
Und auch bei Facebook, wo Pegida bereits über 150 000 Unterstützer hat, hat der Zuwachs an Fans jüngst deutlich an Dynamik verloren. Zuletzt kamen dort statt wie bislang mehrerer tausend neuer Fans täglich nurmehr mehrere hundert hinzu. „Der Peak ist überschritten“, meint der Hamburger Politikberater Martin Fuchs. Er glaubt die Ursache dafür zu kennen: Weil Medien und Politik die von Pegida gesetzten Themen aufgenommen hätten, würden einige potenzielle Sympathisanten nicht mehr die Notwendigkeit sehen, sich zu engagieren. „Gleichzeitig ist die Ächtung von Pegida durch entsprechende Gegenaktionen mittlerweile sehr groß, so dass Mitläufer abgeschreckt werden.“ (Tobias Lill)

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