Politik

Katharina Schulze soll kommende Woche zur neuen Grünen-Fraktionschefin gewählt werden. (Foto: Andreas Gregor)

10.02.2017

Die Überfliegerin

Die Grünen-Politikerin Katharina Schulze hat eine steile Karriere hinter sich – kommende Woche soll sie Fraktionsvorsitzende im Landtag werden

Eines kann Katharina Schulze gar nicht gut: abwarten. Entsprechend rasant verläuft die Karriere der Grünen-Politikerin. Jetzt, da Amtsinhaberin Margarete Bause nicht mehr kandidiert, soll die 31-jährige Schulze Fraktionsvorsitzende im Landtag werden. Katharina Schulze will hoch hinaus, daran kann kein Zweifel bestehen. Und in der kommenden Woche, auch das dürfte als gesichert gelten, wird sie die nächste Sprosse ihrer Karriereleiter erklimmen. Denn am Mittwoch stehen im Bayerischen Landtag Wahlen an – wenn auch in kleiner Runde: Die Grünen-Fraktion bestimmt eine neue Vorsitzende, da die bisherige Chefin Margarete Bause wegen ihrer Bundestagskandidatur nicht mehr kandidiert.

Dass die Wahl auf Schulze fallen wird, zeichnet sich schon seit Längerem ab. Gut, das Feld der potentiellen Mitbewerber ist überschaubar, neben Bause und Schulze sitzen nur noch sieben Frauen in der Fraktion. Claudia Stamm, der neben Schulze die größten Chancen eingeräumt worden waren, hat inzwischen abgewunken. Mit einer spontanen Kampfkandidatur ist nicht zu rechnen. Die Hälfte der Fraktionsmitglieder darf ohnehin nicht antreten, die Männer sind schon mit Ludwig Hartmann in der Fraktionsspitze vertreten.

Sich hinten anstellen ist nicht Schulzes Art

Die in Freiburg geborene und in Herrsching aufgewachsene Wahlschwabingerin hat eine sehr rasante politische Karriere hinter sich: Gerade mal in die Partei eingetreten, übernahm sie 2009 den Vorsitz der Grünen Jugend München und wurde Mitglied im Parteirat der bayerischen Grünen. Keine zwei Jahre später war sie bereits Chefin der Münchner Grünen, und noch mal zwei Jahre später zog sie in den Landtag ein – als zweitjüngste Abgeordnete.

Aber auch das Parlament war ihr nicht fremd. Während des Psychologie- und Politologiestudiums hatte sie schon bei der Abgeordneten Theresa Schopper gejobbt. Sich hinten anstellen ist jedoch nicht Schulzes Art, schon jetzt ist sie stellvertretende Fraktionsvorsitzende und sitzt im Innen- und Rechtsausschuss des Parlaments. „Das ist meine erste Legislatur“, sagt sie, „und ich bin jetzt schon ungeduldig.“

Dennoch strahlt die quirlige 31-Jährige Lebensfreude und Zuversicht aus. Vielleicht liegt es am Kakao, den sie so gern trinkt, der soll ja glücklich machen. Vielleicht liegt es aber auch an den erheblichen Erfolgen, die sie in der Kürze ihrer Laufbahn bereits feiern konnte – was sie von anderen Angehörigen der bayerischen Opposition unterscheidet. Als Olympiagegnerin brachte sie zunächst die Bundespartei gegen den Willen der damaligen Parteichefin Claudia Roth auf ihre Seite und dann den Bürgerentscheid mit auf den Weg, bei dem sich die Münchner 2013 gegen eine Olympiabewerbung aussprachen. Zudem war sie das Gesicht des Protests gegen die dritte Startbahn am Münchner Flughafen. Auch hier stimmten die Münchner beim Bürgerentscheid 2012 mit „Nein“.

Kaum in den Landtag gewählt, sorgte Schulze mit einer gänzlich anderen Aktion für Aufsehen. Gemeinsam mit ihrem Fraktionskollegen Sepp Dürr verhüllte sie das Trümmerfrauen-Denkmal am Münchner Marstallplatz. „Den Richtigen ein Denkmal, nicht den Alt-Nazis“, stand auf dem braunen Tuch. Ihre Kritik: Mit dem Denkmal werde Geschichtsklitterung betrieben. Es seien in München schließlich in erster Linie ehemalige Nazis gewesen, die die Aufräumarbeiten unmittelbar nach dem Krieg hätten erledigen müssen. Mit der Aktion lösten Schulze und Dürr eine Debatte über den Trümmerfrauen-Mythos aus.

Derzeit ist Schulze innenpolitische Sprecherin ihrer Fraktion, ihr Schwerpunkt ist Rechtsextremismus, aber es gibt wenige Themen, zu denen sie nichts zu sagen hat. Kaum eine Woche vergeht, in der sie nicht mindestens eine Pressemitteilung verschickt, kaum ein Tag, an dem sie nicht mindestens ein halbes Dutzend Tweets absetzt. Da geht es dann um Bürgerbeteiligung, Datenschutz, Reichsbürger, Polizeischulungen, aber auch um Tierschutz oder den Ausgleichsfonds der Wittelsbacher.

Wem das nicht reicht, der kann einen Newsletter abonnieren, in dem Katharina Schulze über ihre Arbeit informiert. Und dann sind da natürlich die Videoclips. Schulze ist die erste aktive Youtuberin des Landtags. 111 Videos finden sich schon in ihrem Kanal, nicht nur ihre Landtagsreden, sondern auch selbst gedrehte Beiträge. In der Serie „Landtags-ABC“ erklärt sie den parlamentarischen Arbeitsalltag, in „Katha aktuell“ nimmt sie Stellung zu aktuellen politischen Themen. Meist bewegen sich die Besucherzahlen zwar noch im niedrigen dreistelligen Bereich, entmutigen lässt sich die Filmchenmacherin davon aber nicht.

Parteifreunde nennen sie schon mal „karrieregeil“

In der eigenen Partei ist das dem einen oder anderen auch mal zu viel der Umtriebigkeit. Hinter vorgehaltener Hand wird dann gelästert, das Wort „karrieregeil“ fällt, und schnell steht der Verdacht im Raum: Die will doch eh nur nach Berlin statt auf Dauer das harte bayerische Oppositionsdasein zu fristen. Und zwar auf der Überholspur.

Ja, die Opposition! Warum tut man sich in Bayern so was an? Schulzes Sprechgeschwindigkeit verdreifacht sich auf einmal. Als müsse ein Gefühl, das nicht sein darf, sofort niedergerungen werden. „Natürlich habe ich mir darüber schon oft Gedanken gemacht“, sagt sie. Aber: Man dürfe doch nicht aufgeben, nicht einfach vor der CSU kapitulieren. Und es stimme ja auch nicht, dass man aus der Oppositionspolitik heraus nichts bewegen könne. Man denke doch nur mal an außerparlamentarische Erfolge wie die Bürgerentscheide zu den Themen Olympia und dritte Startbahn. Und auch im Landtag würden Anträge der Opposition von der CSU zwar regelmäßig abgeschmettert, dann aber von ihr selbst leicht verändert wieder eingebracht.

„Ich kann Ihnen jetzt keine Jahreszahl nennen, aber ich denke schon, dass unsere Werte verfangen“, sagt Schulze. Und Prognosen für die Landtagswahl 2018 abzugeben, dafür sei es ohnehin viel zu früh. In der Parteienlandschaft sei derzeit so viel in Bewegung. Man wisse ja noch nicht mal, welche Parteien im nächsten Landtag vertreten seien. Eventuell seien die Karten dann ja wieder ganz neu gemischt.
Und in der Tat: Laut Umfragen hätten die Grünen aktuell mit 13 Prozent ein recht passables Ergebnis. Nur noch ein Prozentpunkt trennt sie derzeit von der ehemaligen Volkspartei SPD. Vielleicht zeichnet sich da für Schulze ja schon der nächste Schritt auf der Karriereleiter ab: Oppositionsführerin. (Dominik Baur)

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