Politik

18.05.2018

Die Ungerechtigkeit geht weiter

Ein Kommentar von André Paul

Gerecht waren die Straßenausbaubeiträge auch in der Zeit ihres Bestehens nie. In Unterfranken wurden sie von mehr als 90 Prozent der Kommunen kassiert, in Niederbayern von weniger als 40 Prozent. Es mag also viele Bürger gegeben haben, die nach der Ankündigung der CSU-Landtagsfraktion, darauf verzichten zu wollen (konkret beschlossen ist auch nach einem Monat noch nichts), hofften, nun ginge es fairer zu.

Vielleicht haben sich die Leute geirrt. Denn die Ungerechtigkeit geht weiter: durch den willkürlich gewählten Stichtag 1. Januar 2018. Wer seinen Bescheid vorher bekommen hat, muss zahlen, danach bleibt man verschont – unabhängig davon, ob die Baumaßnahme noch andauert oder schon abgeschlossen ist. Doch Bescheide möglichst früh, zum ersten Spatenstich verschicken – das mussten vor allem die armen Gemeinden. Die brauchen gegenüber der Rechtsaufsicht die Garantie solcher Beträge, um einen Haushalt genehmigt zu bekommen. Wohlhabendere Kommunen konnten dagegen schon immer warten, bis die Straße fertig ist. Gleichwertige Lebensverhältnisse geht anders. Die Staatsregierung sollte hier nachbessern.

Für manche Familien existenzgefährdend

Das wäre auch aus zwei weiteren Gründen geboten. Zum einen dürfte auf viele Immobilienbesitzer bald eine zusätzliche finanzielle Belastung zukommen durch die vom Bundesverfassungsgericht angemahnte Änderung bei der Grundsteuer. Die bisherigen Sätze waren völlig überaltert, mithin zu niedrig. Die Finanzminister im Norden und Osten fordern bereits einen „Gerechtigkeitsfaktor“ – also vergleichsweise höhere Beiträge für Eigner in Bayern und Baden-Württemberg.

Zum anderen hätte der Freistaat genug Mittel. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hat in seiner Regierungserklärung eine Milliarde Euro versprochen für sein Programm, das vor allem Familien, der Landespflege und der Forschung zugutekommen soll. Warum zeigt er sich dann bei einer Summe von rund 65 Millionen Euro so knausrig? So viel nehmen alle Kommunen zusammen pro Jahr an Straßenausbaubeiträgen ein. Dem Regierungschef stünde es gut an, hier großzügiger zu sein. Zumal die Straßenausbaubeiträge für einzelne Familien mit 50 000 Euro und mehr sogar existenzgefährdend werden kann.

Kommentare (1)

  1. MartinMaier am 20.05.2018
    Schade, mit keinem Wort wird erwähnt, dass die Straßenausbaubeiträge erst nach massivem Druck durch die Freien Wähler abgeschafft werden sollen. Wer Parlamentsdebatten aufmerksam verfolgt, der konnte zusehen, wie die CSU-Abgeordneten noch vor wenigen Monaten im Landtag alle verspottet haben, die für eine Abschaffung plädierten. Und jetzt tut man so, als ob es ein CSU-Erfolg sei - hier wäre ein kritischer Kommentar angebracht gewesen.

    Der Auto hat recht damit, dass Söder anderweitig viel Geld verspricht. Bavaria one wäre noch ein gutes Beispiel. Auch hier fordern die FW eine rückwirkende Erstattung bis 2014 und orientieren sich mit dieser Frist an der rückwirkenden Gültigkeit von Bescheiden. Wieder keine Information hier im Kommentar.

    Mir ist bewusst, dass Kommentare die Meinung des Autors wiedergeben und keine Berichterstattung sind. Aber ein bisschen Rand- und Grundinformation wäre im Zuge journalistischer Sorgfalt schon wünschenswert.
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