Politik

Deutschland liegt bei Computerausstattung und -kenntnissen an den Schulen bestenfalls im internationalen Mittelfeld. (Foto: dpa)

23.12.2016

Digitale Steinzeit

Ein PC für fünf Schüler, überforderte Lehrkräfte: Um die IT-Technik und Vermittlung an Schulen ist es schlecht bestellt

Kaum 20 Jahre ist es her, dass das Internet seinen Siegeszug rund um den Globus angetreten hat, kaum zehn Jahre, dass Smartphones die Kommunikation der Menschheit revolutioniert haben – und schon verabschieden die Kultusminister der Länder eine umfassende Strategie zur Vermittlung digitaler Fähigkeiten an den Schulen der Republik. „Das Lernen im Kontext der zunehmenden Digitalisierung von Gesellschaft und Arbeitswelt sowie das kritische Reflektieren darüber werden zu integralen Bestandteilen des Bildungsauftrags“, erklärt dazu die Präsidentin der Kultusministerkonferenz (KMK), die Bremer Bildungssenatorin Claudia Bogedan (SPD). Bis 2021 sollen möglichst alle Schüler „eine digitale Lernumgebung und einen Zugang zum Internet nutzen können, wenn es aus pädagogischer Sicht im Unterrichtsverlauf sinnvoll ist“.

Das klingt gut, denn aktuell liegt Deutschland bei Computerausstattung und -kenntnissen an den Schulen bestenfalls im internationalen Mittelfeld. Bei der jüngst vorgestellten Timss-Studie belegt das Land in Sachen digitaler Weiterbildung der Lehrer den letzten Platz. Nach einer Erhebung des Bundesforschungsministeriums befassen sich damit nur 1,5 Prozent der Fortbildungsangebote. Daran will die KMK-Strategie nun ansetzen mit Veränderungen bei der Aus- und Fortbildung der Lehrer, einer zügigen Überarbeitung der Bildungspläne für die Schulen und Investitionen in eine leistungsfähige Infrastruktur. Auf mehr Geld haben sich die Minister allerdings noch nicht verständigt.

Auch in Bayern, dem selbst ernannten Bildungsland Nummer 1, lassen sich die Defizite mit Händen greifen. Im Durchschnitt müssen sich fünf Schüler einen PC teilen, vorausgesetzt, diese laufen auch einwandfrei. Schnelle Internet-Anschlüsse gibt es längst noch nicht an jeder Schule. Zwar hat Kultusminister Ludwig Spaenle zu Beginn des Jahres die Initiative „Digitale Bildung in Schule, Hochschulen und Kultur“ gestartet, doch sind darin vorwiegend hehre Ziele, kaum aber konkrete Umsetzungsschritte enthalten. Immerhin ist die digitale Bildung in den für alle Schularten modifizierten „LehrplanPLUS“ aufgenommen worden, im Landesmedienzentrum „mebis“ können Lehrkräfte geeignete Materialien anfordern. Im Kultusministerium verweist man auf eine Studie der Deutschen Telekom Stiftung, nach der rund 70 Prozent der bayerischen Lehrkräfte mindestens einmal pro Woche digitale Medien im Unterricht einsetzen. Oft ist das aber nicht gerade.

Wie es an den Schulen wirklich aussieht, wurde auf einem Digital-Kongress des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbandes (BLLV) im Herbst deutlich. Das System Schule stehe in Sachen Digitailisierung „noch am Anfang des Weges“, hieß es dort. Es fehle an digitalem Unterrichtsmaterial, Lehrkräfte sähen sich ungenügend ausgebildet und die IT-Infrastruktur entspreche vielfach nicht den aktuellen Anforderungen. „Wir haben oft nur einen Lehrer als Systembetreuer mit einer Stunde Anrechnung, der das ganze Jahr über 50 bis 60 PCs warten muss“, klagte BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann. Aus einer Mitgliederbefragung weiß sie, dass zwei Drittel der Lehrer mit der IT-Ausstattung an ihrer Schule nicht zufrieden sind und noch weit mehr Befragte technische und pädagogische Unterstützung vermissen. Fleischmanns Forderungen, die ähnlich vom neuen Vorsitzenden des Philologenverbandes, Michael Schwägerl, unterstützt werden: technische Aufrüstung im Klassenzimmer und systematische Fortbildung der Lehrkräfte in Anwendung und Umgang mit digitalen Medien.

Privathandys im Unterricht? Bayern ist nicht abgeneigt

Die Kommunen als Sachaufwandsträger für die meisten Schulen sehen bei der nötigen digitalen Aufrüstung den Freistaat in der Pflicht. „Das Schulfinanzierungsgesetz stammt noch aus der Zeit von Griffel und Schiefertafel“, stellte jüngst Städtetagsgeschäftsführer Bernd Buckenhofer fest. „Da sich Bayern als High-Tech-Standort versteht, muss sich der Freistaat seiner Mitverantwortung bei der Finanzierung einer leistungsfähigen digitalen Infrastruktur für die Schulen stellen.“

Um zumindest bei den Endgeräten rasch Fortschritte zu erzielen, hat die KMK-Vorsitzende Bogedan vorgeschlagen, Schüler ihre privaten Smartphones und Tablets im Unterricht nutzen zu lassen – schon allein wegen der hohen Verbreitungsquote in Schülerhand. Im bayerischen Kultusministerium ist man nicht abgeneigt. Smartphones und Tablets könnten einen „didaktischen Mehrwert“ schaffen und bisherige Methoden erweitern, ihr Einsatz im Unterricht obliege der pädagogischen Verantwortung der Lehrkräfte. Kritiker des Mitbringsystems stellen aber die Frage der Chancengleichheit, wenn Schüler aus betuchtem Elternhaus jeweils das neueste Smartphone einstecken haben, während andere schon froh sind, ein altes Modell mit begrenzter Leistung nutzen zu können. „Da müssen wir aufpassen, dass die soziale Schere nicht weiter aufgeht“, warnte BLLV-Chefin Fleischmann.

Grundvoraussetzung für den Einsatz mobiler Endgeräte ist die Installation von breitbandig verfügbarem WLAN in den Schulgebäuden. An 57 Prozent der weiterführenden Schulen im Freistaat gibt es das bereits. Das Kultusministerium würde einen weiteren Ausbau begrüßen, verweist dabei aber auf die Zuständigkeit der Kommunen. Die würden gerne mehr tun, doch fehlt es oft noch am nötigen Breitbandanschluss und am Geld. WLAN an den Schulen könne deshalb „nur Schritt für Schritt unter wesentlicher Beteiligung des Freistaats“ eingerichtet werden, heißt es beim Städtetag. Auch Fleischmann fände mehr WLAN an den Schulen gut, gebe es doch kaum ein digitales Konzept, das nicht auf das Internet zugeschnitten sei. Sie mahnt aber, den technischen Support dafür nicht wieder Lehrern aufzubürden. Den müsse ein externer Systemanbieter leisten – auch wenn das wieder Geld koste. (Jürgen Umlauft)

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