Politik

Notebook statt Notizen? Bayerns Wirtschaft bevorzugt traditionelles Arbeiten. Das soll sich ändern. (Foto: dpa)

21.04.2017

Drei minus in moderner Technologie

Wenn es um Digitalisierung geht, schaut Bayerns Wirtschaft alt aus: Was sind die Gründe, und wie lässt sich das ändern?

Der rasche digitale Wandel ist eine der größten Herausforderungen für die bayerische Wirtschaft“, sagt Peter Driessen, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer (IHK) für München und Oberbayern. Laut einer aktuellen IHK-Umfrage bewerten kleine und mittlere Unternehmen ihren Digitalisierungsgrad mit einer „Drei minus“. Fast 40 Prozent sehen sich in der unteren Hälfte der Digitalisierungsskala. Als digital voll entwickelt betrachten sich nur sieben Prozent.

„Der Nachholbedarf ist groß“, sagt Rainer Aigner, der vom niederbayerischen Thyrnau aus mittelständische Unternehmen in Software-Fragen berät. Doch warum passiert nichts? Die Wirtschaft brummt. Eigentlich genau die richtige Situation, um in zukunftsfähige Strategie zu investieren. Zudem stehen die Unternehmen seitens des Gesetzgebers unter Zeitdruck, so Aigner.

„Deutschland ist eben kein Software-Land“

Im Mai 2018 tritt die sogenannte EU-Datenschutz-Grundverordnung (EUDS-GVO) in Kraft. Verstöße gegen IT-Sicherheitsvorschriften werden dann deutlich teurer. Was heute zwischen 50 000 und 300 000 Euro kostet, kann ab Frühjahr nächsten Jahres mit 20 Millionen Euro oder vier Prozent des Vorjahresumsatzes zu Buche schlagen. Und ein Verstoß kann schon darin liegen, einen erfolgreichen Hacker-Angriff nicht binnen 72 Stunden offenzulegen. Laut einer Studie der Förderbank KfW haben 80 Prozent der Mittelständler bereits Digitalisierungsprojekte umgesetzt, aber meist nur in geringem Umfang. „Die meisten mittelständischen Unternehmen bauen ihre Digitalisierung zwar aus, gehen dies jedoch überwiegend in kleinen Schritten an“, sagt KfW-Chefvolkswirt Jörg Zeuner.

Rainer Aigner beobachtet immerhin mehr iPads in Handwerksbetrieben: „Vor allem die jüngeren Meister nehmen es gerne mit auf die Baustelle.“ Schwerer tun sich laut Experten mobile Pflegedienste, die ihre Arbeit lieber noch mit dem Kugelschreiber dokumentieren. „Oft liegt es auch daran, dass das Digitale nicht Teil der Ausbildung war“, sagt Aigner. Branchen wie Automobilindustrie, Messebau, Lager- und Logistik, in denen der Computer ohnehin zur täglichen Arbeit dazugehört, sind da weiter.

Viele Handwerker schieben das Problem auf die junge Generation ab

Aber in vielen Handwerksbetrieben, Restaurants oder Frisiersalons haben klassische analoge Prozesse nach wie vor die Oberhand. Alteingesessene Maler, Elektriker und Tischler zum Beispiel „stecken oft in ihrem Hamsterrad zwischen Kunden und Aufträgen fest und schieben die Digitalisierung auf die junge Generation ab“, sagt Julia Kasper, die die Tischlerplattform holzgespuer.de im rheinland-pfälzischen Rhens gegründet hat. Kasper kritisiert, dass handwerkliche Ausbildungen kaum digitales Know-how vermittelten und die Lehrlinge deshalb auch im Arbeitsleben zu wenig in digitalen Geschäftsmodellen dächten. „Deutschland ist eben kein Software-Land“, sagt Rainer Stetter schulterzuckend. „Unsere Wurzeln sind nicht digital, sondern analog.“ Zudem sei für die deutsche Wirtschaft „die Not noch nicht groß genug“. Der Gründer des Systems-Engineering-Unternehmens ITQ in Garching bei München warnt: Auch Unternehmen wie Blackberry, Nokia und Sony hätten das innovative iPhone am Anfang nicht ernst genommen, bis es ihre eigenen Mobiltelefone rasant verdrängte. „Die Menschen sind auf lineare Effekte getrimmt“, sagt Stetter, also auf langsame Entwicklungen. Digitale Prozesse seien indes häufig mit exponentiellem Erfolg verbunden, also mit immensen Steigerungen.

Die IHK Oberbayern und das bayerische Wirtschaftsministerium haben jetzt die Initiative „Pack ma’s digital“ ins Leben gerufen. Wie bewegt man sich als Unternehmen in den sozialen Medien? Wie speichert man Daten zuverlässig in der Cloud? Wie schreibt man Stellen im Internet aus und steuert papierlose Bewerbungs- und Bestellprozesse? „Jeder teilnehmende Mittelständler soll mit konkreten Impulsen für seinen eigenen digitalen Wandel gerüstet werden“, verspricht Driessen. „Hauptsache, man tut überhaupt etwas“, sagt Rainer Aigner. Auch exponentieller Erfolg beginnt schließlich langsam.
(Jan Dermietzel)

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