Politik

E-Bikes? Gibt’s noch keine im Wirtschaftsministerium. Ressortchefin Ilse Aigner – hier an einer Aldi-Solartankstelle – ließ sich dennoch beim E-Radeln ablichten. (Foto: dpa)

02.02.2018

Ein bisschen Öko reicht nicht

E-Bikes, Solardächer, Bio-Essen: Trotz neuer Strategien kommt die nachhaltige Entwicklung in staatlichen Behörden kaum voran

Das Thema Nachhaltigkeit hat Konjunktur. Damit ist gemeint, dass jede Handlung auf die zukünftigen ökologischen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen hin geprüft wird. Der bayerische Landtag befasste sich diese Woche zum Beispiel mit der Nachhaltigkeit von Hochschulen im Freistaat. Um das Thema voranzutreiben, wurde im Wissenschaftsministerium extra ein Nachhaltigkeitsbeauftragter ernannt. Doch wie ist es um die Nachhaltigkeit in den staatlichen Behörden selbst bestellt? Schließlich haben sie eine Vorbildfunktion. Und eine immense Marktmacht.

Staatliche Beschaffung machte 2017 bundesweit einen Anteil von rund 15 Prozent des Bruttoinlandsproduktes aus. Die Bundesministerien haben sich daher im Rahmen der Nationalen Nachhaltigkeitsstrategie verpflichtet, bis 2020 mindestens 50 Prozent der Textilien aus nachhaltiger Produktion zu beziehen. Die Staatsregierung achtet nach eigenen Angaben bei der Auftragsvergabe wie zum Beispiel der neuen Polizeiuniform ebenso auf soziale, gesundheitliche und ökologische Aspekte.

Doch bisher gehört nachhaltige Entwicklung in der bayerischen Vergabeverordnung trotz der bayerischen Nachhaltigkeitsstrategie nicht zu den Vergabegrundsätzen. „Aus unserer Erfahrung wird der günstigste Preis als Alleinstellungskriterium angewendet“, kritisiert Martin Wittau von der Bundesvereinigung Nachhaltigkeit. Er fordert, die Teilnahme an öffentlichen Ausschreibungen an den Nachweis nachhaltiger Unternehmensführung zu knüpfen. In Irland ist dafür zum Beispiel eine Zertifizierung im Arbeitsschutz eine der Grundvoraussetzungen.

Andere Bundesländer haben sich verpflichtet, bis 2030 klimaneutral zu arbeiten

Inzwischen achten zwar immer mehr staatliche Kantinen in Bayern auf regionale Produkte und ein regelmäßiges Bioangebot. Doch bei der letzten Befragung des Eine Welt Netzwerk Bayern e.V. kamen in nicht einmal der Hälfte regelmäßig Fair-Trade-Lebensmittel zum Einsatz. „Manche Ministerien hatten selbst mehrere Jahre nach unserer ersten Befragung trotz neuer Pachtverträge keine Änderungen vorgenommen“, klagt deren Vorstand Alexander Fonari. Auch das Angebot an vegetarischen Gerichten ist ausbaufähig. Aktuell erhebt die Staatsregierung selbst, welche Verpflegung ihre Kantinen anbieten.

Bundesländer wie Baden-Württemberg, Hessen oder Rheinland-Pfalz haben beschlossen, dass die gesamte staatliche Verwaltung bis 2030 klimaneutral arbeiten soll – das Bundesentwicklungsministerium peilt sogar 2020 an. Bayern hingegen hat keinen solchen Beschluss, klagt der Landtagsabgeordnete Hans Jürgen Fahn (Freie Wähler). Die Grünen im Landtag fordern, deutlich mehr Mittel in die energetische Sanierung staatlicher Gebäude zu investieren. Immerhin deckt das Wirtschaftsministerium seinen Strombedarf seit diesem Jahr zu 100 Prozent aus Ökostrom der Stadtwerke München. Und auf den Dächern des Maximilianeums stehen Photovoltaik- beziehungsweise Solaranlagen. Auf BSZ-Anfrage gab außer dem Landtag nur das Landwirtschaftsministerium an, eine Photovoltaikanlage zu besitzen.

Luft nach oben ist auch noch in den staatlichen Fuhrparks. Zwar werden immer mehr Elektroautos und Hybridfahrzeuge genutzt. Allerdings waren 2016 nur 0,5 Prozent der Neufahrzeuge Elektroautos – das selbstgesteckte Ziel der Staatsregierung waren 20 Prozent. Die Staatskanzlei hat immerhin eine neue Stromtankstelle, die auch Mitarbeiter für ihre Elektroautos kostenlos nutzen können. Künftig sollen für kürzere Strecken die E-Bikes um elektronische Lastenfahrräder ergänzt werden.

Bei Möbeln und Neubauten wird besonders auf den Einsatz von nachhaltig erzeugten Biokraftstoffen wie Holz geachtet, heißt es aus dem Forstministerium. Dennoch wird aus Kostengründen noch zu häufig auf Plastik oder Beton gesetzt, erzählt Joachim Hamberger vom Verein für Nachhaltigkeit aus Freising. Woher er das weiß? Hamberger ist der Bereichsleiter Forsten im Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in Landau an der Isar. Schuld seien die langfristigen Rahmenverträge. „Versuchen Sie mal jemanden über Nachhaltigkeit zu beraten“, klagt er, „während Sie an einem Plastikschreibtisch sitzen.“ (David Lohmann)

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