Politik

Ob Merkel und Steinbrück sich schon freuen? Gaudibursch Stefan Raab ist beim Kanzlerduell dabei. (Foto: dpa)

09.08.2013

Ein bisschen Spaß muss sein ...

Raab moderiert das Kanzler-Duell, Klum-Model interviewt Spitzenpolitiker - wie viel Show und Klamauk verträgt die Politik?

Manche dachten Anfang Februar, es sei ein Faschingsscherz des ProSiebenSat.1-Beiratsvorsitzenden Edmund Stoiber (CSU). Doch der ehemalige bayerische Ministerpräsident hat sich durchgesetzt: Entertainer Stefan Raab moderiert am 1. September neben arrivierten TV-Journalisten das Kanzler-Duell. Stoiber hofft, damit mehr Jungwähler und Politikverdrossene vor den Bildschirm zu locken. „Gerade junge Leute müssen wir verstärkt erreichen und ihnen auch in ihrer Sprache deutlich machen, dass allein mit Privatleben ihre Probleme nicht zu lösen sind.“
Spannend wird, welche Sprache Raab an dem Abend wählen wird. In seiner ProSieben-Politikerrunde Absolute Mehrheit jedenfalls geht es ihm weit weniger um Inhalt als um den eigenen Spaß. Der Erfolg bei den Zuschauern hält sich in Grenzen, die Einschaltquoten sind mies. „Das zeigt: Klamauk statt schlüssiger Argumentation funktioniert nicht“, sagt Thomas Leif, Journalist und Professor für Politologie an der Uni Koblenz-Landau, der Staatszeitung. Dennoch ist er überzeugt: Raabs Polit-Engagement sei nur ein Vorbote des Trends, dass Politikvermittlung immer stärker mit Comedy- und Entertainment-Elementen unterlegt wird. Ein Trend, den Leif, Autor der Studie „Wahlkampf im medialen Tunnel“, mit Grauen verfolgt: „Der Ernst über wichtige Zukunftsfragen bleibt auf der Strecke.“

Seltsame Moderatoren


Tatsächlich befeuern vor allem die Privaten die Entertainisierung der Politik. RTL setzt in Meine Wahl Peer Steinbrück (18. 8.) und Angela Merkel (25.8.) mit Bürgern an einen Tisch. Ebenfalls mit von der Partie sind Let’s dance-Juror Joachim Llambi und Restauranttester Christian Rach. Noch skurriler mutet die Idee von ProSieben an: In Task Force Berlin werden Germany’s Next Topmodel-Kandidatin Rebecca Mir, Musiker Gentleman und Schauspielerin Sophia Thomalla ab dem 26. 8. auf Spitzenpolitiker wie Steinbrück, Peter Altmaier (CDU) und Daniel Bahr (FDP) losgelassen. Die Show wird von der Bundeszentrale für politische Bildung  unterstützt, die mit der „niedrigschwelligen Ansprache via TV“ auch „bildungsbenachteiligtes Klientel“ erreichen will. Die Bundesminister Altmaier und Bahr  begründen ihre Teilnahme auf BSZ-Anfrage damit, dass sie  Menschen animieren wollen, ihr Wahlrecht zu nutzen. Dass  mit solchen Shows tatsächlich politisch Desinteressierte an die Wahlurne gebracht werden, bezweifelt Journalist Leif. „Das ist eine reine Form des Anbiederns, die Bedeutung politischer Entscheidungen aber wird nicht vermittelt“, sagt er.

Politik ist mehr als Parteiengeschacher


Bei der Bundestagswahl 2009 war die Wahlbeteiligung mit knapp 70 Prozent auf historischem Tiefststand. Bei den unter 25-Jährigen betrug sie 60 Prozent. In Bayern gingen sogar nur 40 Prozent der Jungen zur Landtagswahl 2008. „Jugendliche bleiben zu Hause, wenn sie nicht sehen, dass sie etwas beeinflussen können“, erklärt der Bildungsforscher Klaus Hurrelmann. Deshalb müsse man zeigen, dass Politik weit mehr sei als Parteiengeschacher. Die Idee, auf Showgrößen oder Schauspieler als Vermittler zu setzen, finde er „ganz ausgezeichnet“, sagt er. „Sie stellen für  junge Leute glaubwürdige Autoritäten dar. Dazu kommt: „Vermittelt wird auch, dass Politik Spaß machen kann.“
Skeptisch, was den Wert der Politik-Shows angeht, ist Werner Weidenfeld, Professor für Politische Wissenschaft an der LMU München und Direktor des Centrums für angewandte Politikforschung. „Genauso gut könnten Sie einen Politiker auf ein Pferd setzen und ihn Dressurreiten lassen“, sagt er. „Deshalb wird aber keiner mehr Ahnung von Politik haben.“ Auch Weidenfeld glaubt, dass sich die Eventisierung von Politik noch zuspitzen wird. „Bald werden wir Übungen von Extremsportlern mit Politikern sehen“, frotzelt er. Ursula Münch, Leiterin der Akademie für Politische Bildung in Tutzing, sieht in den Shows auch eine Gefahr: „Einen Großteil der Bevölkerung erreicht man heute nicht mehr mit politischen Inhalten“, sagt sie. „Die Simplifizierung komplexer Themen in solchen Shows treibt die Spaltung der Bevölkerung jedoch noch weiter voran.“
Man setze auf „Fakten statt Emotionen, Realität statt Showeffekte“, heißt es denn auch beim ZDF. Und der Bayerische Rundfunk setzt am 4. September bei Das Duell: Horst Seehofer gegen Christian Ude auf seinen seriösen Chefredakteur Siegmund Gottlieb. Humorvolles darf also allenfalls von den Duellanten erwartet werden. „Aber auch die Öffentlich-Rechtlichen schaffen es  nicht, die Menschen für Politik zu interessieren“, betont Weidenfeld. Die Lösung? „Das ist die Eine-Million-Dollar-Frage“, sagt er. So lange die aber nicht beantwortet ist, rät er Politikern trotz aller Kritik, in die Shows zu gehen. „So finden sie immerhin statt.“ (Angelika Kahl)

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