Politik

Einerseits geben Menschen intime Details im Internet preis, andererseits fordern sie Datenschutz. (Foto: dpa)

15.06.2012

"Ein Forschungsprojekt zu Facebook muss her"

Thomas Kranig, Präsident des bayerischen Landesamts für Datenschutzaufsicht, über Chancen und Risiken sozialer Netzwerke

Dass die Daten, die wir im Internet hinterlassen, auch für Firmen interessant sind, ist bekannt. Vergangene Woche wurde bekannt, dass die Schufa das Hasso-Platter-Institut (HPI) beauftragt hatte, zu untersuchen, wie das Unternehmen Daten aus sozialen Netzwerken nutzen könnte. Ziel des inzwischen abgeblasenen Projekts sollte sein, die Kreditwürdigkeit von Menschen besser zu beurteilen.

BSZ:
 Herr Kranig, haben Sie damit gerechnet, dass ein Unternehmen untersuchen lässt, wie sich Nutzerdaten in sozialen Netwerken für seine Zwecke nutzen lassen, so wie es die Schufa getan hat?
Kranig: Ich bin davon überzeugt, dass Daten aus sozialen Netzwerken bereits heute von bestimmten Firmen genutzt werden. Der Vorstoß der Schufa hat mich aber trotzdem überrascht – wegen der Art und Weise. Denn offensichtlich hat dort niemand damit gerechnet, dass das Forschungsprojekt mit dem HPI eine so intensive gesellschaftliche Debatte über die Nutzung von personenbezogenen Daten aus dem Internet auslösen würde. BSZ: Ist es nicht notwendig, sich darüber Gedanken zu machen, wie Unternehmen Informationen aus sozialen Netzwerken nutzen dürfen?
Kranig: Prinzipiell finde ich Forschungsprojekte, die zum Ziel haben, herauszufinden, was mit frei verfügbaren Daten im Internet gemacht werden kann, spannend und interessant. Von der Frage, was erforscht werden kann, ist aber unbedingt die Frage zu trennen, was mit dem Forschungsergebnis gemacht werden darf. Die Antwort auf die Frage, was Firmen erforschen können, ist für alle Internetnutzer sehr interessant. Denn sie würde deutlich vor Augen führen, welche Spuren wir im Internet bewusst oder unbewusst hinterlassen, und was man anhand dieser Spuren über uns erfahren kann. Die Antwort auf die Frage, was mit dem Forschungsergebnis passieren darf, ist auch wichtig, aber schwieriger zu beantworten. Die Rechtslage ist nicht eindeutig: Das Bundesdatenschutzgesetz äußert sich dazu nicht konkret. Ich halte es durchaus für einen lohnenden Ansatz, sich auch der Frage auf einer wissenschaftlichen Grundlage anzunähern. BSZ: Planen Sie ein Forschungsprojekt zu dem Thema?
Kranig: Solche Forschungsvorhaben wären auch für uns interessant. Es gehört jedoch nicht zu unseren Aufgaben als Datenschutzaufsichtsbehörde für den nicht-öffentlichen Bereich in Bayern, derartige Forschungsprojekte selbst durchzuführen.

"Ein neues Bewusstsein ist erforderlich"

BSZ: Gibt es andere Unternehmen, die ein ähnliches Projekt wie die Schufa in Auftrag gegeben haben, aber in einem anderen Kontext?
Kranig: Ich habe bislang von keinem entsprechenden Projekt in Deutschland zum Zwecke der Bonitätsermittlung gehört, was aber nicht bedeuten muss, dass es derartige Projekte nicht gibt. Bekannt ist mir aber, dass soziale Netzwerke für die Personalvermittlung ausgewertet werden. BSZ: Dürfen Firmen derzeit Daten aus sozialen Netzen nutzen, ohne gegen das Gesetz zu verstoßen?
Kranig: Nach meiner Einschätzung ist es derzeit rechtlich nicht ausgeschlossen, dass Firmen personenbezogene Daten aus dem Internet erheben, wenn sie allgemein zugänglich sind. Aber die Unternehmen provozieren die Öffentlichkeit, wenn sie solche Methoden anwenden. Ich finde das Verhalten der Bürger aber zum Teil widersprüchlich: Einerseits werden ohne Hemmungen persönliche – oft auch intime – Informationen im Internet preisgegeben, anderseits herrscht dann große Aufregung, wenn diese Daten Firmen anlocken, die damit Geld verdienen wollen. BSZ: Ist ein neues Bewusstsein in der Bevölkerung notwendig?
Kranig: Für einen Teil der Bevölkerung ist sicherlich ein neues Bewusstsein erforderlich, dass die Währung im Internet personenbezogene Daten sind. Sie sind die Gegenleistung für kostenlose Angebote. Eine Möglichkeit des Einzelnen, darüber zu entscheiden, was mit seinen einmal ins Internet eingestellten Daten geschieht, besteht nur in einem sehr geringen Umfang. Jeder soll sich deshalb wirklich überlegen, was er über sich im Internet preisgibt und muss sich noch viel kritischer fragen, was er über andere hinein- stellt. In den meisten Fällen sollte der gesunde Menschenverstand helfen, aber auch ausreichend sein. Viele Bürger haben auch schon verstanden, dass man vorsichtig sein muss. BSZ: Viele Internetnutzer klicken einfach das Kästchen „Gelesen“ an, wenn ein Fenster mit „Einverständniserklärungen zu Datenschutzbedingungen“ auftaucht – ohne die Klauseln zu lesen. Sind die derzeit geltenden Auflagen für Unternehmen deshalb nicht einfach zu lasch?
Kranig: Das Einholen einer datenschutzrechtlichen Einwilligungserklärung gibt dem Einzelnen die Möglichkeit, über die Preisgabe seiner personenbezogenen Daten tatsächlich zu bestimmen. Wenn dieser Mechanismus aber letztlich zu einem unreflektierten Klicken führt, wird das Ziel einer informierten Einwilligung verfehlt. Dabei stellt sich die Frage, wem diese Verfehlung anzulasten ist: Ich glaube nicht, dass die Anforderungen für Unternehmen zu lasch sind. Sie müssen dann in die Pflicht genommen werden, wenn die Gefahr besteht, dass Informationen so komplex und undurchsichtig gestaltet sind, dass ein durchschnittlicher Leser sie nicht mehr verstehen kann. Aber auch der Nutzer hat die Pflicht, die Datenschutzbestimmungen zu lesen. BSZ: Bei welchen Verstößen greift das Landesamt für Datenschutzfragen ein?
Kranig: Wenn Firmen Daten aus sozialen Netzwerken nutzen, ist das nicht pauschal zu verurteilen. Unser Amt würde nur dann einschreiten, wenn wir konkrete Anhaltspunkte haben, dass dabei gegen datenschutzrechtliche Vorgaben verstoßen wird. Aber das ist selten der Fall. Wir wiederholen deshalb immer wieder den Appell, dass sich jeder genau überlegen soll, was er im Internet von sich preisgibt. Vor allem die jüngere Bevölkerung versuchen wir aufzuklären über die Risiken in sozialen Netzwerken – für sich, aber auch für andere, über die sie etwas schreiben oder deren Bilder sie hochladen.
(Interview: Veronica Frenzel)

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