Politik

Sind naturgemäß gegen Gebühren: Studierende. (Foto: dapd)

27.05.2011

Eine Frage der Abwägung

In Deutschland erheben nur Bayern und Hessen Studiengebühren

In ganz Deutschland werden die Studiengebühren abgeschafft. In ganz Deutschland? Nein, die bayerischen Hochschulen dürfen – ebenso wie die in Niedersachsen – von ihren Studenten weiterhin die „Campus-Maut“ erheben und tun dies auch. Und nach dem Willen der Staatsregierung soll das so bleiben.
Acht Länder hatten Studiengebühren eingeführt. Doch Bremen, Hamburg, Nordrhein-Westfalen und das Saarland haben sie inzwischen wieder abgeschafft. Während der „hessischen Verhältnisse“ wurden 2008 mit rot-rot-grüner Mehrheit die Studiengebühren abgeschafft; nach den Neuwahlen hat die schwarz-gelbe Regierung im Koalitionsvertrag festgelegt, dass die Studiengebühren in dieser Legislatur nicht wieder eingeführt werden sollen.
In Baden-Württemberg, dem Nachbarland Bayerns, mit seinen bedeutenden Hochschulen wie Freiburg, Heidelberg und Karlsruhe, sind die Tage der Studienbeiträge seit dem Sieg von Grün-Rot ebenfalls gezählt. Einzig Niedersachsen hält an den Beiträgen fest – und Bayern. Sie wieder abzuschaffen, „nur weil die neue Regierung in Baden-Württemberg dies plant, ist wenig plausibel“, sagt Wissenschaftsminister Wolfgang Heubisch (FDP). Schließlich trügen sie zu einer entscheidenden Verbesserung der Qualität der Lehre bei.
Sollte ein wohlhabendes Land wie Deutschland für die universitäre Ausbildung Geld verlangen? Es gibt wohl wenige Fragen, die so kontrovers diskutiert werden. Die Argumente sind auf beiden Seiten vielschichtig und nicht ohne Weiteres gegeneinander abzuwägen. „Alle sollen dasselbe Recht auf Bildung haben, Studiengebühren schrecken vor der Aufnahme eines Studiums ab“, sagen die einen. „Wenn es um Chancengerechtigkeit geht, sollte man lieber mehr Geld in die frühkindliche Bildung stecken. Stattdessen kostet jeder Kita-Platz weit mehr als 100 Euro im Jahr“, sagen die anderen.
Dabei hat es durchaus schon einmal so etwas wie Studienbeiträge gegeben in Deutschland. Bis in die 1960er Jahre mussten Hörergelder von rund 150 Mark (heute inflationsbereinigt etwa 246 Euro) gezahlt werden. In Hessen war es der spätere Justizminister und Vater von Roland Koch, Karl-Heinz Koch, der 1949 die Abschaffung von Unterrichtsgebühren erkämpfte. 1970 waren die dann in ganz Deutschland passé. Damit das auch so bleibe, hat die rot-grüne Regierung 2002 im Hochschulrahmengesetz ein Verbot festgelegt. Die unionsgeführten Länder klagten dagegen, dies sei ein unzulässiger Eingriff des Bundes in die Gesetzgebungskompetenz der Länder – und wurden vom Bundesverfassungsgericht bestätigt. 2005 war der Weg frei für die Einführung von Studiengebühren.
In Bayern gab es schon seit 1999 eine Gebühr von 1000 Mark pro Semester für das Zweitstudium und seit Herbst 2005 einen Zwangsbeitrag für Langzeitstudierende von 500 Euro. Seit dem Sommersemester 2007 können die Hochschulen von allen Studierenden Beiträge verlangen, 300 bis 500 Euro Unis und Kunsthochschulen, 100 bis 500 Euro die Fachhochschulen. Das Geld darf nicht zur Grundfinanzierung verwendet werden, sondern soll die Qualität der Lehre verbessern. Wie es konkret verwendet wird, darüber entscheiden die Hochschulen selbst – unter Beteiligung der Studentenschaft. Insgesamt kommen dem Unibetrieb nach Angaben des Wissenschaftsministeriums jährlich bis zu 80 Millionen Euro zusätzlich zugute. „Unser Interesse gilt einer soliden Finanzierung des Universitätsbetriebs“, beantwortet Sebastian Kempgen, Vizepräsident der Universität Bamberg, die Frage nach der Notwendigkeit von Studiengebühren. Während die Studierendenzahlen immer weiter stiegen, wüchsen die staatlichen Mittel nicht im selben Ausmaß an.


„Vom Studium abgehalten“


In Bamberg habe sich die Zahl der Studierenden seit 2007 um ein Drittel auf 10 500 erhöht. Die Studienbeiträge flössen vorwiegend in die Lehre: 80 Prozent der knapp 6 Millionen Euro jährlich würden für zusätzliche Angebote ausgegeben. Hatte man zu Beginn von Erstsemestern 300 Euro, später dann 500 Euro verlangt, wird seit Dezember 2010 eine einheitliche Gebühr von 450 Euro verlangt.
Von Seiten des Studentischen Konvents wurde dies „aufs Schärfste“ kritisiert: Zahlreiche Menschen würden vom Studium abgehalten oder in finanzielle Schwierigkeiten gebracht. Die Studierendenzahlen sind jedoch seit Einführung der Studiengebühren gestiegen. Wer das Geld nicht aufbringen kann, bekommt ein zinsgünstiges Darlehen oder kann sich von den Gebühren befreien lassen, etwa wer selbst ein Kind erzieht. Nach Angaben des bayerischen Wissenschafsministeriums waren 2008 ein Viertel der Studierenden gebührenbefreit, 2009 sogar 30 Prozent. In dem Jahr trat die Regelung in Kraft, dass aus einer Familie jeweils nur ein Kind Studiengebühren entrichten muss. 2009 hat der Bayerische Verfassungsgerichtshof entschieden, dass die Studiengebühren im Freistaat sozialverträglich geregelt sind.
Wer Studienbeiträge abschaffen wolle, müsse sich fragen, wie dies gehen solle, ohne den Hochschulen die finanzielle Planungssicherheit zu entziehen, so Heubisch. Die Länder, welche die Studienbeiträge wieder gestrichen haben, haben den Verlust jedoch aus Haushaltsmitteln kompensiert. Hessen zum Beispiel, wo ein Winter- und ein Sommersemester Studiengebühren verlangt wurden: Der eingenommene Betrag von 92 Millionen Euro wurde zum Maßstab für zusätzliche jährliche Geldleistungen.
Allerdings sei die Kompensation gedeckelt, sagt Ulrich Adolphs, Sprecher im hessischen Wissenschaftsministerium: Trotz steigender Studierendenzahlen bleibe der Betrag gleich. Gewiss gab es in Folge der Finanzkrise Kürzungen im Hochschuletat. Die hätte es Adolphs zufolge aber auch ohne Kompensationszahlungen gegeben. Und sie werden in nächster Zukunft auch nicht mehr vorkommen: Der Mechanismus, dass das Budget bei sinkenden Steuereinnahmen sinke, wurde aus dem Hessischen Hochschulpakt herausgenommen.  (Anke Sauter)

Kommentare (0)

Es sind noch keine Kommentare vorhanden!
Die Frage der Woche

Ist das geplante Demokratiefördergesetz sinnvoll?

Unser Pro und Contra jede Woche neu
Diskutieren Sie mit!

Die Frage der Woche – Archiv
Vergabeplattform
Vergabeplattform

Staatsanzeiger eServices
die Vergabeplattform für öffentliche
Ausschreibungen und Aufträge Ausschreiber Bewerber

Jahresbeilage 2023

Nächster Erscheinungstermin:
29. November 2024

Weitere Infos unter Tel. 089 / 29 01 42 54 /56
oder
per Mail an anzeigen@bsz.de

Download der aktuellen Ausgabe vom 24.11.2023 (PDF, 19 MB)

E-Paper
Unser Bayern

Die kunst- und kulturhistorische Beilage der Bayerischen Staatszeitung

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.