Politik

Modellprojekt Garmisch-Partenkirchen: Dass E-Mobilität auf dem Land getestet wird, finden Experten seltsam. (Foto: E-Gap)

20.07.2012

Elektrische Bremsspur

Bayern will eine führende Rolle beim Thema E-Mobilität spielen - doch der Markt kommt nicht voran

Ein Umsturz soll in Bayern stattfinden. Und in Garmisch-Partenkirchen befindet sich eine revolutionäre Zelle. Seit vergangener Woche ist Garmisch  Bayerns dritte Modellkommune für Elektromobilität – die Bayerns Wirtschaftsminister Martin Zeil (FDP) als „Revolution“ preist. In Garmisch-Partenkirchen wird – wie auch im Bayerischen Wald und in Bad Neustadt a.d. Saale –  die Anwendung von E-Mobilen erprobt. Die Staatsregierung unterstützt die drei Regionen mit insgesamt 30 Millionen Euro. Weitere 34 Millionen Euro fließen in Forschung und Entwicklung. Denn Zeil hat ein ambitioniertes Ziel:  Bayern soll eine führende Rolle im Sektor E-Mobilität spielen, „Leitmarkt und vor allem Leitanbieter“ werden.
Bereits 2008 hatte Zeil die Zukunftsoffensive Elektromobilität gestartet. Doch bisher ist die Ausbeute mager. Laut Kraftfahrt-Bundesamt waren bis zum 1. Januar 2012 im Freistaat gerade einmal 928 Strom-Autos angemeldet. In ganz Deutschland gibt es rund 4500 Elektromobile. Das Problem: „E-Mobile sind bis zu 10 000 Euro teurer als  Vergleichsmodelle mit Verbrennungsmotoren, und das bei einer viel geringeren Reichweite“, erklärt Ferdinand Dudenhöffer, Direktor des Center Automotive Research der Uni Duisburg-Essen. Hinzu kommt: E-Tankstellen sind rar und europaweit gibt es noch nicht einmal einheitliche Stecker. Kein Wunder also, dass Konsumenten zurückhaltend reagieren.
In Garmisch-Partenkirchen kann man künftig Elektroautos  nicht nur mieten, sondern auch problemlos an E-Laternen auftanken. Für die Bevölkerung soll Elektomobilität so „erfahrbar“ werden, sagt Zeil. Warum er die Modellprojekte im ländlichen Bereich angesiedelt hat, ist vielen aber schleierhaft. „Statt auf solch unnütze Testregionen sollte man sich lieber auf Car-Sharing-Projekte in Städten konzentrieren“, meint Auto-Experte Dudenhöffer. „Dort könnten viele Konsumenten die E-Modelle sehen und sich davon überzeugen, wie sehr sich die Lebensqualität ohne Diesel- und Benzinstinker verbessern kann.“ Auch Ludwig Wörner,  energiepolitischer Sprecher der Landtags-SPD, fragt sich, warum „das Geld im ländlichen Raum verteilt wird“, wo man tendenziell längere Strecken fahre und ohnehin schon vermehrt auf Biogas setze.

„Reine Geldverbrennung“


Aber da gibt es ja noch ein anderes Projekt, auf das Zeil mächtig stolz ist. „Elektromobilität verbindet“ ist eines von vier deutschen „Schaufenstervorhaben“, die vom Bund mit insgesamt 180 Millionen Euro gefördert werden. Gemeinsam mit Sachsen will Bayern ein Netz von Schnellladestationen entlang der A9 von München nach Leipzig bauen. „Das ist eine reine Geldverbrennung“, klagt Dudenhöffer. Und Wörner lästert: „Will ich mit dem Elektromobil von München nach Nürnberg, brauche ich mit dem E-Mobil  vier Stunden inklusive Tanken.“ Da setze er sich lieber in den Zug, der sei „schließlich auch elektrisch“.
Neben Forschung und Entwicklung müsse es jetzt in erster Linie auch um eine Sichtbarmachung von neuen Verkehrskonzepten gehen, sagt dagegen Markus Blume, Vorsitzender der CSU-Wirtschaftskommission. „Modellregionen und Schaufensterprojekte könnten hier eine wichtige Rolle spielen.“
Bis zum Jahr 2020 wollen Bayern und Sachsen  gemeinsam 250 000 Elektroautos auf die Straßen bringen. Die Bundesregierung hat sich bis 2020 das Ziel von einer Million Elektrofahrzeugen in ganz Deutschland gesteckt. Der Bund fördert mit knapp einer Milliarde Euro die Entwicklung von Batterie- und  Antriebstechnik. Millionenbeträge fließen auch an die großen Autofirmen.   Doch Industrie, Verbände und Wissenschaftler, die sich in der nationalen Plattform Elektromobilität zusammengeschlossen haben, äußern Zweifel. Sie gehen von maximal 600 000 E-Autos aus – außer, der Bund erhöhe die Fördersumme abermals.

Soll man die Leute zu ihrem Glück zwingen?


Dudenhöffer wiederum sagt, man könne schon über 100 000 Elektro-Autos froh sein. Er fordert nicht nur mehr Geld, sondern auch mehr Regularien: „Man muss die Leute am Anfang zwingen. Zum Beispiel mit der Einführung emissionsfreier Zonen in Innenstädten.“ Das allerdings hält das bayerische Wirtschaftsministerium für realitätsfern.
Deutsche Autohersteller wollen bis 2014 rund 15 E-Auto-Modelle für den Verkauf entwickeln. BMW und Audi starten 2013 mit ersten kommerziellen Modellen. Damit die teuer entwickelten Fahrzeuge nun nicht zum Ladenhüter werden, fordert BMW-Vorstandschef Norbert Reithofer zusätzliche Anreize. Kaufprämien wie in den USA und Japan lehnt dieBundesregierung aber strikt ab. Ebenso wie Zeils Ministerium. Dafür sollen E-Autos zehn Jahre lang von der KFZ-Steuer befreit sein.
Zeil und Blume sind optimistisch, was die Weiterentwicklung der E-Mobilität in Bayern angeht. „Die Kosten für die Batterien werden sich halbieren – und man wird noch staunen, was insgesamt möglich sein wird“, sagt Blume. Dudenhöffer dagegen erklärt Zeils Revolutions-Versuch für beendet. Bayern als künftiger Leitmarkt in Sachen Elektromobilität? „Das sind Träumereien vor der Landtagswahl“, meint er. „Die Elektromobilität in Deutschland ist bereits gescheitert.“ (Angelika Kahl)

Kommentare (2)

  1. Jörg Geier am 31.07.2012
    Die Förderung von Anwendungsprojekten ist tatsächlich nicht sinnvoll. Auf Bundesebene wurde das bereits umfassend versucht, ohne das sich lohnende Ergebnisse eingestellt hätten. Genau deshalb zielt die bayerische Förderungen darauf ab, Unternehmen (vornehmlich KMUs) bei der Forschung und Entwicklung im Bereich der E-Mobilität zu unterstützen.
    In der 1. Modellstadt für E-Mobilität in Bad Neustadt konzentriert man sich entsprechend des eigentlichen Förderzwecks auf die Aspekte der industriellen Forschung im Bereich Leistungselektronik und Smart Grid und verzichtet darauf, einen weiteren Flottenversuch mit wenig markttauglichen Fahrzeugen ins Leben zu rufen.

    Schade, dass immer nur die suboptimalen Projektbeispiele ins Visier genommen werden und die marktrelevanten Strategien marginalisiert werden…
  2. A. Resch am 23.07.2012
    Die Verfasserin dieses Artikel hat ganz recht, wenn das Wort "Geldverbrennung" verwendet. Das sind doch alles Wunschträume irgend welcher Interessengruppen; und die Politiker lassen sich dafür einspannen.
    So lange die Leistungen eines E-mobils (Tempo, Reichweite) nicht mindestens so gut wie herkömmliche Autos mit Verbrennungsmotoren sind, und die Kosten merklich unter denen herkömmlicher Modelle liegen, kauft sich kein Mensch ein Auto mit E-Antrieb.
    Der größte Flop dürfte wohl die Einrichtung von Schnelladestationen entlang der A 9 wrden ! Wer hat denn schon Zeit "aufzutanken". Die (elektrische) Bahn ist ja ohnehin schneller.
    Das Ziel von einer Million E-fahrzeugen bis 2020 bleibt genau so utopisch, wie die nach dem Atomunfall in Japan angekündigte Energiewende.

    Hier zeigt sich die gleiche Entwicklung wie beim E-10 Kraftstoff. Auch wenn die Vorschrift/Idee von der EU kommt finde ich es geradezu als Hohn, Lebensmittel zu Sprit zu verarbeiten, während auf der anderen Erdhälfte Menschen verhungern - hier wäre sehr dringend globales Denken angesagt.
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