Politik

Das Fußballstadion in Kiew. (Foto: DAPD)

04.05.2012

EM-Kicker sollen zu Hause bleiben

Bayerns Wirtschaftsminister Zeil fordert Verlegung der Fußball-EM – FW-Chef Aiwanger sogar den Komplett-Boykott

Für Bayerns Wirtschaftsminister Martin Zeil (FDP) ist die Sache klar: Lenkt die Ukraine im Umgang mit der  erkrankten Ex-Regierungschefin Julia Timoschenko nicht ein, kommt für ihn ein Besuch der Fußball-EM nicht in Frage. Es „muss ein klares Zeichen der Humanität und der demokratischen Reife kommen“, fordert er mit Nachdruck. „Andernfalls halte ich es nicht für tragbar, wenn der ukrainischen Regierung die Gelegenheit gegeben würde, den Fußball zu einer positiven Selbstdarstellung zu nutzen.“ Mit einem Politiker-Boykott wäre es für ihn dann aber nicht getan. „Die UEFA sollte in diesem Fall ernsthaft über alternative Spielorte nachdenken“, sagt er der BSZ.
So weit wollen seine Kabinettskollegen nicht gehen: „Die EM sollte wie geplant stattfinden“, meint Landwirtschaftsminister Helmut Brunner (CSU). Er glaubt an die positiven Impulse von solchen Großereignissen im Demokratisierungsprozess. Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU) spricht sich eindeutig gegen eine Absage der EM aus. Das würde die Sportler und Polen zu Unrecht bestrafen.
Kunstminister Wolfgang Heubisch (FDP) hält es für verfrüht, sich „zum gegenwärtigen Zeitpunkt für oder gegen einen Politikerboykott“ der EM  auszusprechen. Einen Boykott der Regierungsmitglieder europäischer Länder befürwortet dagegen Beate Merk (CSU): „Gerade als Justizministerin finde ich die Vorstellung unerträglich, in einem Stadion zu sitzen, wenn wenige Kilometer entfernt eine Konkurrentin des Regierungschefs aus politischen Gründen inhaftiert ist und keine angemessene medizinische Behandlung bekommt“, so Merk. Für Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) stellt sich die Frage des Boykotts immerhin persönlich nicht: Er hatte ohnehin keine Reise zu Spielen der Fußball-EM geplant, heißt es auf Nachfrage aus der Staatskanzlei.
Seehofer fordert nachdrücklich die Sicherstellung der Behandlung Timoschenkos. SPD-Landtagsfraktionschef Markus Rinderspacher gibt zu bedenken: „Wer die Ukraine mit Recht kritisiert, kann nicht im gleichen Atemzug solidarische Verbrüderung mit einem ungarischen Politiker feiern, gegen den mehrere EU-Vertragsverletzungen laufen.“ Er wünsche sich „eine konsistente Haltung in internationalen Fragen von Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten“.

Georg Schmid (CSU): "Ich will den Fußballbegeisterten nicht die Freude nehmen"

Einen Boykott durch Politiker hält Rinderspacher für richtig. Und auch Simone Tolle, sportpolitische Sprecherin der Landtags-Grünen sagt: „Es ist gut, wenn Politiker nicht zur EM fahren.“ Fußball als Teil der Zivilgesellschaft dürfe nicht unpolitisch sein. Das glaubt auch Julika Sandt, sportpolitische Sprecherin der FDP. Von der Forderung Zeils, die Spiele zu verlegen, hält sie aber nichts. Denn das befördere nur „das Klischee vom arroganten Westen und spielt Präsident Wiktor Janukowytsch die Bälle zu, damit er weiter foulen kann“. CSU-Fraktionsvorsitzender Georg Schmid rät, den Sport nicht politisch zu überfrachten: „Ich will den Fußballbegeisterten nicht die Freude nehmen.“
Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger dagegen bringt sogar einen Komplett-Boykott der EM ins Spiel. Er sagt der BSZ: Sollten sich die Foltervorwürfe bestätigen und die Uneinsichtigkeit der offiziellen Stellen anhalten, „ist über den politischen Boykott hinaus auch ein Boykott durch die Fußballmannschaft in Erwägung zu ziehen“. (Angelika Kahl)

Kommentare (2)

  1. Bruder Barnabas am 04.05.2012
    Für alternative Spielorte ist es jetzt zu spät - sehr naiv für einen Wirtschafts(!)minister, aber das nur am Rande. Allerdings war es schon rechtzeitig vor der Vergabe der UEFA klar, dass die Ukraine in Punkto Menschenrechte, Wirtschaft und wegen der Bestechung noch nicht reif für eine Europameisterschaft ist. Doch damals kam kein Aufschrei von der Politik und die Sponsoren sponsorten brav. Es bedarf mehr Druck seitens der Bürger und ihrer Volksvertreter. Zuletzt konnte man sehen, wie die Formel 1 in Bahrain unbekümmert ihre Runden neben den Aufständischen dreht, wie Ende Mai in Aserbaidschan das protestierende Volk vom Grand Prix übertönt, 2014 bei der Eishockey Weltmeisterschaft Diktator Lukaschenko von den Manschaften bejubelt und 2022 der Ball und die Menschenrechte in Katar mit Füßen getreten werden wird. Fehlen nur noch die olympischen Sommerspiele in Syrien!
  2. Fan am 04.05.2012
    Es ist zwar schade, dass unsere größte Unterhaltungsmaschine Fußball in diesem Fall so politisiert wird, aber dafür auch unumgänglich!
    Da nun mal Politiker auch in ihrer Freizeit Politiker sind, ist es ihre Pflicht, die Anwesenheit an der EM klar zu boykottieren.
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