Politik

11.03.2011

Endstation Sehnsucht

Auch nach seinem Abgang stiehlt Ex-Verteidigungsminister Guttenberg Ministerpräsident Horst Seehofer die Show

Natürlich ist Karl-Theodor zu Guttenberg nach seinen Rücktritten in der Vorwoche nicht persönlich anwesend beim Politischen Aschermittwoch der CSU. Trotzdem ist der Baron aus Oberfranken in der Passauer Dreiländerhalle allgegenwärtig. Schon beim Einzug von Parteichef Horst Seehofer lächelt zu Guttenberg in den Saal – ein Fan aus seiner Heimat trägt zum Defiliermarsch ein Porträtfoto überlebensgroß hinter Seehofers Tross her.
Links und rechts recken andere selbstgepinselte Plakate in die Höhe. „KT, du bist einer von uns“ oder „KT, lass uns nicht im Stich“ steht darauf. Das Parteivolk hat den Kampf um seinen als Plagiator überführten Hoffnungsträger noch nicht aufgegeben. Seehofer weiß um die Stimmung. Dennoch lässt er die sehnsüchtigen Aschermittwochspilger lange zappeln. Dramaturgisch geschickt erst am Ende seiner 90-minütigen Rede greift er die alle bewegende Thematik auf, seine Worte klingen fast schon nach Erlösung. „Wenn seine Familie und er selbst Abstand gewonnen haben, werde ich als Parteivorsitzender alles dafür tun, dass Karl-Theodor wieder in die bayerische und die deutsche Politik zurückkehrt“, ruft er beschwörend in den Saal.
Die letzten Worte gehen wie damals bei Hans-Dietrich Genscher auf dem Balkon der deutschen Botschaft in Prag im entrückten Freudentaumel der Dreiländerhalle unter. „Du bist einer von uns, du bleibst einer von uns, wir alle wollen, dass du wieder zurückkommst“, fügt Seehofer noch an. Die Stimmung ist der Ekstase nahe.
Davor müht sich Seehofer, seiner CSU auch ohne zu Guttenberg Mut und Stärke zuzureden. „Bayern ist wieder der Stern des Südens, Bayern leuchtet und die CSU ist wieder ein Kraftpaket“, sagt er. Dann lobt er den neuen Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich dafür, dass der gleich an seinem ersten Arbeitstag CSU-Grundpositionen in Sachen Islam in Deutschland und Integration von Ausländern vertreten hat. Seehofer erweitert Friedrichs Äußerungen mit einem Bekenntnis zur „deutschen Leitkultur mit christlicher Prägung“ und einigen wenig wohlmeinenden Äußerungen über den türkischen Staatspräsidenten Tayyip Erdogan. Dafür gibt es Szenenapplaus.
Die Aufmerksamkeit im Saal sinkt dagegen drastisch, als Seehofer die Feinheiten des jüngsten Hartz-IV-Kompromisses erläutert. Das ist aller Ehren wert, interessiert drunten an den Biertischen aber weniger. Auch die Ankündigung, das Bekenntnis zur deutschen Sprache, die Weiterentwicklung des ländlichen Raums sowie die Pflicht zum schuldenfreien Haushalt in die bayerische Verfassung aufzunehmen, zündet nicht richtig. (Seiten 2 und 4).
(Jürgen Umlauft)

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