Politik

Wohnen wird immer teurer, vor allem im Ballungsraum. Die Mietpreisbremse hilft nur bedingt. (Foto: dpa)

26.06.2015

Enttäuschte Hoffnungen

Wo darf die Mietpreisbremse gelten, wo nicht? In Bayern kommt womöglich nur ein Achtel der Kommunen dafür in Frage

Wer bei immobilienscout.de nach einer Mietwohnung sucht, etwa im oberbayerischen Pfaffenhofen a. d. Ilm, dem offeriert der Online-Immobiliendienst, preislich gestaffelt, beispielsweise eine 90 Quadratmeter umfassende exklusive 3-Zimmer-Maisonette-Wohnung“, Baujahr 2012, für 970 Euro Kaltmiete, gefolgt von einer 133 Quadratmeter großen „exklusiven 4-Zimmer-Dachterrassen-Wohnung“, gleiches Baujahr, für 1330 Euro Kaltmiete. Sind diese Angebote tatsächlich eine schamlose Abzocke von geldgierigen Immobilienbesitzern gegenüber Menschen, die ein Dach über dem Kopf suchen? Im oberfränkischen Selb oder Hof dürfte man der Behauptung zustimmen, im oberbayerischen Starnberg oder Herrsching dagegen – wo halb so große Unterkünfte zum doppelten Preis vermietet werden – wird man nur müde lächeln.

„Angespannter Wohnungsmarkt“: Wer bestimmt, was das bedeutet?


Die entscheidende Frage lautet: Braucht es in einer bestimmten Stadt die von der Bundesregierung initiierte Mietpreisbremse – also die Vorgabe, dass bei Neuvermietungen die Miete nur noch zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen darf? Diese gilt nur, wenn die „Versorgung der Bevölkerung mit bezahlbaren Mietwohnungen besonders gefährdet“ ist. Pfaffenhofen zumindest hatte in dieser Hinsicht Glück: Nachdem das bayerische Justizministerium einen entsprechenden Antrag zunächst ablehnte, gab das Haus von Ressortchef Winfried Bausback (CSU) nach hartnäckigen Protesten der Kommune jetzt nach. „Wir haben aber auch definitiv ein Problem“, sagt Bürgermeister Thomas Herker (SPD).
Das Justizministerium hat seit Sommer vergangenen Jahres in 907 Kommunen (also knapp der Hälfte der rund 2000 selbstständigen Gemeinden des Freistaats), die als problematisch gelten, wissenschaftliche Erhebungen durchgeführt. Ziel war es, eine stabile Datenbasis zu bekommen. Auch Gemeinderäte und Stadtverwaltung wurden dazu angehört. Noch vor der Sommerpause, so eine Sprecherin Bausbacks, werde nun die entsprechende Verordnung vom Ministerrat erlassen.
Wie viele und vor allem welche Gemeinden mit von der Partie sind, darüber schweigt sich das Justizministerium aus. Es kursieren Zahlen, dass nicht einmal ein Viertel der 907 befragten bayerischen Kommunen aufgenommen werden soll. Das sollte man nicht vorschnell als Unwillen der CSU-Staatsregierung kritisieren. Denn im rot-grün regierten Nordrhein-Westfalen kommen ab 1. Juli lediglich 22 Städte in den entsprechenden Genuss.

Bayerns Verfassungsgerichtshof entschied bereits pro Mietpreisbremse


Aber geklärt ist derzeit ohnehin wenig. Womöglich erweisen sich alle jetzt beteiligten Städte sogar selbst einen Bärendienst. Das hat zum einen damit zu tun, dass ein ausgewähltes Gebiet höchstens für fünf Jahre zum „angespannten Wohnungsmarkt“ deklariert werden darf – egal, wie sich die Situation in diesem Zeitraum entwickelt. Man muss schon sehr realitätsfremd sein, um zu glauben, dass sich etwa der Mietmarkt in München, das jedes Jahr zirka 30 000 Neu-Bürger aufnimmt, bis 2020 verbessert hat.
Doch das schwerwiegendere Problem der Mietpreisbremse ist, dass sie schwammige Formulierungen enthält. Gelten soll sie nämlich in allen Städten mit „angespanntem Wohnungsmarkt“. Doch was ist das? Je nach Dicke des eigenen Geldbeutels dürfte darunter jeder etwas anderes verstehen.
Die Immobilienbesitzer rüsten derweil zur Gegenwehr. In Berlin, dem Bundesland, wo die Verordnung zuerst in Kraft trat, appelliert der Eigentümerverband Haus & Grund an seine Mitglieder, die Verordnung zu boykottieren: „Wir können unseren Mitgliedern nicht empfehlen, die Vorgaben zu berücksichtigen, solange nicht geklärt ist, ob diese verfassungsgemäß sind“, erklärt der Verbandsvorsitzende Carsten Brückner. Man werde vors Bundesverfassungsgericht ziehen, um überprüfen zu lassen, ob nicht das Eigentumsrecht nach Artikel 14 des Grundgesetzes verletzt wird.
In Bayern hat der Verfassungsgerichtshof diese Woche schon mal klargestellt: Die Anwendung der Mietpreisbremse ist, jedenfalls im Freistaat, rechtens. Eine Klage des bayerischen Hausbesitzervereins wiesen die Verfassungsrichter diese Woche ab. (André Paul)

Kommentare (1)

  1. Vermietung! am 26.06.2015
    Mich als Vermieter interessiert diese Bremse so wie so nicht,
    wenn ein Mieter die Wohnung nicht haben möchte,
    braucht er ja den Mietvertrag nicht unterschreiben,
    dann suche ich mir halt einen anderen!
    In manchen Landkreisen in Bayern wäre man
    froh, wenn man überhaupt Wohnungen zu
    vermieten hätte.
    Die Berliner Rechtsprechung tut ein übriges.
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