Politik

Dänische Kronen könnten bald der Vergangenheit angehören, geht es nach EU-Kommissionspräsident Juncker. (Foto: Tobias Hase/dpa)

13.09.2017

Euro für alle EU-Länder?

Wenige Tage vor der Bundestagswahl hat Jean-Claude Juncker die deutschen Parteien aufgeschreckt. Die Reaktionen auf die Rede des Kommissionspräsidenten sind kontrovers, aber in weiten Teilen vorhersehbar

Der Vorstoß von Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker für die Einführung des Euro in allen EU-Ländern und für die Ausweitung der Schengenzone ist in Deutschland auf unterschiedliche Reaktionen gestoßen. Es gab am Mittwoch Kritik und Lob:

SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz: "Das ist keine große Überraschung." Schon in der EU-Verfassung stehe, dass alle Länder verpflichtet seien, den Euro einzuführen. Ausgenommen seien nur Großbritannien und Dänemark. Auch die Idee, alle EU-Länder sollten der Schengenzone ohne Grenzkontrollen beitreten, sei "nichts Neues".

Regierungssprecher Steffen Seibert: "Wir begrüßen es als Bundesregierung, dass sich der Kommissionspräsident in seiner Rede zur Lage der Union mit wichtigen Fragen der Zukunft der EU und mit den Prioritäten der Europäischen Union befasst hat." Europa sei heute in einer deutlich besseren Lage als vor einem Jahr.

Außenminister Sigmar Gabriel (SPD): "Jean-Claude Juncker weist den richtigen Weg für die Einheit unseres Kontinents." Eine Teilung der Europäischen Union in Ost und West, Nord und Süd, in Arm und Reich dürfe es auf keinen Fall geben.

Grünen-Spitzenkandidat Cem Özdemir: "Dass der Euro eines Tages in allen Mitgliedstaaten Realität ist, das liegt zwar heute noch in weiter Ferne. Aber es ist das richtige Ziel." Europa brauche solche mutigen Visionen.

AfD-Spitzenkandidatin Alice Weidel: "Der EU-Kommissionspräsident Juncker demonstriert erneut den völligen Realitätsverlust der Brüsseler EU-Funktionäre." In den südeuropäischen Ländern blockiere der Euro Wachstum und schaffe Massenarbeitslosigkeit.

Bayerns Finanzminister Markus Söder (CSU): "Das ist der falsche Vorschlag zur falschen Zeit." Der "Welt" sagte Söder weiter: "Eine Übernahme des Euro für Bulgarien und Rumänien ist absurd."

FDP-Chef Christian Lindner: "Herr Juncker verkennt die Lage in den Mitgliedsstaaten der Währungsunion. Noch immer fehlen die wirkliche Durchsetzung der Schuldenregeln und eine Insolvenzordnung."

Linke-Spitzenkandidatin Sahra Wagenknecht: "Juncker scheint von allen guten Geistern verlassen zu sein." Bereits jetzt zerstöre die Währungsunion in vielen Ländern Industrie und Arbeitsplätze, während sie in Deutschland eine Bedrohung für Sparkonten und Lebensversicherungen sei. Aus der bayerischen Staatsregierung kommt auch massive Kritik zur Ausweitung der Schengenzone ohne Grenzkontrollen. Das sei "heute utopisch", erklärte Europaministerin Beate Merk (CSU) am Mittwoch in einer Mitteilung. "Europa leidet seit Jahren an den Folgen einer zu schnellen Ausweitung sowohl der Eurozone als auch des Schengenraums." Sie spricht von einem riskanten Experiment, das die Probleme in Europa gewaltig verschärfen wird.

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) warnte: "Eine Ausweitung des Schengen-Raums kann es allenfalls nach einer sehr strengen Überprüfung der Beitrittskandidaten geben." Auf Kosten der Sicherheit der deutschen Bevölkerung dürfe der Raum keinesfalls größer werden. Schon jetzt gebe es Schengen-Länder wie etwa Griechenland, "die nicht in der Lage und willens sind, ihre Außengrenzen ordentlich zu schützen".
(dpa)

Junckers zentrale Vorhaben für die EU
In seiner jährlichen Rede zur Lage der Europäischen Union hat EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker seine Pläne präsentiert. Detaillierte Vorschläge will die Brüsseler Behörde in den kommenden Monaten ausarbeiten beziehungsweise vorantreiben. Ein Überblick:

EURO/FINANZEN:
Alle EU-Länder sollen den Euro übernehmen. Eine Erweiterung der Währungsunion beträfe Bulgarien, Dänemark, Kroatien, Polen, Rumänien, Schweden, Tschechien und Ungarn. Juncker schlägt vor, ärmeren Mitgliedern mit neuen Hilfen rasch den Weg in den Euro zu ebnen. Außerdem soll das Amt eines EU-Finanzministers geschaffen werden. Dieser wäre gleichzeitig Vizepräsident der EU-Kommission, der Exekutive der EU, und Vorsitzender der Eurogruppe, einem Gremium, in dem die Staaten der Eurozone ihre Wirtschaftspolitik koordinieren.

SCHENGEN:
Alle EU-Länder sollen der Schengenzone ohne Grenzkontrollen beitreten. Bislang gehören 22 der EU-Mitglieder zu dem Gebiet.

HANDEL:
Bis 2019 soll die EU Freihandelsabkommen mit Australien und Neuseeland abschließen. Investoren aus Drittstaaten sollen künftig genauer unter die Lupe genommen werden. Damit sollen Übernahmen aus Ländern wie etwa China strenger geprüft werden können.

MIGRATION:
Die EU soll Flüchtlingen weiter offen stehen, es sollen legale Migrationswege geschaffen und die skandalöse Situation in Flüchtlingslagern in Libyen beendet werden. Abgewiesene Asylbewerber sollen konsequenter abgeschoben werden.

EUROPÄISCHER WÄHRUNGSFONDS:
Der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM) soll schrittweise zu einem Europäischen Währungsfonds ausgebaut werden. Die EU-Kommission will dazu im Dezember konkrete Vorschläge vorlegen.

EU-SPITZE:
Nach Junckers Willen soll es nicht mehr zwei Präsidenten für den Europäischen Rat, der höchsten Ebene der Zusammenarbeit der EU-Länder, und der Kommission als politisch unabhängiger Exekutive geben, sondern nur noch ein EU-Präsidentenamt. Das soll mehr Handlungskraft und schnellere Entscheidungen bringen. Zu dem Zweck will Juncker auch in der EU in wichtigen Fragen wie Außen- und Steuerpolitik häufiger mit Mehrheit entscheiden lassen, statt wie bisher einstimmig.

CYBERSICHERHEIT:
Eine europäische Agentur für Cybersicherheit soll geschaffen werden, um die EU besser gegen Cyberattacken zu rüsten.

ARBEITSMARKT:
Überall in der EU sollen Arbeiter denselben Lohn für dieselbe Arbeit an einem Ort erhalten. Eine EU-Arbeitsbehörde soll geschaffen werden, um faire Bedingungen im Binnenmarkt durchzusetzen.

LEBENSMITTEL:
Es soll keine Lebensmittel zweiter Klasse in einem Teil der EU-Länder geben. Gleichartige Produkte sollen überall denselben Anteil etwa an Fleisch, Fisch oder Kakao beinhalten. Studien und ein Verhaltenskodex für Produzenten sind geplant.
(dpa)

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