Mal brummt die Wirtschaft, mal herrscht Flaute. Um diese Schwankungen personell austarieren zu können, brauchen Unternehmer Flexibilität. „Die muss sein, um wettbewerbsfähig zu bleiben“, sagt Frank Eberle, Geschäftsführer der ALPMA Alpenland Maschinenbau GmbH aus Rott am Inn, der Staatszeitung. Seine 700 Mitarbeiter umfassende Stammbelegschaft fertigt in aller Welt Spezialmaschinen für die milchverarbeitende Industrie. Doch weil die Nachfrage überaus volatil ist, benötigt Eberle bis zu 100 zusätzliche Mitarbeiter, die er via Zeitarbeit oder Werkvertrag beschäftigt.
Eberle und viele andere Unternehmer fürchten jetzt, dass ihnen diese Flexibilität genommen wird. Denn Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) plant Verschärfungen für die Zeitarbeit sowie für Werk- und Dienstverträge. Sie will in ihrem Gesetzentwurf vor allem die Rechte von Arbeitnehmern stärken. CDU, CSU und Wirtschaft sind entsetzt.
800 000 Leiharbeiter gibt es laut Bundesagentur für Arbeit Deutschland. Das entspricht einer Quote von 2,5 Prozent aller Beschäftigten. Die bayerische Quote ist in etwa gleich hoch. Für Zeitarbeit soll künftig eine gesetzliche Höchstdauer von 18 Monaten gelten.
Werkverträge nehmen stark zu
Am stärksten ausgeprägt ist Zeitarbeit in der Metall- und Elektrobranche: Drei von zehn Zeitarbeitnehmern waren im Dezember 2014 dort tätig. 27 Prozent arbeiteten im Bereich Verkehr, Logistik, Schutz und Sicherheit, 15 Prozent in den übrigen Fertigungsberufen und der Landwirtschaft. Die meisten Leiharbeiter sind nur wenige Monate in einem Entleihbetrieb beschäftigt. Es gibt aber Ausnahmen. Im Automobilbereich und im Flugzeugbau werden Zeitarbeiter auch mehrere Jahre im selben Betrieb eingesetzt. Nahles Gesetzentwurf sieht aber vor, dass die Tarifpartner von der geplanten gesetzlichen Begrenzung abweichen dürfen, wenn sie sich auf eine tarifliche Regelung zur Zeitarbeit verständigen.
Bertram Brossardt, Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw), kritisiert, dass nur tarifgebundene Unternehmen von der Überlassungshöchstdauer abweichen dürfen. Lange Überlassungszeiten, so Brossardt, gebe es häufig im hochqualifizierten Bereich, etwa in der Projektarbeit. „Es wäre absurd, diese Einsätze vorzeitig beenden zu müssen, weil die Überlassungshöchstdauer des Zeitarbeiters erreicht ist“, so Brossardt.
Wie oft Leiharbeit in ein festes Arbeitsverhältnis mündet, ist nicht bekannt. Das bayerische Arbeitsministerium weist aber darauf hin, dass drei von fünf Zeitarbeitnehmern, die zuvor arbeitslos waren, auch zwölf Monate später noch sozialversicherungspflichtig beschäftigt sind – in der Zeitarbeit oder einer anderen Branche.
Gewerkschaften warnen vor Lohndumping
Der Gesetzentwurf regelt außerdem, dass Leiharbeitnehmer spätestens nach neun Monaten so bezahlt werden müssen wie Stammbeschäftigte. Ausnahme: Wenn Leiharbeitern tarifvertragliche Zuschläge zustehen, besteht Anspruch auf gleiche Bezahlung nach zwölf Monaten.
Deutliche Einschränkungen soll es nach den Nahles-Plänen bei Werk- und Dienstverträgen geben. Durch derlei Verträge werden Aufträge an Drittfirmen vergeben. Zum Beispiel bei der Wartung der IT-Technik. Diese wird sehr oft an Fremdfirmen vergeben, weil das nötige Know-how im Unternehmen nicht vorhanden ist. Auch in der Logistik und im Anlagenbau sind Werkverträge üblich.
Künftig soll anhand von acht Kriterien festgestellt werden können, ob es sich tatsächlich um Werk- oder Dienstverträge handelt. vbw-Chef Brossardt kritisiert diesen Kriterienkatalog. Und nennt folgendes Beispiel: Ein Werkvertrag solle künftig nicht mehr vorliegen, wenn die geschuldete Leistung in den Räumen eines anderen erbracht wird. So stehe ein Industriebetrieb, der die IT-Betreuung in seinen Räumen einem IT-Spezialisten übertragen hat, künftig unter Verdacht, mit dem IT-Spezialisten ein Arbeitsverhältnis zu unterhalten. Erst recht, wenn der IT-Spezialist überwiegend für das Industrieunternehmen tätig ist.
Bayerns DGB-Chef Matthias Jena kann die Aufregung nicht verstehen: „Wir Gewerkschaften haben nichts gegen Flexibilität. Wenn aber Flexibilität so aussieht, dass ein Materialversorger bei einem Automobilunternehmen als Stammbeschäftigter tariflich 15,90 Euro bekommt, ein outgesourcter Materialversorger in einem nicht tarifgebundenen Betrieb jedoch nur den Mindestlohn von 8,50 Euro, dann ist das nicht die Flexibilität, die wir wollen“, so Jena. Es sei richtig, derlei Lohndumping zu stoppen. Jena weist außerdem darauf hin, dass Arbeitgeber Werkverträge immer öfter nutzen – und somit tarifbeschäftigtes Stammpersonal zunehmend einsparen: Seit 2012, klagt Jena, habe sich die Fremdvergabe von Arbeit auf Grundlage von Werkverträgen mehr als verdoppelt.
(Ralph Schweinfurth)
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