Politik

Ende Juli in der Nähe des Tatortes des Bombenattentats in Ansbach: "Menschlichkeit nicht Verdorren lassen" steht auf dem gelben Schild. (Foto: dpa)

22.08.2016

"Fränkisch-unaufgeregt"

Die Ansbacher waren stets stolz auf ihre Willkommenskultur. Und dann passiert ausrechnet in ihrer Stadt das erste mutmaßlich islamistisch motivierte Selbstmordattentat in Deutschland. Einen Monat danach lautet die Devise dort: Jetzt erst recht

Vor einem Monat geriet die Stadt Ansbach durch das Bombenattentat eines 27 Jahre alten Flüchtlings kurzzeitig aus den Fugen. Fünfzehn Menschen wurden bei dem ersten mutmaßlich islamistisch motivierten Selbstmordattentat in Deutschland verletzt. Der Attentäter selbst kam ums Leben. Inzwischen ist die Normalität in die Gemeinde zurückgekehrt. Die mittelfränkische Kommune ist stolz auf ihre Willkommenskultur und will daran festhalten.

Die Gläser vor der kleinen Weinstube sind inzwischen abgeräumt. Der Wirt hatte sie lange Zeit nach dem Anschlag stehen lassen: Es waren die Gläser verletzter Gäste, die nur einen Tisch vom Attentäter entfernt saßen. Auch sonst sind kaum noch Spuren des Anschlags zu sehen. Die Menschen genießen die Augustsonne und es scheint, als wäre nichts gewesen. Scheiben sind repariert, es stehen keine Plakate und keine Blumen mehr am Tatort. Man muss schon genau hinschauen: Vor der Weinstube steht ein rotes Auto, dass auch zur Tatzeit dort stand. Die Fahrertür ist von der Explosion immer noch verbeult.

Kurz nach der Tat war eine große Unruhe in Ansbach zu spüren. Das Attentat in der eigenen Stadt hatte die Menschen aufgewühlt. "Es ist eine empfindliche Stelle in unserer Stadtgesellschaft getroffen worden", hatte es Oberbürgermeisterin Carda Seidel (parteilos) formuliert. "Die Unruhe kam auch mit den vielen Medienvertretern aus der ganzen Welt", sagt Sylvia Bogenreuther von der Freiwilligenagentur Sonnenzeit.

Von den 193 ehrenamtlichen Helfern ist kein einziger abgesprungen

Die Agentur organisiert viele Projekte zur Integration von Flüchtlingen. "Wir haben zahlreiche Gespräche mit Ehrenamtlichen und mit Flüchtlingen geführt. Hier wurde deutlich, dass sich die anfängliche Verunsicherung in eine "Wir machen es besser"-Stimmung gewandelt hat", sagte Bogenreuther. Auch von den 193 ehrenamtlichen Helfern sei kein einziger abgesprungen. Vielmehr gelte für die meisten das Motto: Jetzt erst recht.

Auch mehrere Demonstrationen von Flüchtlingen trugen dazu bei, dass die Stimmung in der Stadt nicht kippte. Sie distanzierten sich deutlich von der Tat des 27-Jährigen. Hilfreich war zudem die "fränkische Unaufgeregtheit" der Ansbacher, wie Seidel sagt. Ein paar Tage lang hatten sie sich in ihre Häuser zurückgezogen. Mit dem Abziehen der internationalen Medien kamen sie wieder heraus und wollten möglichst schnell wieder zur Normalität zurückkehren.

Die "Ansbacher Erklärung" hat bereits 600 Unterstützer

Gut getan haben den Ansbachern zudem die Solidaritätsbekundungen aus der ganzen Welt. In der französischen Partnerstadt Anglet etwa gab es eine Demonstration, an der sich 250 Menschen beteiligten.

Und die Bürgerbewegung für Menschenwürde in Mittelfranken rief die sogenannte "Ansbacher Erklärung" ins Leben, der sich bisher mehr als 600 deutsche und ausländische Bürger angeschlossen haben. "Wir stehen ohne alle Einschränkungen für eine Stadt ein, die geprägt ist von einem Miteinander in gegenseitiger Achtung, Toleranz und Geschwisterlichkeit", heißt es da. Es soll ein Zeichen zum friedlichen Miteinander sein.

Die Ansbacher sind stolz auf ihre Willkommenskultur. Und daran soll sich nichts ändern. Oberbürgermeisterin Seidel fühlt sich im Nachhinein sogar eher bestätigt: "Dass wir etwas mehr tun als andere und dass wir näher an die Flüchtlinge herankommen wollen, ist der richtige Weg", sagt sie. "Diese Flüchtlingspolitik kann aber leider solche Attentate nicht verhindern." (Mathias Neigenfind, dpa)

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