Politik

Die Ausstellung "Frau Abgeordnete, Sie haben das Wort!" ist aktuell im Maximilianeum zu besichtigen. (Foto: Poss/Landtag)

10.11.2017

Frau Abgeordnete in Nöten

Anlässlich einer Ausstellung im Landtag debattierten Politikerinnen über Karrierehindernisse einst und heute

„Politik ist eine viel zu ernste Sache, als dass man sie allein den Männern überlassen könnte.“ Das sagte einst die Nürnberger Sozialdemokratin und Bundesministerin Käte Strobel. Ihr Satz wird zu Recht noch immer zitiert. Denn Frauen stellen zwar die Hälfte der Gesellschaft. Sie sind genauso klug wie Männer, genauso gebildet und befähigt. Und doch ist es nicht selbstverständlich, dass sich Frauen in der Politik engagieren und dort Karriere machen.

Die Ausstellung „Frau Abgeordnete, Sie haben das Wort!“, die jetzt im Maximilianeum eröffnet wurde, nimmt sich dieser Tatsache an. Sie will Wirken, Leistung und Selbstverständnis der bayerischen Parlamentarierinnen von 1946 bis heute dokumentieren „und so im öffentlichen Bewusstsein verankern“, wie die Regensburger Historikerin Daniela Neri-Ultsch erklärte.

Die von ihr zusammengestellte Schau setzt ein vor 99 Jahren, als Frauen in Bayern erstmals wählen konnten. Sie erzählt von der Zeit kurz nach dem Zweiten Weltkrieg, in der zunächst vier, dann fünf Mandatsträgerinnen im Landtag saßen, gefördert von den Amerikanern in einer Zeit, da es an Männern mangelte.

Die darauf folgenden Wirtschaftswunderjahre allerdings warfen die Frauenemanzipation auch in der Politik zurück. Bis in die 70er-Jahre hinein saßen nur sehr wenige Frauen im Landtag. Das änderte sich zwar mit dem Einzug der Grünen 1986, der einzigen Partei, die sich die Quote schon seit Anbeginn auf die Fahnen geschrieben hat. Doch insgesamt hat es in den vergangenen 70 Jahren nur 178 Politikerinnen im Landtag gegeben.

Und selbst, wer es in den Landtag geschafft hatte, konnte seine Talente dort nicht nach Gusto entfalten. Wichtige Entscheidungsposten blieben den Politikerinnen lange versagt. Eine Karriere wie die der Landtagspräsidentin Barbara Stamm (CSU) bildet da die Ausnahme.

Es dauerte, bis Barbara Stamm begriff, wo Politik gemacht wird: im Wirtshaus

Tatsächlich ist nur ein knappes Drittel der Politiker im Landtag weiblich. „Im kommunalen Bereich wird es noch schwieriger“, so Barbara Stamm. „Je kleiner die Gemeinde, desto weniger Frauen. Es gibt Städte, Gemeinden und Kreisräte, in denen keine einzige Frau vertreten ist – ich kann mir nicht vorstellen, dass dort keine Frauen auf den Listen stehen.“

Vieles ist erreicht worden in den letzten Jahrzehnten, vieles noch zu tun – darin bestand Einigkeit unter ehemaligen und gegenwärtigen Parlamentarierinnen, die aufs Podium geladen wurden. Krippen, Kitas, Horte, Nachmittagsbetreuung, Ganztagsschulen: All das öffnet für Frauen den Weg ins gesellschaftliche Leben. Während Stamms Kinder in den Ferien noch durchs Maximilianeum tollten, weil Betreuungsplätze fehlten, verfügt das Haus heute über 40 Kitaplätze. Stolz ist Stamm auch auf die Telearbeitsplätze, die geschaffen wurden.

Früher war manches eben doch schlechter. Und parteipolitische Gräben hin oder her: In der Einschätzung der Hürden und Herausforderungen auf ihrem Weg stimmten die Politikerinnen aller Fraktionen überein.

Unter ihren Erinnerungen war so manche Anekdote. Barbara Stamm etwa brauchte am Anfang ihrer Karriere eine Weile, um die Notwendigkeit zu begreifen, nach einer Würzburger Stadtratssitzung noch mit ins Wirtshaus zu gehen. Denn es waren die Hinterzimmer der Gasthöfe, in denen Politik gemacht wurde. Die Europaabgeordnete Ulrike Müller (Freie Wähler) erinnert sich, wie sie in ihrer ersten Gemeinderatssitzung neben der Kaffeemaschine platziert und aufgefordert wurde, das nächste Mal Kuchen mitzubringen. Ihr Rat: „Man muss tough auftreten, darf sich nicht unterkriegen lassen und muss seine Meinung sagen.“

Die SPD-Politikerin Karin Radermacher erzählte, dass bei Männern regelmäßig gefragt worden sei, welchen Vereinen sie angehörten, bei Frauen dagegen, ob sie ihre Sache gut machen. Sie vermutete: „Einige Kollegen sähen die Frauen noch heute am liebsten am Herd.“

Klar war den Politikerinnen auch, dass Frauen grundsätzlich härter arbeiten müssen, um Anerkennung zu finden. „Es ist schon ein Kampf“, sagte Müller. Und die Grünenpolitikerin Theresa Schopper berichtete, wie man sich als Frau mit den eigenen überzogenen Ansprüchen quält, aus der Furcht, nicht ernst genug genommen zu werden. Hochschwanger mit dem zweiten Kind habe sie nicht gewagt, eine Fraktionssitzung, die von 13 Uhr bis Mitternacht dauerte, zu verlassen. „Ich habe mir großen Druck gemacht.“

Scharf kritisiert wurde von allen Seiten die Münchner CSU, die nach den Bundestagswahlen keine einzige Frau nach Berlin schickt. Barbara Stamm bekannte: „Als ich anfing, war ich grundsätzlich gegen die Quote. Heute bin ich dafür.“ Es geht eben nicht alles von allein.

An die Ausstellung, die im kommenden Jahr in verschiedenen bayerischen Städten gezeigt werden soll, ist die Hoffnung geknüpft, Frauen zu ermuntern, sich stärker politisch einzubringen. Junge Frauen sollen sich an Vorbildern orientieren können, Quereinsteigerinnen motiviert werden. Denn noch ein anderes Thema macht den Politikerinnen Sorgen: das zunehmende Desinteresse der Bevölkerung, sich in Parteien zu engagieren. (Monika Goetsch)

Ausstellung im Landtag bis 19. Januar 2018. Montag bis Donnerstag von 9 bis 16 Uhr, Freitag bis 13 Uhr sowie sonntags während der Hausführungen im Rahmen des Sonntagscafés von 13 bis 15 Uhr. Eintritt frei!

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