Politik

Mit Anti-Europa-Populismus hat er eher wenig am Hut: CSU-Europagruppenchef Markus Ferber. (Foto: dpa)

24.01.2014

Für Europa sein und gleichzeitig dagegen

Ein Good-guy-bad-guy-Tandem soll’s für die CSU beim Urnengang im Mai richten

Die CSU geht mit zwei Spitzenkandidaten in den bevorstehenden Europawahlkampf: einem echten und einem gefühlten. Der echte heißt Markus Ferber, ist Sprecher der CSU-Europagruppe und soll am morgigen Samstag in München erneut auf Platz 1 der CSU-Liste für die Europawahl gesetzt werden. „Ich werde Markus Ferber vorschlagen“, hat Parteichef Horst Seehofer schon angekündigt. Was insofern berichtenswert ist, als das Verhältnis der beiden nicht ganz störungsfrei ist. Ferber verdreht oft genervt die Augen, wenn er in Brüssel wieder mal einen Euro-Populismus aus der Staatskanzlei gerade-
rücken muss, und aus Seehofers Sicht ist der bedächtig abwägende Schwabe nicht gerade der Stimmen-Magnet. Vor fünf Jahren jedenfalls musste Ferber intern um die Spitzenkandidatur kämpfen.
Innerhalb der CSU-Europagruppe ist Ferber unumstritten, bei Seehofer scheinen Restzweifel geblieben. Weshalb er ihm einen gefühlten Spitzenkandidaten zur Seite stellt: Peter Gauweiler. Den Münchner Bundestagsabgeordneten mit dem Hang zum Volkstribun hat Seehofer erst vor zwei Monaten mit Blick auf die Europawahl zum Parteivize befördern lassen. Gauweiler, ein überzeugter Europäer, in der CSU aber auch der profilierteste Kritiker des europäischen Einigungsprozesses, soll im Europawahlkampf die emotionale Lücke schließen, die der seit 1999 in den europäischen Institutionen sozialisierte Fachmann Ferber lässt. Es ist die Fortsetzung des CSU-Dualismus, für und gegen Europa gleichzeitig zu sein, wie er spätestens seit der Doppelspitze Stoiber/Waigel in den 1990er Jahren Tradition – und Erfolg – hat.
Offiziell will Seehofer nichts von einem „Good-guy-bad-guy-Tandem“ wissen. Doch zweifellos steckt hinter dem ungleichen Duo Strategie. Deutlich wird das schon bei den ersten großen Redeauftritten der beiden. Am Samstag auf der Delegiertentagung wird Ferber die europapolitische Grundsatzrede halten, die wohl eher ins Staatstragende tendieren wird. Dafür tritt Gauweiler als Gastredner beim Politischen Aschermittwoch in Passau auf – eine Veranstaltung, bei der derber Populismus zum guten Ton gehört. Der „Violinschlüssel“, wie Gauweiler gerne sagt, ist bei beiden derselbe, nur steht bei Ferber eher ein „piano“ unter den Notenzeilen und bei Gauweiler ein „fortissimo“.

Sooo groß sind die Differenzen gar nicht zwischen Gauweiler und Ferber


Ferber stört der Wahlkampfeinsatz Gauweilers nicht, obwohl er mit diesem schon manche Händel ausgetragen hat. Vor drei Jahren, auf dem Höhepunkt der Euro-Krise, stritten sie um das neue Europa-Papier der CSU. Am Ende stand ein Kompromiss, der sich mehr nach Ferber als nach Gauweiler las. Dissens in europäischen Grundsatzfragen sieht Ferber auch heute nicht, eher in der Pointierung. Und Seehofer betont: „Unser europapolitischer Kurs steht, es gibt nicht die geringsten Flügelkämpfe.“ Denn Subsidiarität, Entbürokratisierung und die Renationalisierung vieler von Brüssel an sich gezogener Kompetenzen sowie ein vorläufiger Neuaufnahmestopp in die EU wollen sowohl Ferber als auch Gauweiler. Dass Gauweiler kein Freund des Euro ist („Esperanto-Geld“), tut dem keinen Abbruch – Währungsstabilität statt Schuldenunion gehört zum Credo der CSU.

Die Umfragen sind günstig für die CSU


Ohnehin ist es Seehofer, der die Grobrichtung für den Wahlkampf vorgibt. Er sei ein „großer Anhänger der europäischen Idee“, der „mit Sicherheit genialsten in der Nachkriegsgeschichte“. Von dieser „Friedens-, Freiheits- und Wertegemeinschaft“ profitiere kaum jemand mehr als Deutschland. Dann folgt jedoch schon das große CSU-Aber. Die Idee müsse nun praktisch umgesetzt werden. Und mit dem „Übermaß an europäischer Zentralisierung und Reglementierung“ sei das nicht zu schaffen. Deshalb beharrt die CSU auf einer Organisations- und Kompetenzstraffung bei der EU-Kommission. Die hat, meint Seehofer, zu viel Zeit und Personal, um sich mit Nebensächlichem wie den Ölkännchen auf Wirtshaustischen zu beschäftigen.
Mit diesem geschmeidigen „Ja-aber-Ansatz“ wähnt sich der CSU-Chef auf dem richtigen Weg. „Unser Kurs kann nicht so falsch sein, wenn wir damit 50 Prozent der Wähler hinter uns haben“, verweist er auf den jüngsten „Bayern-Trend“ des Bayerischen Fernsehens, in dem auch die Sonntagsfrage zur Europawahl gestellt wurde. Um zu den 50 noch ein „plus X“ herauszukitzeln, will Seehofer mit der „Armutszuwanderung“ ein weiteres „Ja-aber-Thema“ in den Wahlkampf einführen. „Ja zur Freizügigkeit in der EU, aber Nein zum Missbrauch unserer Sozialsysteme“, lautet es. „Das Thema steht auf Platz 1 des Politbarometers“, sagt Seehofer. Und daran vorbei hat Seehofer noch selten agiert. (Jürgen Umlauft)

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