Politik

26.10.2012

Ganz weit nach vorn blicken

Bei den Parteitagen von CSU und SPD sorgten Prognosen und Spekulationen über eine recht ferne Zukunft für Aufsehen

"Bayerisches Paradox“: CSU-Veteran Peter Gauweiler hat kurz vor dem Parteitag der Christsozialen ein schönes Bonmot geprägt. Er bezog es auf die Fähigkeit seiner Partei, politische Minenfelder zu entschärfen, indem man sich überraschend zusammenrauft – oder jedenfalls so tut, als ob. Gauweiler meinte die Streitfrage Europa. Zur allgemeinen Überraschung nämlich präsentierte die CSU beim Parteitag einen Leitantrag „Zukunft Europa“, in dem sich auf wundersame Weise all jene wiederfanden, die bisher in der Europapolitik eher nicht kompatibel waren: Peter Gauweiler und CSU-Ehrenvorsitzender Theo Waigel etwa, oder Generalsekretär Alexander Dobrindt und CSU-Europagruppenchef Markus Ferber. Wie das gelang? „Es wurde ein Antrag gestrickt, in dem sich jeder wiederfindet“, sagt eine prominente Delegierte. Grund: Die Christsozialen wollten sich nicht als zänkischer Haufen präsentieren, sie wollten sich auch nicht der Peinlichkeit aussetzen, mit erfolglosem Stänkern (gegen den Verbleib Griechenlands in der Euro-Zone etwa) ihre Machtlosigkeit zu demonstrieren, und sie wollten drittens an der Popularität von Kanzlerin Merkel partizipieren, die – trotz oder auch wegen ihrer Europapolitik – in Umfragen vor CSU-Chef Seehofer liegt.
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Die Nachfolgedebatte: Singulär in der CSU dürfte sein, dass sechs Jahre vor der übernächsten Landtagswahl (im Jahr 2018) der oder die potenzielle Nachfolger/in thematisiert wird – und zwar vom Amtsinhaber selbst: „Ich versuche, eines der wenigen Beispiele in Deutschland zu organisieren, dass dieser Übergang organisch gelingt.“ Sprach Seehofer, um vier Kandidaten in spe zu benennen: Bundesagrarministerin Ilse Aigner (die sich beim Parteitag jedenfalls nicht in den Vordergrund drängte), Finanzminister Markus Söder, Sozialministerin Christine Haderthauer und Innenminister Joachim Herrmann. Sogar einen – nicht namentlich benannten – „Joker“ brachte Seehofer ins Spiel. Um die Personalspekulationen sodann mit dem Namen Karl-Theodor zu Guttenberg zu toppen. Den will Seehofer nach der Landtagswahl 2013 reaktivieren. In der CSU wertete man dies als typischen Seehofer: „Der betreibt Politik wie ein Marionettentheater: als Spiel“, urteilen verschiedene CSU-Größen. Trotz derlei Lästereien: Dass der schillernde KT zu Guttenberg zurückkehrt, halten viele CSU-ler für eine Pfundsidee.
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Während Seehofer in München die Konkurrenz ignoriert, so gut es geht, sucht sein Herausforderer Christian Ude (SPD) beim Parteitag in Nürnberg die Konfrontation. Er geißelt die „Machtarroganz“ der CSU, die Land und Partei als Einheit betrachte, er zweifelt deren Kompetenz an: in der Bildungs-, der Finanz- und der Energiepolitik. Überall habe die SPD bereits seit Jahren Alternativen aufgezeigt, die die Staatsregierung nun stückweise nachvollziehe. Bleibe die Frage: „Warum muss man immer warten, bis die CSU ein Einsehen hat, wenn man gleich am Anfang die Partei mit den besseren Ideen wählen kann?“
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Der Münchner „Bürger-King“ und seine Partei haben lange gefremdelt. Auf dem Nominierungsparteitag kommt aber alles zusammen: eine unbedingt begeisterungswillige SPD und ein galanter Kandidat. Ude präsentiert sich als in der Wolle gefärbter Sozi und als einer, der mit der Erfahrung aus bald 20 Jahren Oberbürgermeister in München eine Ahnung davon haben könnte, wie der übermächtigen CSU beizukommen wäre.
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Die Parteitagsregie der SPD versucht alles, um in den engen Messesaal gute Stimmung zu bringen. Die etwas schräg intonierende Dixie-Band macht Nürnbergs OB Ulrich Maly mit einem ebenso wohltemperierten wie Harmonie stiftenden Grußwort wett. Es spricht SPD-Bundeschef Sigmar Gabriel als prolliger Einpeitscher. Allerlei Prominenz wird aufgeboten, von Schauspielerin Jutta Speidel über Moderator Ron Williams und den nimmermüden Konstantin Wecker bis hin zu Verena Bentele, eine der erfolgreichsten Athletinnen im Behindertensport. Am Ende steht auch Edith von Welser-Ude auf der Bühne. „Vor Wut geheult“ habe sie, bekennt die Ude-Gattin mit brüchiger Stimme, als sie vom neuen Karriereziel ihres Christian erfahren habe.
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SPD-Landeschef Florian Pronold bereitet die Seinen derweil auf einen „Höllenritt“ vor. Und beschwört die Partei, für Ude zu ackern. „Macht das Doppelte von dem, was ihr vorhattet, und es wird trotzdem nur die Hälfte dessen sein, was nötig ist“, zitiert er den Altvorderen Johannes Rau. Edith von Welser-Ude rühmt das Durchhaltevermögen ihres Christian. Mit acht Jahren habe er Oberbürgermeister werden wollen, mit 45 habe er es geschafft. Na dann steht einem Ministerpräsidenten Christian Ude im Jahr 2050 ja nichts mehr im Wege!
(Waltraud Taschner, Jürgen Umlauft)

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