Politik

16.09.2011

Gefällt mir nicht!

Christsoziale und Liberale streiten über den richtigen Umgang mit dem sozialen Netzwerk Facebook

Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner warnt vor der Nutzung des sozialen Netzwerks Facebook. Geht es nach der CSU-Frau sollten Politiker wie Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer mit gutem Beispiel vorangehen und ihre Fanseiten aus dem Netz nehmen. Die FDP und Bayerns Datenschützer können die Aufregung um Facebook und Co. dagegen nicht nachvollziehen. Wenn es nach der Bundesverbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) geht, sollte Horst Seehofer (CSU) verschwinden. Nicht als bayerischer Ministerpräsident, sondern aus dem sozialen Netzwerk Facebook. Aigner empfiehlt aufgrund datenschutzrechtlicher Bedenken, mit gutem Beispiel voranzugehen und wie sie selbst keine Fanseiten mehr zu betreiben. Ministerien sollen sogar grundsätzlich auf Fanpages verzichten und „Social Plug-ins“ ausnahmslos von amtlichen Internetseiten entfernen.
Der IT-Beauftragte der bayerischen Staatsregierung Franz Pschierer (CSU) plant seit dieser Woche zudem einen Internetleitfaden für Beamte im Umgang mit Freundesnetzwerken. Zieht die CSU dieser Tage in einen Kampf gegen Facebook?


Bayerns Liberale gegen strengere Regeln für Beamte


„Nein“, sagt Pressesprecher Franz Stangl der CSU-Landtagsfraktion. Die Aufregung um diese Angelegenheit kann er nicht ganz nachvollziehen: „Ich verstehe Frau Aigner, halte aber die Risiken für überschaubar.“
In der jüngsten Debatte geht es neben den Facebook-Fanseiten auch um die „Gefällt mir“-Buttons auf Webseiten außerhalb Facebooks. Wem beispielsweise ein Kinotrailer zusagt, der kann gleich unter dem entsprechenden Video die Hand mit dem nach oben gestreckten Daumen anklicken – egal ob er zu den 20 Millionen Mitgliedern in Deutschland zählt oder nicht.
In beiden Fällen werden dabei laut des schleswig-holsteinischen Datenschutzexperten Thilo Weichert persönliche Anwenderdaten in die USA weitergeleitet. Weichert wirft dem Social Network vor, mit diesen Informationen Nutzerprofile für Werbekunden zu erstellen. Da die Internetplattform damit gegen deutsche Datenschutzgesetze verstoße, droht Schleswig-Holstein dem Konzern mit einem Bußgeldverfahren.
Der Bayerische Landesdatenschutzbeauftragte Thomas Petri spricht aus diesem Grund derzeit ebenfalls mit der Staatskanzlei. Seit Petri zum Hörer griff, nehmen alle Ministerialseiten sicherheitshalber Abstand vom „Gefällt mir“-Knopf. Ob eine akute Gefährdung für Internetuser vorliegt, kann er allerdings momentan noch nicht abschließend sagen: „Die Verantwortlichen waren sehr schnell in ihrer Beurteilung“, resümiert Petri. „Für uns ist bislang noch keine seriöse rechtliche Bewertung möglich“.
Pschierers Vorstoß begrüßt der Datenschüt er, da er bereits in seinem Tätigkeitsbericht von 2010 gefordert hatte, einen Leitfaden zu entwickeln. Ihm seien Fälle von Sozialamtsmitarbeitern bekannt, die auf Facebook gänzlich gegen den guten Geschmack verstoßen haben. „Solange Staatsbeamte nur sensibilisiert und nicht gegängelt werden, ist dieses Vorhaben daher in meinen Augen absolut richtig.“
Kritischer drückt sich hingegen ausgerechnet der Koalitionspartner der CSU aus. Für den innen- und rechtspolitischen Sprecher der FDP-Landtagsfraktion Andreas Fischer sind die Reaktionen nach Aigners Aufruf etwas übertrieben.
Pschierers Idee lehnt er sogar vollkommen ab: „Beamte brauchen keine Bevormundung.“ Ihn erstaune es, wenn ein Finanzstaatssekretär seinen Amtsträgern in offiziellen Äußerungen erklärt, dass sie keine Party- oder Nacktfotos von sich bei Facebook hochladen sollen. „Ich finde das lebensfremd, denn mein Beamtenbild sieht anders aus“, versichert er.
Während des Dienstes sei Zurückhaltung auf sozialen Plattformen eine Selbstverständlichkeit, und außerdienstlich wüssten die Staatsdiener selbst, was angemessen ist. Franz Schindler (SPD) nennt Pschierers Internetanordnung „unüberlegt und undifferenziert“ – Aigners Vorschläge dagegen eine „richtige Empfehlung“. Dem Rechtsexperten der SPD-Landtagsfraktion seien die Sorgen bei Applikationen rund um Facebook bekannt, weshalb seine Partei die Homepage schon vor längerer Zeit davon befreit habe. Die Probleme ließen sich, so Schindler, jedoch nicht durch Verbote, Zensur und Bußgelder lösen, sondern ausschließlich durch eine verstärkte Medienpädagogik.
Die Landtagsgrünen denken in eine andere Richtung: „Jeder Nutzer muss wissen, wohin seine Daten übertragen werden“, verlangt das Mitglied der Datenschutzkommission Christine Kamm. Die Politik müsse mehr machen, als bloß die Buttons von Regierungsseiten zu löschen.
„Wir brauchen bei datenschutzrechtlichen Richtlinien gesetzliche Regelungen und Mindeststandards anstelle eines Kodexes.“ Die Anweisungen für Staatsdiener sind für Kamm überflüssig, da diese bereits über das Beamtendienstrecht geregelt würden.


SPD, Grüne und Piraten machen ebenfalls mobil


Für die Piratenpartei müsste die Bundesregierung zuallererst selbst ein Vorbild sein. Statt mit dem Finger auf andere zu zeigen, sollte sie lieber aufhören, etwa bei Volkszählungen Informationen von Bürgern zu sammeln, lässt deren Landesverband verlauten.
Die einzelnen Ministerien und ihre Angestellten können über die aktuelle Diskussion lediglich den Kopf schütteln: „Die hitzige Debatte, die jetzt ausgebrochen ist, wird dem schwierigen Thema nicht ganz gerecht“, meint zum Beispiel Bayerns Justizministerin Beate Merk (CSU).
Aus dem FDP-geführten Wirtschaftsministerium ist zu hören, man würde das Web 2.0 in Zukunft gerne weiternutzen, „gerade um auch junge Menschen zu erreichen und anzusprechen“. Bisher unterhält allerdings selbst die bayerische Staatsregierung trotz Aigners Warnungen noch ihre Seite „Bayern“ auf Facebook. Und Seehofer ist gleichfalls weiter online.
Auch Kamm wird ihre Fanpage nicht abschalten. Gleiches gilt für Fischer: „Das einzig Tröstliche an Aigners Vorschlag ist, dass ich immerhin noch selbst entscheiden darf, ob ich eine Fanseite haben will oder nicht“, schnauft er.
> david lohmann

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