Politik

Korruption: Kommt häufig vor, ist aber schwer nachzuweisen. (Foto: dpa)

17.10.2014

Geld gegen Wohlwollen: verboten!

Ab sofort können sich auch kommunale Mandatsträger wegen Korruption strafbar machen - die Aufregung ist groß

Seit 1. September gibt es endlich neue strafrechtliche Spielregeln für das Verhältnis von Wirtschaft und Politik. Der Bundesgesetzgeber wollte die Bestechung von Mandatsträgern erschweren – vor allem Kommunalpolitiker sind alarmiert. Zu Recht?
Mit Geld das Wohlwollen von Politikern sichern: Bislang konnte korruptes Verhalten von Amtsträgern nur dann geahndet werden, wenn mit der Gewährung eines materiellen Vorteils die Stimmabgabe in einer parlamentarischen Abstimmung gekauft wurde. Seit 1. September ist das anders. Der neue Paragraf 108e des Strafgesetzbuchs (StGB) sieht vor, den zu bestrafen, der sich im Amt mit Geld oder anderen Wohltaten bestechen lässt – und danach sein politisches Engagement für eine bestimmte Sache ausrichtet. Im Juristendeutsch: Wer für einen Vorteil jedweder Art „bei der Wahrnehmung seines Mandates eine Handlung im Auftrag oder auf Weisung vornehme oder unterlasse“, muss mit einer Geld- oder einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren rechnen.

Bis jetzt konnten Kommunalpolitiker wegen Korruption nicht belangt werden


Die Vorschrift gilt auch für kommunale Mandatsträger. Bis jetzt konnten sie strafrechtlich wegen Korruption nicht belangt werden, da sie als Mitglieder kommunaler Gremien nicht als Amtsträger im strafrechtlichen Sinn gesehen wurden. Bei Bayerns knapp 34 000 Mandatsträgern in Gemeinde-, Stadträten, Kreis- und Bezirkstagen ist deshalb die Verunsicherung groß. „Viele befürchten, dass sie künftig einem Generalverdacht ausgesetzt sind“, sagt Hans-Peter Mayer, Direktor und Referatsleiter für Finanzpolitik und Rechte der Bürgermeister beim bayerischen Gemeindetag. „Welche Vorteile, etwa Essenseinladungen, können künftig den Vorwurf der Bestechlichkeit hervorrufen?“ Derzeit wisse niemand, woran er sei. „Wo sind die Grenzen? Bei vier Bier und zwei Hendl?“  Johann Keller, Geschäftsführer des bayerischen Landkreistages, empört sich: „Hier wird das Kind mit dem Bade ausgeschüttet.“ In einem gemeinsamen Brief mit den drei anderen kommunalen Spitzenverbänden forderte er vom bayerischen Innenministerium bereits Mitte August eine Handlungsanweisung für kommunale Mandatsträger.
Die Aufregung ist wohl umsonst: Tatsächlich ist es nämlich so, dass auch nach der neuen Gesetzeslage sowohl einzelne Kommunen wie auch die kommunalen Spitzenverbände ganz konkrete Vorgaben für ihre Kommunalpolitiker erlassen können, wie eine Sprecherin des bayerischen Justizministeriums der Staatszeitung sagt: „Es liegt zuvorderst an den kommunalen Vertretungskörperschaften, die näheren Einzelheiten – im Rahmen der (kommunal-)verfassungsrechtlichen Grenzen – festzulegen.“ Michael Kubiciel, Korruptionsexperte und Professor für Strafrecht an der Universität zu Köln, bestätigt das: „Statt des für viele Mandatsträger gar nicht zuständigen Innenministeriums sollten die Vertretungskörperschaften selbst Verhaltensregeln beschließen.“ Diese schüfen auch für die Betroffenen Rechtssicherheit, auch wenn sie nicht jedes Detail regeln könnten. „Natürlich sind Einladungen zu Bier und Hendl kein Problem“, betont er. In Grenzfällen könne aber gesunder Menschenverstand weiterhelfen. Und Fingerspitzengefühl.

Transparency International: Eine Einladung zu einem dreigängigen Abendessen ist übertrieben


Das sieht auch Christian Humborg so, Deutschland-Geschäftsführer von „Transparency International“. Dass Politiker sich mit Bürgern oder Unternehmern auch mal zum Kaffee treffen, sei „richtig“. Was ist dafür der angemessene Rahmen? „Eine Einladung zu Schnittchen halte ich für zulässig“, sagt Humborg, „ein dreigängiges gesetztes Abendessen eher nicht“. Er verweist zudem darauf, dass einzelne deutsche Städte bereits Antikorruptionsregeln für ihre Mandatsträger haben: zum Beispiel Köln. Wobei, so der Transparenzexperte, „einheitliche Regelungen der kommunalen Spitzenverbände aber sinnvoller wären“.
In Bayern hat sich Regensburg eine unbürokratische Lösung verordnet: „Es existiert eine eigene Antikorruptions-Richtlinie“, sagt Bernd Wittmann, Fachanwalt für Arbeitsrecht und für die Stadt Regensburg als Ombudsmann zur Verhütung und Bekämpfung von Korruption bestellt. „Der Stadtrat hat sich 2012 freiwillig einen Ehrenkodex auf Basis dieser Richtlinie gegeben.“ Auf eine Anweisung des Innenministeriums zu warten, meint der Jurist, sei „absurd“.
Die Scheu der Kommunalpolitiker vor eigenen Regeln erklärt sich Kubiciel, der bis 2013 in Regensburg lehrte, so: „Die Betroffenen hatten bislang kein Interesse, die Zulässigkeit der Entgegennahme von Vorurteilen zu regeln.“
Eine ganz andere Frage ist hingegen, was die neue Gesetzeslage tatsächlich bringt. Nicht wenige Juristen meinen: nichts. Der neue Paragraf 108e StGB „wird in der Gerichtspraxis ins Leere laufen“, prophezeit Kubiciel. Denn wie solle einem Mandatsträger nachgewiesen werden, dass eine Zuwendung tatsächlich Einfluss auf sein Verhalten hatte. „Wenn er durchschnittlich clever ist, wird er einfach sagen: „Ich hätte ohnehin so gehandelt, die Zuwendung war dafür nicht ausschlaggebend.’“ Allerdings: Ermittlungsverfahren werden durch die Vorschrift erleichtert. „Und die kommen im politischen Bereich einer Strafe gleich.
Transparenzexperte Christian Humborg rät dazu, erstmal abzuwarten. „Wenn sich herausstellt, dass Staatsanwälte regelmäßig ins Leere laufen mit ihren Ermittlungen und die Gerichte keine Anklagen zulassen, muss man das Gesetz nachbessern.“
In der Zwischenzeit können die aufgeregten Kommunen und ihre Verbände in Bayern aber in jedem Fall Fakten schaffen – und an eigenen Regeln zur Korruptionsvermeidung arbeiten. (Angelika Kahl, Waltraud Taschner)

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