Politik

Zeitungen im Eimer? Viele Verlage geraten unter wirtschaftlichen Druck und entlassen Mitarbeiter. Oder stellen Blätter gleich ganz ein. (Foto: dpa)

26.09.2014

"Geld vom Staat ist kein Allheilmittel"

Medienforscher Christoph Neuberger über alternative Geschäftsmodelle für den Journalismus und die Risiken öffentlicher Subventionen

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk wird gefördert, Print-Erzeugnisse werden das aber nicht. Angesichts der Zeitungskrise werden die Stimmen, die Subventionen auch für die Printbranche fordern, immer lauter. Christoph Neuberger, Professor am Institut für Kommunikationswissenschaft und Medienforschung an der LMU München, hält das für keine gute Idee, denn Studien zeigen: Kritischer Journalismus hat dann oft das Nachsehen.

BSZ:
Herr Neuberger, was haben Sie nach dem Aufstehen heute als Erstes gelesen?
Christoph Neuberger: Spiegel online und sueddeutsche.de auf meinem Smartphone. Das ist mein übliches Nachrichten-Menü.

BSZ: Immer mehr Leser stellen sich ihr individuelles Menü aus kostenlosen Angeboten im Netz zusammen – ist das ein Trend, der noch weiter zunehmen wird?
Neuberger: Ja, ein Tageszeitungs-Leser vertraut darauf, dass die Redaktion ihm einen universellen Nachrichtenüberblick liefert. Das Internet aber trainiert uns eine andere Vorgehensweise an. Wir lassen uns zum Beispiel von Facebook-Links leiten. Oder googeln ein bestimmtes Thema und landen bei mehreren Treffern, aus denen wir auswählen können. Die klassische Leser-Blatt-Bindung wird damit gelockert.

BSZ: Das hat konkrete Auswirkungen auf die Verlage. Keine Woche ohne Hiobsbotschaft. Jetzt will man bei der FAZ 200 Stellen einsparen. Mit welchem Geschäftsmodell kann Qualitätsjournalismus noch funktionieren?
Neuberger: Das ist eine Frage, mit der sich die Branche gerade weltweit herumschlägt. Letztlich gab es immer diese beiden Möglichkeiten: Werbung und Verkaufserlös. Und dazu sehe ich auch heute keine echte Alternative.

BSZ: Genau dieses Geschäftsmodell scheint aber doch nicht überlebensfähig. Um die FAZ und auch andere Qualitätsmedien zu retten, hat der Historiker Arnulf Baring eine nationale Pressestiftung gefordert. Was halten Sie von öffentlichen Subventionen für die Printbranche?
Neuberger: Das ist sicher kein Allheilmittel. In Nordrhein-Westfalen will man mit der Stiftung Vielfalt und Partizipation jetzt die Lokal- und Regionalpresse fördern. Wie das genau aussehen soll, weiß man aber noch nicht. Ein aktuelles Gutachten aus Österreich verweist auch auf die negativen Auswirkungen. Subventionen schaffen Abhängigkeiten. In Frankreich, wo die Presse stark subventioniert wird, gibt es immer wieder die Kritik, dass Politiker mit Samthandschuhen angefasst werden. Kritischer Journalismus und investigative Recherchen sind bei uns jedenfalls häufiger zu finden.

"Unabhängige Gremien funktionieren auch beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk nur halbgut"


BSZ:
Käme es nicht auf die Ausgestaltung an?
Neuberger: Natürlich, eine Maßregel wäre, dass eine unabhängige Einrichtung, die ganz klaren Regeln unterliegt, geschaffen wird. Beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk sehen wir aber auch, dass der Versuch, unabhängige Gremien einzusetzen, nur halbgut funktioniert.

BSZ: Ein öffentlich-rechtlicher Rundfunk, der auch mit Kochshows oder Soaps wie „Dahoam is dahoam“ glänzt, ist förderwürdig. Warum Zeitungen nicht?
Neuberger: Man hatte damals die Vorstellung von einer Art Gewaltenteilung im medialen Bereich. Auf der einen Seite gibt es die privatwirtschaftliche Presse, wo politische Einflussnahme nicht stattfindet, dafür aber eine Anzeigenfinanzierung zu finden ist. Auf der anderen Seite den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, bei dem man eine geringere ökonomische Abhängigkeit vermutete. Dies gilt nur in Grenzen. Natürlich wissen wir, dass es auch bei den Öffentlich-Rechtlichen eine Form von Ökonomisierung gibt. Mit seichtem Vorabendprogramm schafft man zum Beispiel für Werbespots ein passendes Umfeld. Und natürlich macht sich eine Qualitätspresse nicht von ihren Anzeigenkunden abhängig.

BSZ: Warum soll man sie also nicht subventionieren?
Neuberger: Abgesehen davon, dass neue Abhängigkeiten entstehen könnten, fördern Subventionen nicht gerade den Wettbewerb. Warum sollte eine Zeitung ihre Qualität steigern, wenn sie die Gewissheit hat, mit öffentlichen Geldern sowieso zu überleben? Außerdem gibt es auch in Deutschland durchaus schon Unterstützung – zum Beispiel über den ermäßigten Mehrwertsteuersatz. In diese Richtung könnte man noch weiterdenken. Heikel wird es aber dann, wenn die Inhalte und die Redaktionen selbst betroffen sind. Wer entscheidet beispielsweise bei Recherchestipendien, welches Thema behandelt wird und welches nicht? So etwas sehe ich ungern in staatlicher Hand, sondern lieber in Hand privater gemeinnütziger Stiftungen.

Der Trend geht dahin, Redaktionen zusammenzulegen


BSZ: Gemeinnütziger Journalismus, private Stiftungen und auch Crowdfunding sind auf dem Vormarsch – ist das der richtige Weg?
Neuberger: Im Einzelfall kann das sehr hilfreich und sinnvoll sein. Aber ich glaube, dass es die Branche insgesamt nicht retten wird. Der Journalismus muss es wieder schaffen, die Leute vom Produkt zu überzeugen – mit exklusiven und qualitativ hochwertigen Inhalten. Zugegeben: Das ist schwerer geworden. Deshalb glaube ich auch, dass zwangsläufig eine Art Marktbereinigung stattfinden wird. In Deutschland gibt es über 130 Tageszeitungen mit eigenem Mantelteil. Am Ende wird sich nur eine kleine Anzahl an überregionalen Anbietern durchsetzen können. Und regionale müssen sich überlegen, ob sie ihren Schwerpunkt nicht noch deutlicher auf den regionalen Bereich setzen müssen.

BSZ: Und große Verlage übernehmen kleinere Zeitungen. Einen Qualitätsanstieg kann man dabei aber selten beobachten, oder?
Neuberger: Das ist ein großer Streitpunkt. Verlage betonen gerne, mit einer Verschmelzung verschiedener Zeitungen eine größere Binnenvielfalt zu schaffen und das Überleben kleinerer Blätter zu sichern. Und ganz von der Hand zu weisen ist das Argument nicht.

BSZ: Na ja, oft werden dann einfach redaktionelle Inhalte zugeliefert oder Agenturtexte gedruckt. Beispiel Münchner Abendzeitung. Dort gibt es so gut wie keine eigenständige Politikberichterstattung mehr.
Neuberger: Mit einem Sparmodell schafft man natürlich keine Vielfalt. Es kommt darauf an, was ein Verlag vor hat. Leider geht der Trend dahin, Redaktionen zusammenzulegen und Journalisten untertariflich zu bezahlen.

BSZ: Das klingt nach einem Teufelskreis: Zeitungen sollen die Qualität erhöhen, andererseits müssen sie sparen, weil sie unter wirtschaftlichen Druck geraten sind. Was wäre ein Ausweg?
Neuberger: Der Journalismus müsste auch noch viel deutlicher machen, dass er eine wichtige gesellschaftliche Institution ist – auch für die Demokratie. Man müsste es schaffen, den Bürgern das Verantwortungsbewusstsein zu vermitteln, für Qualitätsjournalismus zu bezahlen – und zwar nicht nur für den Eigenbedarf an Informationen.
(Interview: Angelika Kahl)

Kommentare (1)

  1. gauni2002 am 26.09.2014
    Medien haben die politische Aufgabe, die Meinung der Menschen nicht nur zu kollektivieren, sondern auch in die richtige politische Bahn zu bringen. Deshalb ist oder wäre es auch besser, wenn die Politik staatsmeinungskonforme Medien besser unterstützen/subventionieren würde. Immerhin verkaufen diese dem Menschen eine Illusion, welche dazu dient, die totale wahrheit zu verschleiern.
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