Politik

Manfred Weber, 42, ist Vorsitzender der konservativen EVP-Fraktion im Europäischen Parlament und CSU-Präsidiumsmitglied. (Foto: EVP)

12.06.2015

"Gemeinsame Haltung zu Russland ist ein hohes Gut"

Manfred Weber (CSU), Vorsitzender der europäischen Volkspartei im Europaparlament, über Ergebnisse des G7-Gipfels, die Folgen von Russlands Ausschluss und das Thema TTIP

BSZ: G7-Gipfel in Bayern: Fanden Sie es eigentlich schade, dass Herr Juncker und Herr Tusk teilnehmen durften und Sie nicht?
Manfred Weber: Das ist auch nicht meine Aufgabe als EVP-Fraktionsvorsitzender. Europa war mit EU-Ratspräsident Donald Tusk und EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker stark vertreten. Damit kommt zum Ausdruck, dass die EU in der Gemeinschaft der westlichen Demokratien eine wesentliche Rolle spielt.

BSZ: Haben Sie den beiden einen Ratschlag mit auf den Weg gegeben, als Sie sie in Brüssel verabschiedet haben?
Weber: Es ist wichtig, dass Europa die Themen einbringt, die die Menschen bewegen: mehr zu tun für den Klimaschutz, eine enge Partnerschaft mit Afrika und bessere Gesundheitsvorsorge dort, die Stärkung der Frauenrechte oder das Vorantreiben des weltweiten Freihandels als Grundlage für unseren Wohlstand. Das besprechen wir häufig miteinander, und bei diesen Themen sind wir durch den G7-Gipfel ein gutes Stück weitergekommen.

BSZ:
Die G7 ist ja auch ohne EU-Vertreter eine arg europalastige Veranstaltung. Mit Blick auf einige Wirtschaftskennzahlen könnte man ohne Weiteres auch Brasilien und Indien einladen. Was spricht aus Ihrer Sicht dafür, das Format G7 beizubehalten?
Weber: Es braucht Formate, bei denen sich die Spitzen der westlichen Demokratien über die großen Herausforderungen austauschen können. Das ist der G7-Gipfel. Dort sitzen die größten und wirtschaftsstärksten westlichen Demokratien und die EU am Tisch. Fast 50 Prozent der weltweiten Wirtschaftskraft kommen dort zusammen. Das ist nicht nur Stärke, sondern vor allem Verantwortung für die Welt. Und die ist in Elmau gerade auch wegen der gemeinsamen Sitzung mit afrikanischen Staats- und Regierungschefs deutlich geworden.

"Die Griechenland-Krise wird die EU stärken"

BSZ: Fast 100 Millionen Euro hat allein Bayern in diese zwei Tage Gipfel investiert. Lohnt sich das für den Freistaat?
Weber: Bayern profitiert bereits heute davon, dass der Gipfel hier stattgefunden hat und wird in Zukunft noch viel mehr davon profitieren. Die ganze Welt hat sich über die Medien von der Schönheit unserer Landschaft, der Verbindung von Tradition und Fortschritt, aber auch unserer Fähigkeit, so einen Gipfel erfolgreich auszurichten, überzeugen können. Auch bei den vielen Tausend Gästen, die mit Delegationen nach Bayern gekommen sind, hinterlässt das Positives. Ich gebe Ihnen ein Beispiel, wie ich es in Brüssel erlebe: Dort wird Bayern nicht nur als eines unter vielen Bundesländern wahrgenommen, sondern als etwas Besonderes. Das liegt an unserer wirtschaftlichen Stärke, der Eigenstaatlichkeit des Freistaats sowie Land und Leuten. Bayern ist eine Marke. Das wiegt unglaublich schwer.

BSZ: Was hat Sie an diesem Gipfel in Elmau am meisten überrascht?
Weber: Dass es überraschend konkrete Ergebnisse gibt, finde ich gut. Das ist ein ganz wichtiges Signal. Und es ist schön zu sehen, wie unkompliziert der Umgang der Staats- und Regierungschefs untereinander ist. Das erlebe ich auch in meinem Alltag. Auf einer persönlichen Basis lassen sich einfacher Ergebnisse finden.

BSZ: Was war der größte Erfolg?
Weber: Ich halte die Beschlüsse zur Klimapolitik für einen unglaublichen Erfolg. Medien schreiben schon vom „bavarian deal“ der Bundeskanzlerin. Der Gipfel hat sich zum 2-Grad-Ziel bei der Erderwärmung bekannt, will bis Ende des Jahrhunderts völlig auf fossile Energieträger verzichten und Treibhausgase massiv reduzieren. Damit hat so keiner gerechnet. Sogar die Umweltverbände loben dieses Ergebnis ausdrücklich. Die westlichen Industriestaaten müssen beim Klimaschutz vorangehen. Das geschieht jetzt.

BSZ: Wo hatten Sie sich mehr erhofft?
Weber: Es ist schade, dass sowohl die Situation in Griechenland wie auch der Ukraine-Konflikt den Gipfel überlagert haben. Aber letztlich hat das auch Chancen eröffnet. Insbesondere die gemeinsame Haltung der G7 zu Russland ist ein sehr hohes Gut. Das macht klar, dass die westliche Gemeinschaft auch eine Wertegemeinschaft ist.

BSZ: Ist der Ausschluss Russlands aus G8 und die Rückkehr zu G7 der richtige Weg? Führt er nicht womöglich zum Gegenteil dessen, was man erreichen will?
Weber: Europa hat die Auseinandersetzung mit Russland nicht gesucht. Erst durch die russische Annexion der Krim und der aktiven Unterstützung des Konflikts in der Ostukraine ist eine klare Antwort nötig geworden. Niemand will eine Verschärfung des Konflikts. Der Dialog mit Staatspräsident Putin und der russischen Regierung muss ständig fortgeführt werden. Wir wollen friedliche und konstruktive Lösungen, die für alle gesichtswahrend wie auch von langer Dauer sind. Was Putin aber im Moment tut, trägt nicht zur Entspannung bei. Deshalb ist das Signal, Russland nicht zur G7 einzuladen, richtig. Wir alle hoffen aber, dass sich das eines Tages wieder ändert.

"Man muss immer wieder den Dialog mit Putin suchen"

BSZ: Aber wäre ein Gipfel, auf dem die Staatschefs in sehr kleiner Runde miteinander sprechen, nicht gerade jetzt ein geeignetes Forum zum Austausch mit Russland?
Weber: Gesprächsforen sind sehr wichtig. Deshalb hat Bundeskanzlerin Angela Merkel unsere volle Unterstützung, immer wieder den Dialog mit Putin zu suchen. Dasselbe tun auch viele andere europäische Staaten und die EU.

BSZ: Putin knüpft ja auch zarte Bande mit Griechenland, das nicht nur im Euro, sondern auch Nato-Mitglied ist. Führt der Fall Griechenland dazu, dass Europa sich künftig andere Spielregeln verordnet?
Weber: Es ist Sache der griechischen Regierung, mit wem sie bilaterale Kontakte unterhält. Was mir aber nicht gefällt, ist der offensichtliche Versuch von Ministerpräsident Tsipras, Europa durch sein Kokettieren mit Russland in die Enge zu treiben. Das ist sehr schädlich. Dagegen hat sich die EU zu Recht gewehrt. Die Griechenland-Krise wird sicher Folgen für unser Miteinander in Europa haben. Ich erwarte aber dadurch eher eine Stärkung der Gemeinschaft.

BSZ: Wir hoch schätzen Sie die Chancen ein, dass es zu einer TTIP-Einigung kommt? Sind die Schiedsgerichte wirklich der größte zu bewältigende Brocken?
Weber: Der G7-Gipfel hat ein ermutigendes Signal für ein Freihandelsabkommen der EU mit den USA ausgesendet. Wir glauben an den Erfolg und den Nutzen. Vor allem die mittelständische Wirtschaft wird enorm von einem Abkommen profitieren. Aber: Es gibt nach wie vor einige offene Fragen, die wir geklärt haben wollen. Wir greifen die Sorgen und Ängste in der Bevölkerung auf. Bei den Schiedsgerichten wollen wir hin zu einer modernisierten Lösung kommen, an deren Ende die Einrichtung eines Handelsgerichtshofes steht. So hat es die EU-Kommission vorgeschlagen. Das würde viele Sorgen zerstreuen.
(Interview: Jan Dermietzel)

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